Flüchtlingselend im Mittelmeer
Die britische Tageszeitung 'Independent' berichtet in ihrer heutigen Ausgabe von einem dramatischen Vorfall im Mittelmeer. Drei Tage lang mußten sich Flüchtlinge aus Afrika an Haltevorrichtungen eines Thunfischnetzes klammern, weil sich Malta und Libyen nicht über die Zuständigkeit einigen konnten. 'Cap Anamur' hätte im Mittelmeer oder vor den Kanarischen Inseln viel an humanitärer Hilfe zu leisten - aber Europa schaut weg. Derweil wird Monat für Monat in den Mainstream-Medien künstlich eine "humanitäre Katastrophe" im Sudan herbei geredet und der nächste Krieg vorbereitet, nur weil Europas Konzerne ein Auge auf die reichen Ölvorkommen des Sudan geworfen haben...
Das Elend im Mittelmeer - Fischer vor Lampedusa beklagen seit Jahren, daß sie oftmals mehr Leichen afrikanischer Flüchtlinge als Krabben in ihren Netzen finden - , in den Enklaven Ceuta und Melilla und vor den Kanarischen Inseln wird von den Mainstream-Medien in der Regel als zweitrangig behandelt oder gar völlig ausgeblendet. An der südlichen Grenze der "Festung Europa" ertrinken mehr und mehr Flüchtlinge aus Afrika. Ausgeblendet bleiben zudem die Ursachen der gerade auch von der europäischen Politik verursachten Flüchtlinmgsströme. Afrika wird immer skrupelloser ausgebeutet und dem Hunger überantwortet.1
Die 27 afrikanischen Flüchtlinge, die sich nach dem Untergang ihres Bootes am Thunfischnetz drei Tage lang hatten über Wasser halten können, wurden am Samstag abend 60 Meilen vor der libyschen Küste von Schiffen der italienischen Marine an Bord genommen. Malta und Libyen, von wo die Flüchtlinge aus Ghana, Nigeria und Kamerun gestartet waren, hatten sich geweigert, ihnen zu Hilfe zu kommen, und um die Zuständigkeit gestritten. Doch von der italienischen Marine wurden die Flüchtlinge im "Auffanglager" auf der Insel Lampedusa abgeliefert. Sie werden also bald schon erneut ihrem Schicksal in Afrika überantwortet.
Laut Aussage der Flüchtlinge starteten sie ungefähr am 16. Mai mit ihrem Boot von Al Guwarah an der libyschen Küste, um in einer zweitägigen Überfahrt illegal nach Europa zu gelangen. Doch am zweiten Tag hatte ihr Boot Motorschaden und sie trieben hilflos im Meer. Mehrfach seien Schiffe an ihnen vorbeigefahren und hätten sie trotz Hilferufen nicht beachtet. Zwei Fischerboote hätten versucht, sie an Bord zu nehmen, was allerdings mißlungen sei. Am Mittwoch, 23. Mai, habe der maltesische Frachter sie entdeckt und zuerst an einem Seil mitgezogen, bis ihr Boot voll Wasser lief. Als ihr Boot dann schließlich unterging, konnten sie sich auf Haltevorrichtungen des angehängten Thunfischnetzes retten.
Der Kapitän des Frachters, der das Netz im Schlepptau hatte, wollte die Flüchtlinge nicht an Bord nehmen. Er habe die Flüchtlinge auch nicht an Land bringen können, sagte er nach deren Rettung am Samstagabend, weil er eine Thunfischfracht im Wert von einer Million Dollar mit sich führte. Die Fahrt nach Malta hätte für seinen Schlepper 12 Tage benötigt und dort wäre er in einen politischen Konflikt zwischen den maltesischen und libyschen Behörden geraten: "Ich konnte es nicht riskieren, die Fracht zu verlieren."
Nachdem sich der Thunfisch-Kapitän an seine Behörden in Malta gewandt hatte, versuchte die maltesische Regierung die Verantwortung auf Libyen abzuschieben. Laut Darstellung Maltas sei Libyen für diese Region des Mittelmeeres zuständig. Libyen sagte angeblich zu, einen Hubschrauber zu schicken, um für die Flüchtlinge lediglich ein Rettungsboot abzuwerfen. Die maltesische Regierung forderte stattdessen von Libyen, die Flüchtlinge aufzunehmen. Dann sei ein Fax in Malta angekommen, das eine Rettungsaktion ankündigte, worauf aber nichts geschah.
Zufällig war die italienische Marine in dieser Meeresregion, um nach eritreischen Flüchtlingen zu suchen, die vermutlich Schiffbruch erlitten hatten. Ein maltesisches Flugzeug hatte Tage zuvor ein völlig überladenes Boot mit 53 Flüchtlingen fotografiert. Das UNHCR, das Flüchtlings-Kommissariat der UN, verständigte Malta und andere Regierungen der Region und forderte sie auf, den Menschen zur Hilfe zu kommen. Das Boot mitsamt den Menschen war allerdings nicht mehr auffindbar. Die Marine konnte so schließlich die 27 Flüchtlinge retten.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
1 Siehe auch unsere Beiträge:
Deutsche Intervention in Coltanistan
(18.07.06)
Eine mörderische Weltordnung
Ceuta und Melilla (21.10.05)
ai: "deutsche Asylpolitik verantwortungslos"
(25.05.05)
Festung Europa fordert Tote
Mehr Leichen als Krabben in den Netzen (26.03.05)
'Tag des Flüchtlings 2004:
Europa macht dicht! (30.09.04)
'Menschenverachtender Umgang
mit Flüchtlingen beim FdAaF-Bundesamt' (3.06.04)
'Nach wie vor werden in Deutschland
Kinderrechte mit Füßen getreten' (16.01.04)
'60 Tote infolge europäischer Unchristlichkeit' (22.12.03)
'Sind Sie darauf stolz, Herr Schily?' (13.01.03)
'Europa hat eine Verantwortung' (11.10.00)