Enthaltung zu Gen-Mais 863 heißt »Ja«
Bundesministerin Renate Künast konnte bisher trotz mehrerer Entscheidungen, die eine Weichenstellung im Sinne der Gentech-Konzerne bewirkten1, ihren Nimbus als Gentech-Gegnerin aufrecht erhalten. Am Montag nun geht es in Brüssel um eine Entscheidung über die Marktzulassung der genmanipulierten Mais-Sorte Mon 863. Wird sich Künast wieder einmal enthalten, kommt es erfahrungsgemäß zum Patt und die Entscheidung landet bei der EU-Kommission, die bekanntlich das »Ja« aussprechen wird.
Neu an der jetzigen Situation ist, daß Greenpeace diesem Spiel nun offenbar nicht ein weiteres Mal zusehen will: Greenpeace hat Renate Künast öffentlich aufgefordert, am Montag in Brüssel mit »Nein« zu stimmen. Greenpeace verweist auf die besondere Brisanz der Entscheidung über Mon 863 des Gentech-Konzerns Monsanto. Am 23. April war diese genmaipulierte Mais-Sorte durch einen Bericht der großen französischen Tageszeitung 'Le Monde'2 zum Gegenstand öffentlicher Aufmerksamkeit geworden.
'Le Monde' hatte Ergebnisse einer geheim gehaltenen Studie der französischen Gentechnik-Kommission (Commission du Génie Biomoléculaire) veröffentlicht, die pathogene Wirkungen der Genmais-Sorte Mon 863 beweisen. Bei Fütterungsversuchen mit Ratten hatten sich signifikante Veränderungen der Blut- und Nierenwerte im Vergleich zu einer Kontrollgruppe gezeigt. Mißbildungen der Nieren und eine Zunahme der weißen Blutzellen und der Lymphozyten wurde bei männlichen Ratten, eine Erhöhung der Blutzuckerwerte und gleichzeitige Abnahme von Retikulo-Zellen (unreifen roten Blutkörperchen) bei weiblichen Ratten dokumentiert.
Auch von deutschen ForscherInnen waren Bedenken gegen Mon 863 wegen eines Antibiotikaresistenz-Gens vorgebracht worden. Trotz dieser Bedenken und der intern vorliegenden französischen Studie hatte die europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) Mon 863 kurz vor der 'Le-Monde'-Veröffentlichung für unbedenklich erklärt.
Greenpeace fordert zudem Einsicht in einen ebenfalls bislang geheim gehaltenen Untersuchungsbericht zu Mon 863, der dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) vorliegt. Nach EU-Recht dürften Daten, die zur Bewertung des Risikos von Gen-Pflanzen nötig sind, von den zuständigen Behörden nicht unter Verschluß gehalten werden. Doch im August wurde Greenpeace mitgeteilt, daß die Studie zu Mon 863 "vertraulich" sei. Zur Verfügung gestellt wurde sei lediglich eine 19-seitige Zusammenfassung des über 1000-seitigen Untersuchungsberichtes.
"Es ist ein Skandal, daß Risikountersuchungen zur Lebensmittel- sicherheit geheim gehalten werden. Die vorliegenden Untersuchungs- interpretationen lassen keine abschließende Bewertung der Rattenversuche zu", so Gentechnik-Experte Christoph Then. Monsanto versuche zudem, durch Ergebnisse anderer Studien den Eindruck zu vermitteln, die Nieren- und Blutveränderungen lägen im Bereich normaler statistischer Abweichungen.
Christian Semmler
Anmerkungen:
1 Siehe auch unsere Artikel
Gentechnik-Streit
- Wo die Merkel-Stoiber-Bande Recht hat (28.05.04)
Enthaltung von "Rot-Grün" ebnet Gen-Technik den Weg (28.04.04)
Künast versucht vollendete Gen-Tatsachen zu schaffen (25.02.04)
Gen-Moratorium steht zur Disposition (29.01.04)
EU weist Gen-Mais Bt-11 überraschend ab (9.12.03)
Künast schlägt Bresche für Gen-Mais (27.06.02)
2 Siehe auch unsere Artikel
Ist die Gentechnik am Ende? (24.05.04)
Gen-Food keinesfalls "unbedenklich" (1.06.04)