Kein Land erlebte eine so radikale Umgestaltung seiner Landwirtschaft wie
Argentinien.
In den 1970er Jahren verfügte Argentien über einen bemerkenswerten Lebensstandard.
Das
Landwirtschaftssystem war vielfältig, produktiv und hauptsächlich von kleinen
Familienbetrieben bestimmt. Die Qualität des argentinischen Rindfleischs war
damals
so gut, daß es mit dem texanischen konkurrieren konnte. Der reiche Landbau und
die
Farmen erwirtschafteten einen großen Mehrertrag, der weit über den heimischen
Nahrungsbedarf hinausging. Die Landwirtschaft benötigte keine staatlichen
Subventionen, und die Schulden der Farmer waren minimal. Das alles änderte sich
mit
der Schuldenkrise in den 1980er Jahren.
Im Jahre 1989 kam mit Präsident Carlos Menem, einem engen Freund von George Bush
Sen.
und David Rockefeller, eine neue Phase der wirtschaftlichen Zerstörung über das
Land,
die dem Ablauf ähnelte, den John Perkins so anschaulich in seinem Buch
»Bekenntnisse
eines Economic Hitman« beschrieben hat. Mit dem Argument, der Export von
genmanipulierten Sojabohnen sei notwendig, um die Auslandsschulden zu bezahlen,
transformierte
Menem die Landwirtschaft Argentiniens in eine neue Monokultur für den Export.
Im Jahre 1991 wurde Argentinien zum geheimen Experimentierfeld, auf dem die
Verwendung von gentechnisch manipulierten Pflanzen für die landwirtschaftliche
Produktion getestet werden sollte. Menem setzte eine Beraterkommission für
Biotechnologie ein, um die Lizenzvergabe für Feldversuche an Gen-Maissorten,
Sonnenblumen, Baumwolle, Weizen und insbesondere an Sojabohnen zu überwachen.
Eine
öffentliche Debatte von seiten der Regierung oder der Kommission darüber, ob
Gen-Pflanzen eine sichere Sache seien, gab es nicht. Bis dahin waren nirgendwo
sonst
Gen-Pflanzen in diesem Ausmaß angebaut worden.
Die Biotechnologie-Kommission traf sich im geheimen, ihre Forschungsergebnisse
wurden
niemals veröffentlicht. Sie handelten im Auftrag ausländischer transnationaler
Gentech-Saatgutkonzerne. Das wiederum war keine Überraschung, schließlich waren die
Kommissionsmitglieder Angestellte von Monsanto, Syngenta und Dow AgroSciences.
1996
vergab Menem eine Lizenz an den Monsanto-Konzern aus St. Louis, Missouri, dem
weltgrößten Hersteller von genmanipuliertem Sojabohnen-Saatgut, einem
strategisch
wichtigen Futtermittel für die weltweite Landwirtschaft.
Nachdem nach 1996 Gen-Sojabohnen-Saatgut in die argentinische Landwirtschaft
eingebracht worden war, begannen große ausländische Firmen wie Cargill und
ausländische Versicherungsgesellschaften und Konzerne wie beispielsweise Seabord
Corp. mit Massenaufkäufen von jetzt (in Dollars gerechnet) spottbilligem
argentinischem Ackerland. Der Boden Argentiniens wurde in eine riesige
industrielle
Produktionsstätte für Saatgut umgewandelt.
Als Folge der Wirtschaftskrise gaben die Banken Millionen von Hektar besten
Ackerlandes zur Versteigerung frei. Die einzigen Käufer, die Dollars investieren
konnten, waren ausländische Gesellschaften oder Privatpersonen. Den Kleinbauern
bot
man Pfennigbeträge für ihr Land, lehnten sie das ab, vertrieb man sie manchmal
mit
Terror oder Polizeigewalt. Im Jahre 2001 war der New Yorker Milliardär und
Hedgefond-Spekulant George Soros mit seiner argentinischen Holding-Gesellschaft,
Adeco Agropecuria, der größte Landbesitzer in Argentinien.
Zur Profitmaximierung wurden nach dem Vorbild von Kansas ausgedehnte Landflächen
so
hergerichtet, daß riesige Landwirtschaftsmaschinen rund um die Uhr betrieben
werden
konnten. Die Anlagen werden oft mittels GPS-Satelliten-Navigation ferngesteuert,
so
daß nicht einmal ein Bauer nötig ist, um einen Traktor zu fahren. Ein
Landwirtschaftssystem, das einstmals auf der Grundlage von produktiven
Familienbetrieben funktionierte, wurde zurückgeworfen in einen
neofeudalistischen
Zustand, beherrscht von einer Handvoll mächtiger, reaktionärer, reicher
Großgrundbesitzer im Stile der Latifundisdas.
Die Gen-Soja-Revolution in Argentinien gestaltete die Landwirtschaft innerhalb
von
zehn Jahren völlig um. In den 1970er Jahren hatten Sojabohnen keine wesentliche
Rolle
gespielt. Im Jahre 2004, nach 8 Jahren Monsanto, waren mehr als 14 Millionen
Hektar
Gen-Sojabohnen angebaut worden. Große Maschinen hatten die Wälder gerodet,
darunter
auch kostbaren Regenwald im Amazonasgebiet. Landwirtschaftliche Vielfalt wich
innerhalb kürzester Zeit einer Monokultur.
Mehr als ein Jahrhundert lang bestand das argentinische Ackerland, vor allem die
Pampas, aus weiten Mais- und Weizenfeldern inmitten grüner Weiden, auf denen
Viehherden grasten. Um die Bodenqualität zu erhalten, ließen die Bauern auf den
Äckern im Fruchtwechsel Getreideanbau dem Gras für das Vieh folgen. Mit dem
Sojabohnenanbau wurde das Land eine Monokultur, und weil die Sojapflanzen dem
Boden
wichtige Nährstoffe entziehen, brauchen die Pflanzen immer mehr chemischen
Dünger von
Monsanto. Die großen Rinder- und Milchviehherden, die jahrzehntelang frei auf
den
Weiden umhergezogen waren, wurden nun nach US-Manier in enge
Massenfutterparzellen
gepfercht, um Platz für die lukrativeren Sojabohnen zu schaffen.
Der
argentinische
Agrar-Ökologe, Walter Pengue, ein Spezialist auf dem Gebiet der Wirkung von
Gen-Sojabohnen, sagte weitblickend: »Wenn wir so weitermachen, wird dieser Boden
in
vielleicht 50 Jahren überhaupt nichts mehr hervorbringen.«
Schon 2004 nahmen die Sojabohnenpflanzen fast die Hälfte, das heißt 48 Prozent, des
gesamten Ackerlandes in Argentinien ein, und 97 Prozent dieser Bohnen waren
Gen-Sojabohnen
von Monsanto.
Zwischen 1988 und 2003 war die Zahl der argentinischen
Milchviehalter
auf die Hälfte reduziert worden. Zum ersten Mal mußte Milch eingeführt werden -
aus
Uruguay zu weit höheren Preisen. Weil der Anbau von Sojabohnen Hunderttausende
von
ihrem Land vertrieben hatte, nahmen Armut und Mangelernährung rapide zu.
Noch in den 1970er Jahren galt Argentinien als ein Land mit einem der höchsten
Lebensstandards der Welt. Prozentual lag 1970 der Anteil seiner Bevölkerung, der
offiziell unter der Armutsgrenze lebte, bei 5 Prozent. 1998 war der Bevölkerunganteil
unter
der Armutsgrenze schon auf 30 Prozent gestiegen, und 2002 bereits auf 51 Prozent.
Im Jahre 2003 stieg die Unterernährung, die man im früheren Argentinien nie
gekannt
hatte, auf eine geschätzte Höhe zwischen 11 Prozent und 17 Prozent bei einer Gesamtbevölkerung
von
37 Millionen an.
In Mitten der einschneidenden nationalen Wirtschaftskrise, die
aus
den Staatsdefiziten resultierte, mußten die Argentinier einsehen, daß sie
nicht
länger in der Lage waren, ihr Überleben so wie früher auf einem kleinen
Stückchen
Land sichern zu können. Das Land war überzogen mit riesigen Gen-Sojaflächen, die
sogar den Anbau von normalem, lebensnotwendigem Getreide blockierten.
Feudale Großgrundbesitzer begannen mit einer Massenabholzung des Waldes, um für
massenhaften Gen-Sojaanbau Platz zu schaffen. Plötzlich wurde den bäuerlichen
Gemeinschaften mitgeteilt, ihr Land gehöre jemand anderem. Wenn sie sich dann
weigerten, freiwillig wegzugehen, stahlen bewaffnete Gruppen oft ihr Vieh,
verbrannten ihr Getreide und drohten noch mehr Gewalt an. Innerhalb weniger
Jahre
wurden so mehr als 300.000 Kleinbauern und Farmer von ihrem Land vertrieben.
Da die Gen-Sojabohnen-Revolution die traditionelle landwirtschaftliche Produktion
zerstört hatte, erlebten die Argentinier einen dramatischen Wandel der
verfügbaren
Nahrungsmittel. Der Wirtschaftskrise im Jahre 2002 war die Bevölkerung auf Grund
der
neuen Sojabohnen-Monokultur hoffnungslos ausgeliefert. Hunger breitete sich über
das
Land aus. Nun fürchtete die Landesregierung Aufstände wegen der fehlenden
Nahrungsmittel, und sie reagierte, unterstützt von Monsanto und den riesigen
internationalen Sojabohnenabnehmern wie Cargill, Nestlé und Kraft Foods darauf.
Obwohl diese Sojabohne als Tierfutter angebaut wurde, verteilte man den
Hungernden
mildtätig Sojaspeisen, um einen stärkeren Konsum von Sojabohnen zu fördern.
Auf dem Lande waren die Auswirkungen der Sojabohnen-Monokultur noch
verheerender. Die
traditionellen bäuerlichen Gemeinschaften in der Nähe der riesigen neuen
Sojabohnen-Plantagen waren ernstlich betroffen, durch das Besprühen der
Sojabohnen
aus der Luft mit Pestiziden, dem Glyphosat Roundup Ready von Monsanto. In Loma
Senes
fanden die Bauern, die dort verschiedene Gemüse für ihren Eigenbedarf angebaut
hatten, die gesamte Ernte vernichtet, nachdem die angrenzenden Felder mit
Roundup
Ready besprüht worden waren, einem Pestizid, das alle Pflanzen vernichtet,
außer den
speziellen, genmanipulierten Monsanto-Pflanzen, die so gegen das
Unkrautvernichtungsmittel resistent gemacht sind.
Eine Studie von 2003 zeigt, daß das Besprühen nicht nur ihre Ernte zerstört
hatte.
Ihre Hühner waren gestorben und andere Tiere vor allem Pferde erlitten Schaden.
Bei
den Menschen führten die gesprühten Unkrautvernichtungsmittel zu schwerer
Übelkeit,
Durchfall, Erbrechen und Hautverletzungen. Aus Berichten geht hervor, daß Tiere
in
der Nähe von Gen-Sojabohnenfeldern mit Mißbildungen geboren wurden. Man hörte
von
mißgebildeten Bananen und Süßkartoffeln, von Seen, die plötzlich voller toter
Fische waren. Bauernfamilien berichteten, nach dem Besprühen der nahegelegenen
Sojafelder bei ihren Kindern seltsame Flecken auf dem Körper entdeckt zu haben.
Solveig Brendel
Quelle: Aus dem Buch
«Seeds
of Destruction: The Geopolitics of Geneocide»
(«Die Saat der Zerstörung: Die
Geopolitik des Genozids»)
von F. William Engdahl
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
'Schweiz: Gen-Moratorium um fünf Jahre verlängert' (27.11.05)
'Die Froschkartoffel' (27.10.05)
'Rumänien mit Gen-Soja illegal verseucht' (10.10.05)
'REACH bremst Tierversuche nicht'
Die Rolle von Tierversuchen beim Aufstieg und Fall der "Gentherapie"
(4.10.05)
'Monsanto knebelt US-Landwirtschaft' (26.04.05)
'Künast als Terminatorin der Öko-Landwirtschaft?
2005 dürfen über 1.000 Hektar Gen-Mais angebaut werden' (19.03.05)
'Brasilien erlaubt Anbau von Gen-Pflanzen' (4.03.05)
'Ministerin contra - Ministeriale pro Gentech?
'Report Mainz' enthüllt wahre Aufgabe des Künast-Ministeriums'
(1.03.05)
'Gen-Mais im Vogelschutzgebiet
Künasts Gentech-Gesetz wirkt' (18.02.05)