12.07.2008

Subventionierung der Atomenergie

Mit realer Haftpflicht: 2 Euro pro Kilowattstunde
Warum volle Haftpflicht für Solaranlagen,
nicht aber für Atomkraftwerke?

Frank Winkler, ehemaliger Chef-Manager der weltgrößten Solarfirma für thermische Solaranlagen 'Solahart', fordert Chancengleichheit. Auch die Betreiber von Atomkraftwerke müssen dazu verpflichtet werden, eine dem realen Gefahrenpotential angemessene Haftpflicht- versicherung abzuschließen.

Der Wirtschaftsingenieur Winkler stellt öffentlich die Frage: "Wenn jede Windenergie- und Solaranlage voll haftpflichtversichert sein muß, warum dann nicht erst recht risikoreiche Atomkraftwerke? Niemand versteht, warum es nur eine symbolische Atom-Haftpflichtversicherung gibt, die weniger als 0,1 Prozent der bei einem Super-GAU erwarteten Schäden deckt." Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Sonderregelung für die Atomindustrie, die weder die "rot-grüne" Bundesregierung (1998 - 2005) noch die gegenwärtige "schwarz-rote" anzutasten wagte. Dabei stellt dies eine massive verdeckte Subventionierung des real nicht konkurrenzfähigen Atomstroms dar.

Winkler und die atomkritische ÄrztInnen-Organisation IPPNW weisen darauf hin, daß laut Prognos-Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums bei einem Atomunfall Schäden von über 5000 Milliarden Euro drohen. Die Deckungsvorsorge für ein Atomkraftwerk liegt aber nur bei 2,5 Milliarden - also weniger als 0,1 Prozent. Haftpflichtversichert sei ein Atomkraftwerk sogar nur mit 0,5 Milliarden Euro. In diesem Zusammenhang ist nur logisch, daß alle privaten Haftpflichtversicherungen in Deutschland Schäden durch Nuklearunfälle ausdrücklich ausschließen.

"Als ich vor Jahren den Vertrieb des weltgrößten thermischen Warmwasser-Solaranlagenherstellers aus Australien in Deutschland und Österreich aufgebaut habe, mußte ich für Europa eine Produkthaftpflichtversicherung abschließen. Ohne Produkthaftpflichtversicherung wäre eine Einfuhr und der Vertrieb der damals bereits 500.000-fach erprobten 'Solahart'-Solaranlage in Europa nicht genehmigt worden," erinnert sich Frank Winkler. Für ihn ist es daher völlig unverständlich, "warum ausgerechnet die sehr gefährliche Atomindustrie die einzige deutsche Industrie ist, die Kraftwerke betreiben darf, die völlig unzureichend haftpflichtversichert sind. Der Versicherungs-Skandal der praktisch völlig fehlenden kostendeckenden AKW-Haftpflichtversicherung wurde in einer offiziellen Broschüre des Bundesumweltministeriums bestätigt."

Voll haftpflichtversicherter Windstrom ist bereits heute in Deutschland für unter 10 Cent pro Kilowattstunde zu bekommen. Atomstrom jedoch würde über 2 Euro pro Kilowattstunde kosten, wenn eine reale Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden müßte. Ohne diese verdeckte Subventionierung ist Atomstrom nicht konkurrenzfähig.

IPPNW-Atomexperte Henrik Paulitz weist darauf hin, daß der Rechtswissenschaftler Norbert Pelzer schon auf dem 'Ersten Deutschen Atomrechts-Symposium' 1972 zu recht festgestellte: "In unserem Schadensersatzrecht gilt der Grundsatz der vollen Ersatzleistung, § 249 BGB. Summenmäßige Haftungsbegrenzungen sind die Ausnahme. (...) Es muß eine vernünftige Relation zwischen Haftungssumme und Schadenspotenzial bestehen, anderenfalls kann man von ,Schadensersatz' schwerlich sprechen." Auf dem 'Sechsten Deutschen Atomrechts-Symposium' sagte Pelzer, daß man mit dem Atomhaftungsrecht "für die haftpflichtigen Inhaber von Kernanlagen Privilegien schuf, die dem sonstigen Haftungsrecht unbekannt waren."

"Von einer vernünftigen Relation zwischen Haftungssumme und Schadenspotenzial kann bezüglich der Atomhaftung bei einer Deckungsvorsorge von weniger als 0,1 Prozent natürlich nicht die Rede sein", kritisiert Paulitz. "Dieses Privileg gehört abgeschafft." Die IPPNW fordert daher schon seit Jahren eine volle Haftpflichtversicherung für Atomkraftwerke. Die extreme Ungleichbehandlung der erneuerbaren Energien gegenüber der Atomenergie sei völlig unakzeptabel.

Eine Mehrheit der "schwarz-rot-gelb-grüne" PolitikerInnen steht jedoch - entweder mit dem "Bekenntnis zum Atomausstieg" oder der Forderung nach einer "Verlängerung der AKW-Laufzeiten" - real für einen Bestandsschutz der deutschen Atomenergie. Zugleich sind sie nicht gewillt, die Subventionierung der Atomenergie, die sich zusammen mit anderen Fördergeldern über EURATOM und Pseudo-Forschungsgelder auf jährlich über 7 Milliarden Euro beläuft, einzustellen. Und am Reichstagsgebäude in Berlin prangt nach wie vor die Inschrift: "Dem Deutschen Volke."1

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu unseren Artikel

      Wem gehört der Bundestag?
      politische Aktion in Berlin (27.04.07)

Siehe auch unsere Artikel

      AKW Tricastin: Flüsse in Südfrankreich
      radioaktiv kontaminiert (8.07.08)

      AKW Neckarwestheim:
      Hohe Tritium-Konzentration im Neckar (23.06.08)

      Skandal-Grube Asse II
      Eindringendes Wasser radioaktiv kontaminiert (12.06.08)

      Schwerer Störfall im AKW Philippsburg I
      Reaktor heruntergefahren (6.06.08)

      Schwerer AKW-Störfall in Slowenien
      Radioaktives Kühlwasser trat aus (4.06.08)

      AKW Neckarwestheim I heruntergefahren
      Reaktordruckbehälter undicht (23.05.08)

      Minderwertiger Beton bei Bau des "Zwischenlagers"
      beim AKW Neckarwestheim? (8.05.08)

      AKW-Unfall in Spanien
      Greenpeace ortet Radioaktivität bei Tarragona (8.04.08)

      Brand im AKW Brokdorf (14.03.2008)

      AKW Fessenheim: Block 2 abgeschaltet
      Leck im Primärkreislauf (20.02.08)

      AKW Gundremmingen Block B abgeschaltet
      Weitere Indizien für illegales "AKW-Tuning" (9.01.08)

      Krebs-Häufung in der Nähe von AKWs
      Neue Studie im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz
      (7.12.07)

      Informationen zum deutschen "Atom-Ausstieg"

      Atom-Ausstieg selber machen!

 

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