Bundespräsident Joachim Gauck trat heute in die Fußstapfen des früheren deutschen Außenministers Joseph Fischer und mißbrauchte das Gedenken an Auschwitz, um für Krieg zu werben. Dies mußte sich der russische Präsident nicht anhören, da er zu dem offiziellen Auschwitz-Gedenken in Polen nicht eingeladen wurde.
Wörtlich sagte Gauck, nachdem er an die Völkermorde in Kambodscha und Ruanda erinnerte: "Sind wir denn bereit und fähig zur Prävention, damit es gar nicht erst zu Massenmorden kommt? Sind wir überhaupt imstande, derartige Verbrechen zu beenden und sie zu ahnden? Fehlt manchmal nicht auch der Wille, sich einzusetzen gegen solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit?" Wen Gauck mit "wir" meint, dürft spätestens seit seinen Reden als Bundespräsident bekannt sein: NATO und Bundeswehr. Und wie schnell ein angeblicher Völkermord und die "hehre" Berufung auf Auschwitz als Vorwand für Krieg mißbraucht werden kann, ist 1999 mit dem Kosovo-Krieg offensichtlich geworden.
Doch davon schweigt Gauck.
Aber er setzte auf diese widerliche Heuchelei und seine Mißachtung für die Toten von Auschwitz noch eins drauf: "Und wir tun es heute, wenn wir uns jeder Art von Ausgrenzung und Gewalt entgegenstellen und jenen, die vor Verfolgung, Krieg und Terror zu uns flüchten, eine sichere Heimstatt bieten." Joachim Gauck weiß genau, wer auf dieser Erde heute Elend und Hunger - besonders in Afrika - zu verantworten hat. Denn für genau diese "Eliten" in den USA und Europa, die für all dieses Leid verantwortlich sind, wirbt Gauck unaufhörlich. Er wirbt dafür, unter humanitärem Vorwand ungestört weltweite Kriege um Rohstoffe und Machterhalt führen zu können. Und er weiß genau, daß als Folge neo-kolonialer Unterdrückung und Plünderung der Rohstoff-Ressourcen massenhaft Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken.
Doch nicht nur von Gauck wird das Gedenken an Auschwitz, an die Befreiung der wenigen Überlebenden durch die Rote Armee am 27. Januar 1945, für egoistische Zwecke ausgeschlachtet.
Zugleich dient die offizielle Gedenkfeier ein weiteres mal dazu, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu brandmarken. Er wurde nicht zu den Feierlichkeiten eingeladen. Max Mannheimer, Auschwitz-Überlebender, Präsident der Lagergemeinschaft Dachau und Vizepräsident des Internationalen Dachau-Komitees, fordert in einem Brief an den ehemaligen polnischen Außenminister und Auschwitz-Häftling Wadysaw Bartoszweski: "Die Erinnerung an den Holocaust darf nicht instrumentalisiert und aktuellen politischen Konflikten untergeordnet werden." Lügnerisch wird in den Mainstream-Medien verbreitet, in diesem Jahr seien (ausnahmsweise) keine Einladungen an Staatsoberhäupter ausgesprochen worden. Stattdessen habe lediglich die Gedenkstätte Auschwitz Schreiben an alle Botschaften versendet, die wiederum innerstaatlich weitergeleitet hätten werden können - oder auch nicht.
Offensichtlich diente dieses Verfahren dazu, nach außen den Schein zu wahren, und Putin nicht explizit von einer Liste der Einzuladenden streichen zu müssen. Daß es sich auch hierbei um Heuchelei handelte, beweist das Vorgehen der polnischen Regierung - der Gastgeberin. Sie hat nachweislich den ukrainischen "Präsidenten" Petro Poroschenko eingeladen und in dem Schreiben heißt es: "Ich möchte Sie gerne fragen, ob sie uns beehren."
Dabei hatte sich Putin in all den Jahren - auch nach den Auschwitz-Gedenkfeierlichkeiten im Jahr 2005, als er noch eine Rede halten durfte - sehr viel Mühe gegeben, Rußland der EU anzunähern und die gemeinsamen politischen und wirtschaftlichen Verbindungen auszubauen. Doch dies war offenbar der US-Regierung ein Dorn im Auge. Mit Hilfe der Ost-Erweiterungen der NATO konnte sie die europäisch-russischen Annäherung unterminieren. Und sie fand gerade in den Regierungs-ChefInnen der ehemaligen Ostblock-Staaten, willige HelferInnen. Die russische Regierung - gleich, ob unter Putin oder unter Dmitri Medwedew - hat diese Form der "militärischen Annäherung" immer wieder, jedoch vergeblich, zur Sprache gebracht. Und kein Mensch hat je ernsthaft behauptet, daß etwa Deutschland durch jene Ost-Erweiterungen der NATO (Siehe unseren Artikel v. 8.11.14) sicherer geworden sei.
Spätestens nach Putins deutlichen Worten auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 konnten auch die hiesigen Mainstream-Medien nicht mehr unterschlagen, daß die russische Regierung diese "militärische Annäherung" keineswegs wie noch zu Zeiten eines Boris Jelzin als freundlichen Akt mißverstand. Auch die Avancen von Seiten der EU und der NATO gegenüber der Ukraine, die 2004 offenkundig geworden waren, konnten von russischer Seite nur als ein sich beschleunigender Versuch verstanden werden, die Macht-Balance in Europa zu Ungunsten Rußlands zu verändern. Das Verständnis Bismarcks von der existentiellen Bedeutung eines ausgeglichenen Verhältnisses zu Rußland (und ebenso zu allen übrigen mächtigen Staaten Europas) scheint der deutschen "Elite" völlig abhanden gekommen zu sein.
Wenn nun in den vergangenen Monaten immer wieder in den hiesigen Mainstream-Medien davon die Rede war, die Vereinnahmung der Ukraine sei nichts weiter als eine Frage von Freiheit und "Werten", kann dies in Anbetracht des Geschehens der vorangegangenen Jahre bestenfalls als Beschönigung gelten. Welche Interessen jedoch die US-Regierung in der Ukraine verfolgte, und zu welchem Zweck hunderte von Millionen US-Dollar - etwa über die Umweg-Finanzierung durch die Stiftung 'Open Society' des Milliardärs George Soros - in die Ukraine flossen, wurde hingegen ausgeblendet.
Als die russische Regierung am 1. August 2013 dem Whistleblower Edward Snowden Schutz vor US-amerikanischer Verfolgung bot, machte sie sich bei der Regierung Barack Obamas nur noch mehr verhaßt. Daß es schon bei der Auseinandersetzung mit dem russischen Oligarchen Michail Chodorkowski, die sich im Jahr 2010 zugespitzt hatte, um einen Konflikt mit den USA gehandelt hatte, dürfte hingegen bis heute nur wenigen bewußt sein. Chodorkowski hatte bis 2003 ein geschätztes Vermögen von über acht Milliarden US-Dollar aufgehäuft und galt als der achtreichste Mann der Welt. Zum Verhängnis wurde ihm, daß er 2002 mit den US-amerikanischen Öl-Konzernen Exxon und Chevron und der US-Regierung über einen weitreichenden Verkauf von Anteilen seines Öl-Konzerns Yokos verhandelte. Yukos gab zugleich Pläne bekannt, ein eigenes Pipeline-Netz aufzubauen und so das Staatsmonopol über die Öl-Pipelines zu brechen und die Ölströme umzulenken. Damit hätte Chodorkowski den US-"Eliten" maßgeblichen Einfluß auf die russische Wirtschaft verschafft.
Wenn sich Putin eine Verbesserung seines Image in den "westlichen" Mainstream-Medien nach dem Asyl für Snowden erhoffte, hatte er sich gründlich verrechnet. Bei unabhängigen Intellektuellen in Europa verschaffte er sich damit zwar einen gewissen Respekt, doch die weit überwiegende Mehrheit der europäischen "Elite" in Politik und Wirtschaft ist "transatlantisch" orientiert. Dies zeigte sich von Jahr zu Jahr deutlicher - auch in der ostentativen Mißachtung der Olympischen Winterspiele in Sotschi im Februar 2014. Putin wollte Rußland damit als weltoffene, friedliebende Nation präsentieren. Doch auch die zugleich ausgesprochenen Amnestien für Chodorkowski und "Pussy Riot" wurden im Westen nicht als Signale des Entgegenkommens gewürdigt. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (entgegen der eigenen Aussage, auf einen Olympia-Boykott zu verzichten) und Bundespräsident Gauck boykottierten de facto die Olympiade in Sotchi.
Am 18. Februar 2014 kam es - nachdem es zunächst nach einer Einigung in den Ukraine-Verhandlungen zwischen der EU und Rußland ausgesehen hatte - zum Putsch in der Ukraine und der Flucht des rechtmäßig gewählten Präsidenten Viktor Janukowitsch. Bis heute wird der maßgebliche Anteil neo-faschistischer Kräfte an diesem Putsch von den hiesigen Mainstream-Medien ausgeblendet. Ebenso wie im Falle der "orangenen Revolution" des Jahres 2004 (Siehe unseren Artikel v. 1.01.2005) ist der Einfluß von US-amerikanischer Seite hier deutlich zu erkennen. Im Mai 2014 wurde erstmals bekannt, daß US-amerikanische Söldner in der Ukraine kämpfen (Siehe unseren Artikel v. 11.05.14).
Dennoch nahm Putin im Juni 2014 an den Feierlichkeiten des Jahrestages der Invasion der Alliierten in der Normandie in Frankreich teil. Um seinen "Goodwill" zu bekunden, schüttelte er dort sogar Petro Poroschenko die Hand. Doch von US-Seite wurde weiter eskaliert. Ohne Beweise vorlegen zu können, wurde der Abschuß des malaysischen Passagier-Flugzeugs MH17 mit 298 Menschen an Bord am 17. Juli den ost-ukrainischen Aufständischen und der russischen Regierung zur Last gelegt. Und ohne Beweise vorlegen zu können, wird ständig von "westlicher" Seite wiederholt, reguläre russische Soldaten oder gar russische Militärfahrzeuge und Panzer seien an dem Krieg in der Ost-Ukraine beteiligt.
Sicherlich kann unter Putin in Rußland keine Rede von einer "lupenreinen Demokratie" (Originalton Gerhard Schröder) sein. Aber wie gerade das Beispiel 'Carlie Hebdo' und die vorangegangene Zensur und Verbote zeigen, ist die Medien-Freiheit im "Westen" - mit Ausnahme des Internet - weitgehend eine Fiktion. Freiheit und "Werte" stellen sich auch hier bei genauer Betrachtung in aller Regel als die Freiheit einiger Weniger heraus, ihre Ansichten in den Mainstream-Medien zu verbreiten und ihre Vermögen auf Kosten von Zweidrittel der Bevölkerung zu mehren.
Mit dem BRICS-Bündnis, das im Juli 2014 einen entscheidenden Schritt tat, um zum US-amerikanischen Imperium eine Gegenmacht zu etablieren, hat sich die Weltlage tiefgreifend verändert (Siehe unseren Artikel v. 15.07.14). Wenn es der US-Regierung nicht gelingt, Rußland in die Knie zu zwingen, wird der 15. Juli 2014 als Zäsur in die Geschichte eingehen, die den Anfang vom Ende des US-Imperiums markiert. Für den weit überwiegenden Teil der europäischen Bevölkerung könnte der Übergang in eine multipolare Welt große Vorteile mit sich bringen. Europa, das weltpolitisch kaum Gewicht besitzt, könnte zum eigenen Vorteil eine Mittlerrolle im Spannungsverhältnis der zwei Macht-Blöcke spielen.
Diese Chance wird jedoch von einer "transatlantisch" fixierten "Elite", für die Gauck als idealtypisch gelten kann, nicht erkannt. Stattdessen trägt diese zur Eskalation eines Konflikts bei, der in einem Dritten Weltkrieg enden kann - einem Inferno, das den Holocaust mit Sicherheit übertreffen würde.
Anmerkung
Siehe auch unsere Artikel:
Gorbatschow: Westen hielt Versprechen nicht ein
Sorge vor "neuem Kaltem Krieg" (8.11.14)
BRICS-Staatenbund gründet eigene Entwicklungsbank
mit 100 Milliarden US-Dollar Kapital (15.07.14)
US-Söldner in der Ukraine
Obamas Spiel mit dem Feuer (11.05.14)
Arafat und Polonium-210
Scheinbar widersprüchliche Gutachten (26.12.13)
Arafat wurde ermordet
Erhöhte Polonium-210-Werte festgestellt (6.11.13)
Bei einem Absturz 1961 in North Carolina
entgingen die USA nur knapp einer Nuklear-Katastrophe
(21.09.13)
11. September vor 40 Jahren
Ein blutiger Putsch mit Beteiligung der CIA (11.09.13)
Der Prager Frühling
und dessen Niederschlagung am 21. August 1968 (21.08.13)
Georg Elser
Mut, Recht und Unrecht (4.01.13)
Ermordung Víctor Jaras unter Pinochet-Diktatur
Haftbefehle nach 39 Jahren (28.12.12)
Berufsverbote
1972: Willy Brandt - 2004: Annette Schavan (28.01.12)
Klaus Barbie, der "Schlächer von Lyon",
arbeitete im Kalten Krieg für den BND (20.01.11)
Patrice Lumumba
- mehr als ein Symbol (17.01.11)
Faschistoide Menschenversuche
mit Wissen der US-Regierung (3.10.10)
Verbrecherische Menschenversuche
bei französischen Atombomben-Tests (17.02.10)
60 Jahre Unrechts-Staat BRD
(23.05.09)
10. Jahrestag des Kosovo-Kriegs
Propaganda von der "humanitären Katastrophe"
bis heute aufrechterhalten (24.03.09)
Wer verursachte 1988 die Lockerbie-Katastrophe?
Nach wie vor Zweifel... (21.12.08)
Frankreichs Verbrechen auf Moruroa
188 Atom-Bomben und die Folgen (29.09.08)
Der "Sturm auf die Stasi-Zentrale"
- eine Farce (15.01.05)
Ukraine
Alles dieselbe Bagage (1.01.05)
Unrechtsstaat
Ein Anti-Kommentar von Klaus Schramm (25.08.04)
Zum Tod von Günter Gaus
(16.05.04)
Der 17. Juni 1953
Zur Antizipation eines Jahrestages (16.06.03)
Die vergessenen Kriege
(28.03.03)