23.09.2005

Trittins Traumfänger

Auch vom Dosenpfand bleibt nichts als heiße Luft

Einen Tag nach der Bundestagswahl erschienen Meldungen in den Medien, die BefürworterInnen des Mehrweg erschrecken ließen. Darin hieß es, der Mehrweg-Anteil sei inzwischen auf 48,4 Prozent und damit unter den Einweg-Anteil (51,6 Prozent) gesunken. Diese Zahlen sind zwar falsch und beruhen auf einer bewußten Täuschung, die von interessierten Kreisen lanciert wurde. Doch leider liegen sie näher an der Realität als Trittins unermüdliche Erfolgsmeldungen.

Seit der Einführung der Pfandpflicht für Einweg-Verpackungen 2002 war von der "rot-grünen" Bundesregierung die Mehrweg-Quote wie ein Staatsgeheimnis gehütet worden. Nur noch nebulöse Erfolgsmeldungen über das Verhältnis von Mehrweg zu Einweg gelangten aus dem Bundesumweltministerium an die Öffentlichkeit. Auch vom Bundesamt für Statistik, das zuvor noch jährlich die Mehrweg-Quote veröffentlicht hatte, nur Schweigen. Noch heute erscheint auf dessen Internet-Seite www.destatis.de bei Eingabe des Suchbegriffs "Mehrweganteil" die Meldung:
"Sorry - forbidden
Der gewünschte Zugriff wird nicht gestattet".
(Bei Eingabe des Suchbegriffs "Mehrwegquote" wird dieser als unbekannt zurückgewiesen.)

Tatsächlich gibt die in den letzten Tagen als "Anteil der Mehrwegverpackungen" veröffentlichte Zahl von 48,4 Prozent nur einen Teil des gesamten Spektrums an Getränkeverpackungen wieder: den der alkoholfreien Getränke. Die Mehrweg-Quote bei Bier dagegen ist erfreulicher Weise über 90 Prozent gestiegen. Um die tatsächliche Mehrweg-Quote zu berechnen, sind jedoch die Zahlen für Mineralwasser, für Fruchtsäfte und andere Getränke ohne Kohlendioxid, für Erfrischungsgetränke mit Kohlendioxid, für Wein und - die von Trittin veröffentlichte - von Bier erforderlich. Diese sind nur auf Umwegen zu erhalten und können ihrerseits nur miteinander verrechnet werden, wenn die jeweiligen Marktanteile bekannt sind. Auf diese Weise und mit erheblichem Zeitaufwand ist für Mitte 2005 eine Mehrweg-Quote von 57,5 Prozent zu ermitteln.

Noch in meinem Artikel 'Droht ein weiterer Akt der Akt der Dosen-Groteske?' (21.08.03) veröffentlichte ich die bis dahin verfügbaren Daten über die Mehrweg-Quote von 1990 bis 2002. Das Versprechen Trittins ging dahin, wenigstens den Stand von 1991 - bei Verabschiedung der vom damaligen Atom-/Umwelt-Minister Töpfer eingebrachten Verpackungsverordnung - wieder zu erreichen.

Mehrweg-Quote 1990 - 2002

Mit den nun ermittelten Daten für 2003 (60,3 %), 2004 (59,2 %) und 2005 (57,5 %) bietet sich das folgende triste Bild:

Mehrweg-Quote 1990 - 2005

Die Talfahrt wurde zwar kurzzeitig gestoppt. Statt einer nachhaltigen Trendumkehr geht die Fahrt jedoch mit zunehmendem Tempo weiter dem Abgrund zu. Da nimmt es nicht Wunder, wenn Trittin diese traurigen Fakten nicht vor der Bundestagswahl veröffentlicht wissen wollte.

Doch woher stammen nun die aktuell veröffentlichten Zahlen, die das bereits genügend desillusionierende Bild ein Stück ins Negative verfälschen? Nach einer aktuellen Analyse mit der Bezeichnung "Packungsmonitor", die vom 'Aktionsforum Glasverpackung' an die Medien gegeben wurde, fiel der Anteil von Mehrwegverpackungen im Bereich der alkoholfreien Getränke im ersten Halbjahr 2005 auf 48,4 Prozent zurück. Da solche Zahlen - wie eingangs festgestellt - bisher nicht veröffentlicht wurden und die Angabe mit der Veröffentlichung in den Medien bis auf die Stelle nach dem Komma übereinstimmt, ist zu vermuten, daß es sich hierbei um die Quelle handelt. Wer allerdings für die Verfälschung der Nachricht verantwortlich ist und die Mehrweg-Quote der alkoholfreien Getränke mit der allgemeinen Mehrweg-Quote gleichgesetzt hat, läßt sich im Nachhinein kaum mehr rekonstruieren. Interessant zu wissen ist jedoch, daß es sich beim 'Aktionsforum Glasverpackung' nicht etwa um einen Verband der Mehrweg-Freunde handelt. Hinter diesem Verband steckt die 'Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung' mit Sitz in Wiesbaden und dahinter wiederum die Glasindustrie, die weit überwiegend ein geschäftliches Interesse an der Ausweitung des Anteil von Einweg-Glasverpackungen hat.

Das 'Aktionsforum Glasverpackung' verfolgte bisher dieselbe Taktik wie das Trittin-Ministerium und veröffentlichte keine Daten. Dabei erarbeitet das 'Infoteam Königstein' in dessen Auftrag regelmäßig Marktanalysen und verfügt über die Daten, um die jährliche Mehrweg-Quote berechnen zu können. Dieses kommerzielle Unternehmen liefert Informationen - aber lediglich an zahlende KundInnen. Bei der 'Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung' sind Studien ab einer Preisklasse von 490 Euro aufwärts erhältlich. So ist es nicht abwegig, die darin enthaltenen Informationen als "Herrschaftwissen" zu bezeichnen.

Auch wenn er sicherlich kein Freund des Umweltschutzes und des Mehrweg ist, kann den aktuellen Äüßerungen von Dr. Johann Overath, Geschäftsführer des Bundesverbandes Glasindustrie e.V., kaum widersprochen werden: "Die Politik hat sich endgültig von den Zielen der Verpackungsordnung verabschiedet". Mehr noch stellt sich die Frage angesichts der realen Entwickung seit Verabschiedung der Verpackungsverordnung im Jahr 1991: War die Politik - ob "schwarz-gelb" oder "rot-grün" - je ernsthaft an einem Erhalt oder gar Ausbau der Mehrweg-Quote interessiert? Die Antwort auf diese Frage wird je nach Standpunkt ausfallen: Ob ein "Primat der Politik über die Ökonomie" oder ein "Primat der Ökonomie über die Politik" als Grundannahme vorausgesetzt wird.

Von Minister Trittin darf wohl kaum angenommen werden, daß er ein Traumtänzer ist, dem die reale Entwicklung der Mehrweg-Quote nicht bekannt war. Eher schon dürfen wir davon ausgehen, daß der "Kampf ums Dosenpfand", der für Trittin - neben seiner Rolle als "Vorreiter für die Windkraft" - in der Öffentlichkeit zum Feigenblatt seiner Glaubwürdigkeit geworden war, eine Art Traumfänger darstellte. Doch anders als beim esoterischen Schmuck, der heute in vielen Autos zu sehen ist, wurde mit diesem Traumfänger der Traum von einer Umweltpolitik im Kapitalismus eingefangen und konserviert. Zumindest konnte so der Traum, Kapitalismus und Umweltschutz seien miteinander verträglich, für einige Jahre am Leben gehalten werden. Nun ist er jäh wie eine Seifenblase zerplatzt.

 

Harry Weber

 

Anmerkung
Bisher erschienen bei uns zum Thema Dosenpfand folgende Artikel:

 

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