4.03.2005

Brasilien erlaubt
Anbau von Gen-Pflanzen

Rücktritt von Marina Silva?

Das brasilianische Parlament hat mit großer Mehrheit die Agro-Gentechnik freigegeben. Nach langem auch vor brasilianischen Gerichten1 ausgetragenem Kampf ist damit eine wichtige Weichenstellung zu Gunsten einer weiteren Ausweitung des Anbaus von Gen-Soja und der zunehmenden Zerstörung des Amazonas- Urwaldes zum Schaden unseres Planeten getroffen worden.

Schon bisher wurde in der Region Rio Grande do Sul unter Duldung der brasilianischen Regierung illegal Gen-Soja in großem Maßstab angebaut. Das Saatgut des US-amerikanische Monsanto, der mit 91 Prozent Anteil beim weltweiten Anbau genmanipulierter Pflanzen führend ist, wurde in riesigen Mengen über die agentinisch- brasilianische Grenze eingeschmuggelt. Zugleich steht die Ermordung prominenter UmweltschützerInnen in Brasilien auf der Tagesordnung.2

Staatspräsident Lula da Silva, der noch vor nicht allzu langer Zeit als neuer Hoffnungsträger der Linken galt, hat sich nicht nur in der Umweltpolitik, sondern auch in der Wirtschaftspolitik als verläßlicher Diener der US-Interessen erwiesen. In Brasilen wird nicht daran gezweifelt, daß der noch vor seiner Wahl zum brasilianischen Präsidenten als Gentech-Gegner agierende Lula bereits in wenigen Tagen das neue Gesetz unterzeichnet.

Es kursieren Gerüchte, nach denen die als Öko-Aushängeschild mißbrauchte Umweltministerin Marina Silva, nun zurücktreten will. Es wäre dieselbe Konsequenz, die schon vor etlichen Jahren ihr Amtsvorgänger José Lutzenberger hatte ziehen müssen. Auch ihm war die Erkenntnis nicht erpart geblieben, daß zwischen den Worten und den Taten eines Präsidenten ein himmelweiter Unterschied bestehen kann.

Das vom Parlament verabschiedete Gesetz beschneidet zudem die bisherigen Befugnisse des Umweltministeriums, denn auch für gentechnische Versuche in der Landwirtschaft ist nunmehr keine Erlaubnis des Umweltministeriums mehr nötig. Greenpeace Brasilien erklärte umgehend, weiterhin auch vor Gericht den Kampf fortsetzen zu wollen: Das Gesetz sei wegen der Umgehung von Umwelt- verträglichkeitsprüfungen verfassungswidrig.

Jahrelang galt Brasilien in Europa als sichere Bezugsquelle für gentech-freies Soja. Immerhin ist Brasilien der zweitgrößte Soja-Produzent der Welt. Doch durch den illegalen Anbau war bereits rund ein Drittel des aus Brasilien stammenden Soja genkontaminiert. Dennoch ist deshalb nun nicht mit Versorgungsengpässen für gentech-freies Soja zu rechnen. Im Norden Brasiliens haben bereits etliche Großproduzenten erklärt, weiter auf den lukrativeren Markt für gentech-freies Soja setzen zu wollen. Allein über den Hafen Panaguá werden rund 20 Millionen Tonnen gentech-freies Soja jährlich nach Asien und Europa exportiert.

Während die Großargrarier des Südens auf Expansion und weitere Urwaldzerstörung setzen, scheinen die Landwirte im Norden Brasiliens auf die anhaltende Entschiedenheit der EuropäerInnen zu setzen, die sich bereits seit nahezu einem Jahrzehnt laut wiederholter Umfrage-Ergenbisse zu mehr als 70 Prozent weigern, sich von den Segnungen des Gen-Food überzeugen zu lassen.

Ein Sieg der Gentech-GegnerInnen in Brasilien hätte allerdings die Entscheidung im festgefahrenen weltweiten Stellungskrieg um Gen-Food bedeuten können. Denn der Konzern-Gigant Monsanto ist wirtschaftlich schwer angeschlagen3 und konnte nurmehr mit gigantischen finanziellen Zuwendungen aus US-Steuermitteln über Wasser gehalten werden. Ohne massive Expansion des Gen-Food-Marktes werden die kreditgebenden Banken in Kürze den Geldhahn zudrehen.

Ein Signal, das diese Banken sicherlich registriert haben, war der Vorstoß auf den deutsch-brasilianischen Wirtschaftstagen im Juni 2004 in Stuttgart, die Hafenanlagen im Norden Brasiliens für gentechfreies Soja zu reservieren. Denn auch wenn zugleich starke wirtschaftliche Kräfte in Deutschland darauf drängen, den Anbau von Gen-Pflanzen hierzulande zuzulassen, ist allen, die sich mit der Materie befassen klar: Koexistenz ist nicht realisierbar und jegliche Vermischung bedeutet das Ende eines Marktes für gentech-freies Soja.

Für die besser informierten Landwirte im Norden Brasiliens dürfte allerdings auch ein Blick in Richtung USA die Entscheidung für den weiteren Anbau gentech-freien Sojas eine Rolle gespielt haben. Seit über einem Jahr spricht sich immer mehr herum, daß entgegen allen Versprechungen der Gentech-Konzerne in den USA der Einsatz von Pestiziden beim Anbau von Gen-Pflanzen langfristig nicht etwa abgenommen hat, sondern angestiegen ist.4

Im Süden Brasiliens wird hingegen weiter die Mär verbreitet, Gen-Soja sei rentabler, es werde weniger Chemie benötigt und die Produzenten von Gen-Soja in Argentinien seien reich geworden. Tatsächlich aber wäre auch ein Blick auf die argentinische Realität desillusionierend: Dort hat in der Landwirtschaft ein gigantischer Konzentrationsprozeß stattgefunden. Einige wenige sind tatsächlich reich geworden - fast alle haben aber so gut wie alles verloren. Rund 98 Prozent des in Argentinien angebauten Sojas ist genmanipuliert und daher von Konzernen wie Monsanto patentiert.

Und nicht nur die überwiegende Mehrheit der Menschen, sondern auch die Natur haben einen hohen Preis bezahlen müssen: Laut Greenpeace wurde seit 1996 2,37 Millionen Hektar Wälder und Savannen für Soja-Anbau gerodet. Es entstand über 40 Prozent zusätzliche Soja-Anbaufläche. Weitere rund 60 Prozent zusätzliche Fläche für den Soja-Anbau wurde gewonnen, indem sowohl zuvor für andere Feldfrüchte genutztes Ackerland als auch Weideland umgewandelt wurde.

In der Folge sank die argentinische Eigenproduktion an Milch, Fleisch, Kartoffeln, Erbsen, Linsen und Bohnen in ungeheurem Maße. Die argentinische Landwirtschaft ist seither weltmarktabhängig. Argentinische Saatgutfirmen gingen pleite. Der US-Konzern Monsanto hat sich so eine nahezu unumschränkte Monopolstellung verschafft. So ist es für Monsanto ein leichtes, die Rechte der Bauern immer mehr einzuschränken.

Und als größte Lüge hat sich auch in Argentinien die Prognose einer Reduzierung des Pestizid-Einsatzes herausgestellt. Auf die Dauer mußte seit dem Anbau von Gen-Soja nach einer neuen Studie von Greenpeace die eingesetzte Menge allein des Pestizids Glyphosat (Handelsname: Roundup), das in Argentinien im Soja-Anbau eingesetzt wird, im Zeitraum von 1996 bis 2004 um das 56-fache gesteigert werden. Laut Studie ist dies zwar zum einen darauf zurückzuführen, daß die Anbau-Fläche für Gen-Soja in diesen acht Jahren um das 35-fache vergrößert hat. Zum anderen jedoch muß pro Hektar inzwischen um 58 Prozent mehr Glyphosat eingesetzt werden.

 

Ute Daniels

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unsere Artikel

      Gen-Food in Brasilien:
      legal? illegal? scheißegal! (15.07.03)

      Brasilien setzt Amazonas-Zerstörung fort (15.08.03)

      Monsanto siegt vor brasilianischem Gericht
      Gen-Soja illegal und legal auf dem Vormarsch (16.08.03)

2 Siehe auch unseren Artikel

      Brasilianischer Regenwald-Schützer Ribeiro ermordet (25.02.05)

3 Siehe auch unseren Artikel

      Wann endet das Gen-Moratorium? (2.10.03)

4 Siehe auch unseren Artikel

      Erhöhter Pestizideinsatz
      durch Gen-Pflanzen in den USA (30.11.03)

Weiter unserer Artikel zu Monsanto:

      Monsanto kauft Indien stückchenweise
      Indischer Wissenschaftler deckt Filz auf (23.09.03)

      Monsanto zieht sich angeblich aus Europa zurück
      Bleibt Europa gentechnik-frei? (19.10.03)

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      Friends of the Earth: Weltweiter Erfolg für VerbraucherInnen
      (10.05.04)

      Verbot von Gen-Pflanzen in Venezuela?
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