Greenpeace veröffentlicht geheimgehaltene Lage-Karte
Die Umweltschutz-Organisation Greenpeace hat eine bislang geheim gehaltene Karte mit 408 Standorten von potentiellen CO2-Endlagern veröffentlicht. Die Informationen zu den Standorten seien "wie ein Staatsgeheimnis" gehütet worden. Nach Ansicht von Greenpeace leiten ParteipolitikerInnen und Industrie mit der kommerzielle CO2-Endlagerung und einem CCS-Gesetz "systematisch und hinter dem Rücken der Bevölkerung" ein gigantisches Endlager-Problem in die Wege.
Greenpeace hatte bereits im Juni 2010 um Auskunft über CO2-Endlager-Standorte ersucht. Die zuständige Bundesanstalt für Geowissenschaften (BGR) verweigerte die Herausgabe der Informationen mit unterschiedlichen Begründungen. Nun mußte die Behörde die Tabelle mit 408 potentiellen Standorten zwar nach dem Umweltinformationsgesetz herausgeben, wollte aber die Veröffentlichung nach Paragraph 53 des Urheberschutzgesetzes untersagen. Greenpeace gab daraufhin ein Rechtsguthaben in Auftrag. Dieses kommt zum Ergebnis, daß harte Fakten grundsätzlich nicht dem Urheberrechtsschutz unterliegen und eine Tabelle nicht die schöpferische Tiefe erreicht, um urheberrechtlich schützenswert zu sein.
Greenpeace vermutet, daß der wahre Grund für die versuchte Geheimhaltung der Standort-Informationen darin zu suchen ist, daß ParteipolitikerInnen und Industrie an den potentiellen CO2-Endlager-Standorten mit Protesten rechnen. Bisher kam es noch an jedem bekannt gewordenen Standort zu massiven Protesten der Bevölkerung. 2009 war ein erstes CCS-Gesetz am Widerstand von BürgerInnen in Nordfriesland (Schleswig-Holstein) gescheitert.
In jüngster Zeit hat zudem ein Fall aus Kanada Aufmerksamkeit erregt. In Saskatchewan gibt es Hinweise auf Lecks in einem unterirdischen CO2-Endlager. Die BesitzerInnen einer Farm über dem Speicher fanden vermehrt tote Tiere auf ihrem Grundstück. Wasser sprudelte wie mit Kohlensäure versetzt. Noch ist nicht endgültig geklärt, ob freigesetztes CO2 für die Vorfälle verantwortlich ist. Grundsätzlich jedoch kann sich CO2, das aus einem unterirdischen Lager austritt, in Senken an der Erdoberfläche sammeln, da CO2 schwerer als Luft ist. Da CO2 zudem geruchsneutral ist, kann in einem solchen unsichtbaren CO2-Teich auch ein Mensch ersticken.
Der kanadische Fall sorgte auch in Teilen Brandenburgs für Unruhe: In Beeskow und Neutrebbin will der schwedische Energiekonzern Vattenfall potentielle CO2-Speicherstätten erkunden. Gegen die Pläne haben sich bereits Bürgerinitiativen gebildet. Die Stadt Beeskow hat im Juni 2010 Widerspruch gegen die Genehmigung zur Erkundung eingelegt.
Die nun von Greenpeace veröffentlichte Liste mit 408 potentiellen CO2-Endlager-Standorten betrifft vor allem Landkreise und Gemeinden im norddeutschen Raum, aber auch bei München. Greenpeace bietet nun allen die Möglichkeit in Verknüpfung mit einem bekannten Internet-Gratisdienst herauszufinden, ob sie selbst betroffen sind. Der CCS-Gesetzentwurf soll demnächst ins Kabinett eingebracht werden. Greenpeace weist ausdrücklich darauf hin, daß es für betroffene Gemeinden nach der Verabschiedung des Gesetzes schwer werde, sich gegen Endlagerungspläne zur Wehr zu setzen.
Große Endlagerpotentiale gibt es vor allem in Ostfriesland von Bremerhaven bis Oldenburg und Emden, unter den ostfriesischen Inseln Spiekeroog und Langeoog sowie im schleswig-holsteinischen Wattenmeer. Weitere potentielle CO2-Endlagerstätten befinden sich unter dem Ballungsraum Hamburg-Billstedt, sowie bei Sittensen zwischen Hamburg und Bremen. Auch im Südosten von Berlin bei Königs Wusterhausen, in Nordrhein-Westfalen, zwischen Paderborn und Höxter, in Mecklenburg-Vorpommern in der Nähe von Pasewalk und östlich von München bei Waldkraiburg sind Areale zu finden.
Diese Standorte sind auch für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energie von Bedeutung. Ein Festhalten oder gar der geplante weitere Ausbau von Kohlekraftwerken in Deutschland tritt also in unmittelbare Konkurenz zu den erneuerbaren Energien. Unterirdische Lagerstätten können in Zukunft für Druckluft-Kraftwerke genutzt werden. Diese sind als Ergänzung bei einem Ausbau der eneuerbaren Energien zur 100-prozentigen Versorgung sehr nützlich und erfüllen ähnlich wie Pumpspeicher-Kraftwerke die Funktion von Stromspeichern. Anders als die CCS-Technologie handelt es sich bei Druckluft-Kraftwerken um eine erprobte und ausgereifte Technologie. So wird etwa wird in McIntosh im US-Staat Alabama seit 1991 ein 100-MW-Druckluft-Kraftwerk betrieben. In Zeiten von Stromüberschüssen wird Luft mit einem Druck von 50 bis 70 bar in Kavernen mit einem Gesamtvolumen von 538.000 Kubikmeter gepumpt. Dieses Kraftwerk kann 26 Stunden lang seine volle Leistung bringen und so die Nachfrage nach Spitzenlaststrom decken.
CCS steht für "Carbon Capture and Storage". Dabei ist geplant, das in Steinkohle- und Braunkohle-Kraftwerken anfallende Klimagas CO2 abzufangen und in unterirdische Hohlräume zu verpressen. Die Technologie ist noch im Erprobungsstadium. Unter Fachleuten ist unstrittig, daß der Einsatz der CCS-Technologie in Kraftwerken voraussichtlich erst in 15 bis 20 Jahren möglich sein wird - zu spät für den Klimaschutz. Zudem sind die Risiken kaum abschätzbar.
Selbst die Versicherungs-Branche bezeichnet die Risiken für ein Wiederaustreten von unterirdisch gelagertem CO2 bislang als unkalkulierbar und ist nicht bereit, dieses Risiko zu versichern. Bundes-"Umwelt"-Minister Norbert Röttgen hat bereits einen Ausweg aus diesem Dilemma entdeckt: Er plant, mögliche Leckagen aus CO2-Endlagern nicht mehr als Freisetzung von CO2 zu werten, sondern so umzudefinieren, daß die Industrie von der privatwirtschaftlichen Haftung befreit wird. Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid meint hierzu: "Diese absurden Gedankenspiele lösen nicht die Probleme, sondern gefährden zukünftige Generationen."
Greenpeace lehnt das vorliegende CCS-Gesetz als übereilten Einstieg in die kommerzielle CO2-Verpressung ab. Das Klimagas müßte für Tausende von Jahren sicher unter der Erde verwahrt bleiben. "Der Gesetzentwurf wird dieser Notwendigkeit in keiner Weise gerecht. Die Technik ist riskant und bringt uns beim Klimaschutz nicht weiter," sagt Klimaexperte Smid. "Wir können unsere Problemstoffe nicht immer einfach unter der Erde verbuddeln und Altlasten und mögliche Havarien unseren Kindern hinterlassen."
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
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Auszeichnung für Planegg (27.01.11)
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