Hasankeyf weiterhin bedroht
Trotz internationaler Proteste verfolgt die türkische Regierung weiterhin das Ilisu-Staudamm-Projekt im kurdischen Südosten am Oberlauf des Tigris. Anfang Mai betonte der Generalsekretär des einflußreichen Nationalen Sicherheitsrats der Türkei, Yigiit Alpogan, es dürfe keine Verzögerung geben, da das Projekt nicht nur die Wirtschaft des Landes, sondern auch die Sicherheit betreffe. Gegenüber einer vor Ort arbeitenden Untersuchungs-Kommission gab die Staatliche Wasserkraftbehörde offen zu, daß der Bau am Ilisu-Damm inzwischen wieder aufgenommen wurde.1
Die Archäologin Maggie Ronayne von der Nationalen Universität Irland in Galway erklärte bei der Veröffentlichung dieser Erkenntnisse, daß mit dem geplanten Stausee nicht nur der Tigris auf eine Fläche von über 300 Quadratkilomerter aufgestaut, sondern damit zugleich ein Weltkulturerbe zerstört würde. Mit diesem Projekt würde die antike obermesopotamische Stadt Hasankeyf fast vollständig überflutet. Teile des historischen Erbes von KurdInnen, ArmenierInnen, AssyrerInnen und anderen im Laufe der Jahrhunderte hier lebenden Völkern würden vernichtet. Bedroht von der Überschwemmung sind einzigartige archäologische Monumente wie die Pfeiler einer gewaltigen mittelalterlichen Tigris-Brücke, Moscheen aus dem 15. Jahrhundert und Zehntausende in Urzeiten bewohnte Höhlen.
Der Ilisu-Staudamm ist ein Herzstück des Südostanatolien-Projektes (GAP). Bis zum Jahr 2010 sollen elf Staudämme und 19 Wasserkraftwerke an Euphrat und Tigris errichtet werden. Die Realisierung des Projekts hätte die Umsiedlung von schätzungsweise 78.000 Menschen - überwiegend KurdInnen - zur Folge. Dies muß im Zusammenhang mit der nach wie vor repressiven Kurdenpolitik der Türkei gesehen werden, die separatistische Tendenzen der sowohl in der Türkei als auch im angrenzenden Ländern Nordirak und Syrien siedelnden Kurden rücksichtslos unterdrückt. Die Äußerung des Generalsekretärs des Nationalen Sicherheitsrats der Türkei, Yigiit Alpogan, über die Sicherheit der Türkei zielt in eben diese Richtung. Durch die "Entwicklung" des armen kurdischen Randgebietes der Türkei und die Vertreibung von Zehntausenden Bauernfamilien soll der PKK (einer bis zur Festnahme ihres Führers Öcalan terroristischen Organisation) die Unterstützung entzogen und die Bewegungsfreiheit von Guerilla-Gruppen durch die gewaltigen Stauseen eingeschränkt werden.
Als Erfolg einer internationalen Kampagne war das Ilisu-Staudamm- Projekt im Jahr 2002 auf Eis gelegt worden. Fast alle am Ilisu-Konsortium beteiligten Konzerne hatten sich nach Bekanntwerden schwerwiegender Umweltbeeinträchtigungen und Menschenrechts- verletzungen von dem Vorhaben zurückgezogen. Hasankeyf würde nicht überschwemmt, sondern für den Tourismus ausgebaut werden, versprach der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan. Tatsächlich wurden in den vergangenen Jahren einige Gebäude restauriert und archäologische Ausgrabungen vorgenommen. Souvenirhändler stellten sich auf den wieder auflebenden Tourismus ein. Doch das Stadtbild von Hasankeyf beherrschen weiterhin Uniformierte in großer Zahl. Und wenige Kilometer von Hasankeyf sichern Panzer die Baustelle für den Staudamm.
Der Ilisu-Staudamm soll von einem Konsortium unter Führung des österreichischen Turbinenherstellers VA Tech erbaut werden, der Ende 2004 von Siemens2 übernommen wurde. Für den 20. Juli wird jedoch eine kartellrechtliche Entscheidung der EU erwartet. Sollte diese für den Siemens-Konzern positiv ausfallen und die Neuerwerbung bestätigt werden, ist mit einer alsbaldigen Erteilung einer "rot-grünen" Hermes-Bürgschaft für den Staudammbau zu rechnen. Auch die Hamburger Baufirma Züblin ist nach Informationen der Berliner Zeitung am Bau von Ilisu beteiligt.
Ute Daniels
Anmerkungen
1 Siehe hierzu auch unsere Beiträge
Siemens bedroht Hasankeyf
Konzern plant Übernahme von VA Tech und Staudamm-Projekt Ilisu
(12.11.04)
Wasser und Weltbank (13.07.03)
Explosivstoff Wasser
Nahost braucht eine gerechtere Verteilung des Wassers (4.02.01)
HASANKEYF - Staudammprojekt des Wahnsinns (7.11.2000)
2 Siehe hierzu auch unsere Beiträge
Hermes-Bürgschaften für AKWs in China (7.12.04)
Klage gegen "Rot-Grün" wegen Hermes-Bürgschaften (15.06.04)
Hanau-Export - nicht Neues
Ein Überblick über die Geschichte "rot-grüner" Export-Bürgschaften
(9.12.03)
Siemens greift nach Monopol in Europa (26.05.04)