14.01.2005

Geld statt Wölfe in Norwegen
Geld statt Eisbären in Grönland

Der Wolf steht in Norwegen auf der Roten Liste der vom aussterben bedrohten Arten. Zugleich steht der Wolf auf der Abschußliste von fast 400 Jägern. Das norwegische"Umwelt"-Ministerium gab für dieses Jahr fünf Tiere zum Abschuß frei. Die Umweltorganisation WWF (World Wide Fund for Nature) bezeichnet diese aktuelle Entscheidung lapidar als Freifahrschein für ein "absurdes Gemetzel".

Insgesamt leben in Skandinavien noch höchstens 120 Wölfe. In Norwegen dürften es nicht viel mehr als 20 Exemplare sein, schätzt der WWF. Weil norwegische Schaf-Farmer über den Verlust von Tieren klagen, die angeblich von Wölfen gerissen werden, sollen jetzt erneut fünf Wölfe sterben - ein Viertel der gesamten Population. Drei Wölfe wurden bereits getötet.

"Der Abschuß mag zwar die Viehzüchter beruhigen, untergräbt jedoch die Glaubwürdigkeit Norwegens bei internationalen Naturschutz- Bemühungen", meint Peter Prokosch, Geschäftsführer des WWF Deutschland. Diese Strategie sei von international akzeptierten Standards im Wildtier-Management meilenweit entfernt. Der WWF Norwegen will die Jagd jetzt gerichtlich stoppen.

Schwedische und norwegische Wissenschaftler gehen davon aus, daß etwa 800 Wölfe in Südskandinavien leben müßten, um das Überleben der Art in dieser Gegend zu sichern. Nur so sei ein ausreichend großer Genpool gesichert. Im Prinzip ist genügend Platz für die Tiere vorhanden. Norwegen ist etwa so groß wie Deutschland, hat aber nur ein Zwanzigstel der Einwohnerzahl. Der WWF verweist auf das viel dichter besiedelte Italien: Dort leben vor den Toren Roms intakte Wolfspopulationen, ohne gejagt zu werden.

Die skandinavischen Wölfe ernähren sich überwiegend durch die Jagd auf Elche. Die angeblichen Probleme der Schafzüchter werden durch den Tod der Wölfe mit Sicherheit nicht gelöst. Eigentlich stehen die Wölfe auch in Norwegen seit 1973 unter Naturschutz. Zudem hat das Parlament in Oslo zugestimmt, daß drei Rudel im Land leben dürfen. Mit der erneuten Jagd werde diese Beschlüsse eindeutig gebrochen, kritisiert der WWF.

Die Region Osterdalen an der Grenze zu Schweden, in der die betroffenen Wölfe leben, ist die einzige Region Europas, die gleichzeitig vier große Raubtiere beherbergt: Wolf, Luchs, Bär und Vielfraß leben hier von Elch, Rehwild, Rotwild und Rentier. Das Gebiet gehört zu den am besten geeigneten Lebensräumen für Wölfe. Teile davon liegen im Rondane National Park, einem der berühmtesten Schutzgebiete Norwegens.

In Grönland steht es um den Eisbären nicht besser: Die Regierung Grönlands will zukünftig Eisbären durch Hobbyjäger abschießen lassen.

"Die Pläne Grönlands sind aus Artenschutzsicht unverantwortlich", kritisiert Daniela Freyer, Expertin der Tierschutz-Organisation 'Pro Wildlife'. Hilflos verweist sie auf internationale Schutzabkommen, die vor Jahrzehnten geschlossen wurden, um den unkontrollierten Abschuß und Handel zu unterbinden. In jüngster Zeit machen Klimaerwärmung und Umweltgifte1 den Eisbär-Beständen bereits schwer zu schaffen. Daß die grönländische Regierung trotz zunehmender Gefährdung der Tiere nunmehr die Trophäen-Jagd einführen will, führt die Biologin auf Profit-Gier zurück: Hobbyjäger zahlen zwischen 15.000 und 30.000 Euro, um das größte Landraubtier der Erde zu erlegen.

"Jagdreiseveranstalter im Ausland wittern das große Geschäft - doch weder die Eisbären noch die Menschen in der Region werden von der Jagd profitieren", erklärt Dabiela Freyer. Bislang war in Grönland nur den Ureinwohnern die traditionelle Jagd auf Eisbären erlaubt.

Die in der Arktis lebenden 20 - 25.000 Eisbären sind auf 20 Populationen in Kanada, Grönland, Alaska (USA) und Rußland verteilt. In Grönland soll es nach groben und völlig veralteten Schätzungen insgesamt noch 6.000 Tiere in vier verschiedenen Populationen geben. Diese Zahlen beruhen allerdings nicht auf fundierten Populations-Studien, sondern auf Hochrechnungen von Jägern. "Grönland steht seit Jahren in der Kritik, weil es weder Quoten für die einheimische Jagd noch zuverlässige Kontrollen hat", betont die 'Pro-Wildlife'-Sprecherin. "Forscher vermuten, daß Grönlands Eisbären-Bestände bereits jetzt durch übermäßige Jagd dezimiert sind."

'Pro Wildlife' kritisiert zudem, daß die grönländischen Jagdpläne die zunehmende Gefährdung von Eisbären durch Umwelteinflüsse ignorieren. Eisbären leiden besonders unter den Folgen der Klimaveränderung und der Schadstoffbelastung: Sie stehen am Ende der Nahrungskette und sammeln Schwermetalle und toxische Verbindungen wie PCB, Dioxin oder DDT in ihrem Fettgewebe an. Überlebens-Chancen und Fortpflanzung der Tiere sind hierdurch beeinträchtigt.

Auch die Klimaerwärmung hat dramatische Folgen: Durch den immer früheren Rückgang der arktischen Eisdecke im Frühjahr wird die Jagdsaison des Eisbären, bei der er auf die Eisflächen angewiesen ist, erheblich verkürzt. "Jede Woche, die ein Eisbär weniger auf Robbenjagd gehen kann, reduziert sein Körpergewicht um 10 Kilogramm", berichtet Freyer. "Die Tiere können sich nicht mehr genug Speck anfressen, um die langen Fastenmonate im Sommer unbeschadet zu überstehen und ihre Jungen durchzubringen." WissenschaftlerInnen schätzen, daß die Jagdsaison bereits um drei Wochen verringert ist und berichten von einer erhöhten Jungtiersterblichkeit.

Seit 1973 gilt ein internationales Schutzabkommen für Eisbären, um die unkontrollierte Jagd zu beenden. Alaska, Rußland und Grönland verbieten seitdem die Trophäen-Jagd, lediglich Kanada - das Land mit dem größten Eisbär-Bestand - genehmigt Hobbyjägern Abschüsse. Wenn die grönländische Regierung dies künftig ebenfalls erlauben sollte, könnte sie auch in Konflikt mit dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen geraten, das für den internationalen Handel mit Eisbären seit 1975 strenge Beschränkungen vorschreibt. "Die Bestandssituation der grönländischen Eisbären ist mehr als ungewiß. Die Einführung der Trophäen-Jagd könnte die Tiere der Ausrottung noch ein Stück näher bringen", warnt die 'Pro-Wildlife'- Sprecherin.

 

Petra Willaredt

 

Anmerkung:

1 Siehe auch unseren Artikel

    Eisbär leidet unter Pestiziden (13.09.04)

Siehe auch unsere weiteren Artikel zum Thema Artenschwund

    Bundesadler plumbum (14.01.05)

    Hessens Ministerpräsident Koch verliert 92 zu 8
    Mehrheit der TV-ZuschauerInnen sprach sich für bedrohte Tierart aus
    (6.12.04)

    Dramatische Verluste bei Amphibienarten weltweit
    Neue wissenschaftliche Ergebnisse sind alarmierend (18.10.04)

    Wale und Delphine sterben weiterhin an Lärm (23.09.04)

    EU torpediert Artenschutz
    Dramatischer Bestandsrückgang auch beim Löwen (22.09.04)

    Urwaldschutz ist zugleich Orang-Utan-Schutz (21.09.04)

    Auch Elefanten wieder von der Ausrottung bedroht (15.09.04)

    Eisbär leidet unter Pestiziden (13.09.04)

    'Seltene Luchs-Art in Spanien akut
    vom Aussterben bedroht' (8.09.04)

    Rotbauchunke reloaded (30.07.04)

 

neuronales Netzwerk