Nach Angaben der Polizei beteiligten sich an der seit 25 Jahren größten Anti-AKW-Demo der Schweiz über 20.000 Menschen. Organisiert wurde die Kundgebung von 'Menschenstrom gegen Atom', einem Zusammenschluß von rund 150 Schweizer Organisationen. Das AKW Beznau, in dessen Nähe die Demo stattfand, liegt nahe der deutschen Grenze im Kanton Aargau.
Zuletzt hatte die Schweizer Anti-Atom-Bewegung vor 25 Jahren eine ähnliche Resonanz erzielt, als 1986 nach der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl am AKW Gösgen 30.000 Menschen für einen Atom-Ausstieg demonstriert hatten. Im vergangenen Jahr am 24. Mai hatte 'Menschenstrom gegen Atom' am AKW Gösgen 5000 Menschen mobilisieren können.
Die Demo auf einem großen Feld bei dem Ort Kleindöttingen verbreitete den Flair eines Open-Air-Festivals. Entgegen den Wettermeldungen strahlte die Sonne die Atomkraft-GegnerInnen zuverlässig bis zum Ende der Veranstaltung gegen 16 Uhr an und erst dann begann es allmählich zu tröpflen. Viele selbst gestaltete Transprente prägten das Bild: "Es ist höchste Zeit", "Die Zukunft ist erneuerbar" oder auch "Nuclear - No clear" war darauf zu lesen. Viele gelbe Fahnen mit der orangenen Anti-Atomkraft-Sonne verliehen der Demo einen überparteilichen Charakter, obwohl die Schweizer Atomkraft-Bewegung reichlich Partei-PolitikerInnen mit Redebeiträgen zu Wort kommen ließ. Während jedoch die meisten Text-Beiträge die Versammelten kaum verkennbar langweilten, konnte Aernschd Born, Liedermacher, Anti-AKW-Aktivist und Mitarbeiter bei 'Nie wieder Atom' (NWA), einer der ältesten Anti-AKW-Organisationen der Schweiz, das Publikum mit seinen gesungenen Texten mitreißen.
Der Schriftsteller und Kabarettist Franz Hohler trat als "Restrisiko" auf. In der Satire wohnt das "Restrisiko" unerkannt etwa einer Vorstands-Sitzung bei, folgt aber auch harmlosen Wanderern auf Schritt und Tritt. Im Anschluß an seinen Auftritt bekannte Hohler, daß er die Satire schon vor vielen Jahren geschrieben hatte und nur ein wenig aktualisieren mußte. Hohler, der schon beim Kampf gegen den Bau des AKW Kaiseraugst dabei war, hofft auf eine "nachhaltige Wirkung" des jetzigen Protests. Die Atmosphäre erinnere ihn an die Zeit nach der Tschernobyl-Katastrophe. Doch leider sei der damalige Protest nach einigen Jahren wieder verflogen.
Auffällig war der hohe Anteil an jungen DemonstantInnen und Eltern mit kleinen Kindern. Viele waren bereits am frühen Sonntag Morgen in Sonderzügen und -bussen aus der ganzen Schweiz und dem benachbarten Ausland zum AKW Beznau gereist. Ähnlich wie in Deutschland wird es auch in der Schweiz entscheidend sein, ob sich die Menschen erneut mit einem "Atom-Ausstieg in x Jahren" abspeisen lassen werden oder ob sie den sofortigen Atom-Ausstieg fordern. Wie schon vor 25 Jahren signalisieren die Partei-PolitikerInnen Entgegenkommen. In den Schweizer Mainstream-Medien ist die Rede ist von Optionen eines Atom-Ausstiegs ab den 2020er Jahren "in den verschiedensten Schattierungen."
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
AKW Leibstadt
Mitarbeiter verstrahlt (18.02.11)
Schweizer Studie:
AKW-Neubau unwirtschaftlich (8.06.10)
5000 bei Schweizer Anti-AKW-Demo
Für Abschaltung des AKW Gösgen und gegen neue AKW (25.05.10)
Schlechte Noten für Schweizer Atomkraftwerke
Verfahren gegen zwei AKW-Betreiber (6.05.10)
Schweizer AKW Mühleberg bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag?
Unbefristete Betriebsgenehmigung ohne BürgerInnenbeteiligung
(22.12.09)
August 2009: "Panne" im AKW Beznau
Zwei Angestellte verstrahlt - bis heute verharmlost (9.11.09)
Desinformation in der 'Badischen Zeitung'
Die Schweizer Endlager-Suche (18.06.09)
Patt bei Atomenergie in der Schweiz
Hauptstadt Bern will auf erneuerbarre Energien umsteigen (29.05.09)
Demo gegen Schweizer
Atom-Endlager in Benken (20.09.08)
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(4.01.08)
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(31.08.07)
Neuformierung der Anti-Atom-Bewegung in der Schweiz
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Kein Kampf um Atomausstieg? (3.07.07)
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geplantes Endlager für Atommüll (26.10.05)
Schweiz: Alternativen zu Atom-Endlager Benken? (29.09.04)
Demo gegen Atomares Endlager im Schweizerischen Benken
(20.07.04)
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Folge 7 der Info-Serie Atomenergie