9.06.2010

Streit der atomaren Irren
Neue Sanktionen gegen den Iran

Mahmud Ahmadinedschad Zwölf der 15 Mitglieder im UN-Sicherheitsrat stimmen für verschärfte Sanktionen gegen den Iran, obwohl das iranische Regime mit Brasilien und der Türkei Mitte Mai einen Atom-Deal abschloß, der den Bedingungen der IAEA weitgehend entsprach. Rußland und China stellen sich nunmehr auf die Seite der USA.

Der UN-Sicherheitsrat in New York hat heute dem Drängen der US-Administration entsprochen und im Streit der atomaren Irren neue Sanktionen gegen den Iran beschlossen. Von den 15 Staaten im Rat stimmten zwölf zu, die Türkei und Brasilien lehnten die Resolution ab. Die libanesische Regierung enthielt sich überraschend der Stimme, obwohl die mit Iran verbündete Hisbollah an der Regierung in Beirut beteiligt ist. Daß die scharfen Sanktionen trotz des Entgegenkommens des iranischen Regimes auch von der russischen und der chinesischen Regierung mitgetragen würden, war bereits seit Tagen bekannt. Über die Motive wird derzeit spekuliert. Plausibel erscheint, daß die Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat nicht dulden wollen, daß sich "zweitrangige" Mächte wie Brasilien und die Türkei mit dem Atom-Deal zu global playern aufzuschwingen suchten. Weiter könnte eine Rolle spielen, daß der brasilianische Staats-Chef Luiz Inacio "Lula" da Silva seine eigenen irren Ambitionen, Brasilien die A-Bombe zu verschaffen, offen ausspricht.

In den Mainstream-Medien wird jedoch durchweg ein entscheidender Aspekt verschwiegen: Der im Mai vereinbarte Atom-Deal unterschied sich in einem wesentlichen Punkt von den Bedingungen, die von der internationalen Atomenergie-Agentur IAEA zuvor vorgeschlagen worden waren. Die iranische Regierung hatte sich geweigert, dem Umtausch auf russischem oder französischen Boden zuzustimmen, da bei einem solchen Deal entsprechend den IAEA-Bedingungen keine verbindliche Frist für den Umtausch garantiert werden sollte. Beim Atom-Deal mit Brasilien und der Türkei wurde eine verbindliche Frist von einem Jahr vereinbart. Sollte der Austausch mit 20-prozentig angereichertem Uran nicht innerhalb dieser Frist zustande kommen, ist die Türkei verpflichtet, die vom Iran gelieferten 1200 Kilogramm nicht-angereichertes Uran "zügig und bedingungslos" an den Iran zurückgeben. Dieser Passus trägt dem iranischen Wunsch nach "objektiven Garantien" gegen einen westlichen Betrug Rechnung. Der Iran hatte in der Vergangenheit des öfteren schlechte Erfahrungen mit der Einhaltung von Verträgen gemacht. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang, daß die US-Regierung sich explizit gegen eine Vertrags-Klausel ausgesprochen haben soll, wonach der Iran das gelieferte Uran jederzeit zurückfordern kann. Wenn also von der US-Regierung vom "vertrauensbildenden Wert" einer Vereinbarung die Rede ist, bedeutet dies offenbar, daß einseitig von der iranischen Regierung Vertrauen in dessen Einhaltung gefordert wird.

Nur wenige Stunden vor der entscheidenden heutigen Sitzung des UN-Sicherheitsrats hatten die USA, Rußland und Frankreich in Wien "gravierende Bedenken" gegen den iranisch-brasilianisch-türkischen Atom-Deal geltend gemacht. Aus diplomatischen Kreisen hieß es in Wien jedoch nur wenig konkret, dieser gehe an den "Kernpunkten des Atomstreits" vorbei. Er ähnele zwar grob einem Entwurf der IAEA vom vergangenen Oktober, in wichtigen Punkten habe der Iran jedoch Änderungen zu seinen Gunsten festzuschreiben versucht. Die iranische Regierung müsse die Urananreicherung einstellen und den Verdacht ausräumen, heimlich an der Entwicklung von Atomwaffen gearbeitet zu haben. Ersteres entspricht jedoch nicht internationalem Recht und Zweiteres kann nur gewährleistet werden, wenn die InspekteurInnen der IAEA weiterhin uneingeschränkten Zugang zu iranischen Atom-Anlagen erhalten. Dies wird jedoch gerade durch die neuerlichen Sanktionen gegen den Iran in Frage gestellt. Im übrigen muß immer wieder darauf hingewiesen werden, daß Regierungen, die selbst am Irrsinn des Atombomben-Besitzes festhalten, jedes moralische Recht verspielt haben, andere Regierungen zu verdächtigen.

Unabhängig davon, daß die US-Regierung den Iran verdächtigen, den Besitz der Atombombe anzustreben, ist dieser Verdacht allerdings naheliegend. Zwar hat der iranische Außenminister Manutschehr Mottaki kürzlich einmal mehr darauf hingewiesen, daß der Iran Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrages sei und sich an dessen Regelungen halte, die jedem der Unterzeichner-Staat erlaubten, Atomenergie für zivile Zwecke zu nutzen. Auch das "geistliche Oberhaupt" des Iran, Ayatollah Ali Chamenei, hatte am 18. Februar im iranischen TV erklärt, sein Land strebe nicht nach der Atombombe. Und der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat in den vergangenen Jahren mehrfach öffentlich beteuert, der Iran habe nicht die Absicht, eine Atombombe zu bauen. Dieses iranische Dementi wäre jedoch - wie bei jeder anderen Regierung auch - erst dann glaubwürdig, wenn die iranische Regierung auf die "friedliche" Nutzung der Atomenergie verzichtet. Das Beharren auf der "friedlichen" Nutzung des Atomenergie befremdet insbesondere vor dem Hintergrund, daß der Iran zum einen über gigantische Vorräte an Erdöl verfügt und derzeit der weltweit viertgrößter Erdölproduzent ist, und zum anderen über das Potential verfügt, innerhalb weniger Jahre seinen gesamten Energiebedarf aus erneuerbaren Energien zu decken.

Historische Erfahrungen belegen, daß noch jeder Staat, der mit dem Bau von Atomkraftwerken begann, letztlich versuchte, in den Besitz der Atombombe zu gelangen. Gerade die USA oder auch Israel sind der beste Beweis für die dem iranischen Regime unterstellten schlechten Absichten. Mittlerweile zählen mehr oder weniger offiziell die Regierungen von neun Staaten zum Atomwaffen-Club: die der USA, Rußlands, Großbritanniens, Frankreichs, Chinas, Israels, Indiens, Pakistans und Nordkoreas. Und trotz Hoffnung verbreitender Ankündigungen, das US-amerikanische Atomwaffen-Arsenal reduzieren zu wollen, deutet das Handeln des Präsidenten Barack Obama in eine andere Richtung als seine Worte: In den kommenden zehn Jahren werden insgesamt 80 Milliarden US-Dollar (64 Milliarden Euro) für die Modernisierung der US-amerikanischen Atomwaffen zur Verfügung gestellt.

Die nun vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen enthalten Beschränkungen gegen 40 weitere iranische Firmen und Forschungseinrichtungen sowie den Leiter des Atomzentrums Isfahan. Betroffen ist auch eine der größten iranischen Baufirmen, Khatam al-Anbiya, die von den Revolutionsgarden kontrolliert wird und am Bau von militärischen Einrichtungen und der lange geheim gehaltenen Anreicherungsanlage nahe Ghom beteiligt war. Sie verbieten Teheran zudem "alle Aktivitäten" in Zusammenhang mit ballistischen Raketen, die mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden können. Außerdem darf der Iran nicht in die Uran-Förderung investieren und verschiedene Kategorien schwerer Waffen kaufen. Damit Waren der Verbotsliste das Land nicht erreichen, fordert der UN-Sicherheitsrat die UNO-Mitgliedsstaaten auf, Frachter mit Ziel Iran zu kontrollieren, wenn Verdacht bestehe. Dienstleistungen für jene Schiffe wie die Bereitstellung von Benzin oder anderem Nachschub sollen verhindert werden. Kontrolliert werden soll auch auf offener See. Die US-Regierung hatte ihre ursprüngliche Forderung nicht durchsetzen können, den iranischen Energiesektor einem Embargo zu unterwerfen. Allerdings wiesen DiplomatInnen darauf hin, daß einige Passagen in frühen Resolutionsentwürfen ohnehin als "Verhandlungsmasse" gedacht waren.

US-Außenministerin Hillary Clinton sprach bereits vor der Abstimmung in New York von den "wichtigsten Sanktionen, die jemals gegen den Iran ergriffen wurden". Irans Präsident Ahmadinedschad sagte kürzlich bei einer regionalen Sicherheitskonferenz in Istanbul, neue Sanktionen würden nur dazu führen, daß der UN-Sicherheitsrat weiter an Glaubwürdigkeit einbüße. Er kündigte zugleich an, mit einer UN-Resolution über weitere Sanktionen gegen den Iran werde die Tür zu weiteren Verhandlungen endgültig verschlossen. Angesichts der weitverbreiteten Verbitterung in der gesamten islamischen Welt über die unterschiedlichen Maßstäbe, die gegenüber Israel und dem Iran angelegt werden, erscheint dies unbedingt glaubwürdig. Die Lage erscheint zunehmend aussichtslos.

Die iranische Regierung ist zudem offenbar ihrerseits an einer weiteren Eskalation interessiert. So kündigte Ahmadinedschad heute an, Schiffe nach Gaza entsenden zu wollen. Die israelische Seeblockade soll dabei mit Hilfe von Revolutionsgarden durchbrochen werden. Zu dieser Verschärfung der explosiven Situation im Nahen Osten haben die Veto-Mächte USA, Rußland und China mit der heutigen UN-Resolution ein entscheidendes Stück beigetragen.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

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