New York (LiZ). Mit einer beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag eingereichten Klage sollen alle noch lebenden französischen Präsidenten wegen der früheren Atombomben-Test im Südpazifik zur Rechenschaft gezogen werden. Der Vorwurf lautet auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sagte der frühere polynesische Präsident Oscar Temaru am Dienstag, 9.10, in New York. "Das sind wir all den Menschen schuldig, die als Folge des Atom-Kolonialismus gestorben sind."
Konsequenter Weise richtet sich die Klage auch gegen den jetzigen französischen Präsidenten Emmanuel Macron, denn auch dieser hält die gesamte verbrecherische Infrastruktur, die mit der atomaren Bewaffnung unweigerlich verknüpft ist, weiterhin aufrecht.
"Für uns sind die französischen Atomversuche die direkte Folge einer Kolonialisierung. Anders als von Frankreich behauptet, haben wir nicht akzeptiert, dass die Tests bei uns vorgenommen werden. Sie wurden uns mit der Drohung der Einrichtung einer Militärregierung aufgezwungen," sagte Oscar Temaru, Präsident Französisch-Polynesien in fünf Zeit-Intervallen - 2004, 2005 bis 2006, 2007 bis 2008, 2009 und 2011 bis 2013. Außerdem ist der Kämpfer für die Unabhängigkeit von Frankreich seit 1983 Bürgermeister von Faa'a.. Sein Vorgänger im Präsidentenamt, Gaston Flosse, ein Strohmann der französischen Regierung, wurde 2006 wegen Korruption verurteilt.
Die französische Regierung veranlaßte in den 30 Jahren von 1966 bis 1996 auf dem Mururoa-Atoll und dem Fangataufa-Atoll in Französisch-Polynesien 193 Atombomben-Tests. Die Krebs-Rate in den betroffenen Regionen ist deutlich erhöht. Dennoch wurde von Seiten der französischen Regierung immer wieder ein Zusammenhang mit den Atombomben-Tests geleugnet. Seit 2010 ist eine sogenannte Entschädigungs-Regelung in Kraft, die jedoch völlig unzureichend ist. Viele Opfer der Atombomben-Tests waren schon zuvor ohne jegliche Entschädigung gestorben.
Unter dem französischen Präsidenten Charles de Gaulle begannen die Atombomben-Tests bereits 1960 in der Sahara auf dem Gebiet der Kolonie Algerien. Damals hatte das französische Militär in verbrecherischer Weise auch Hunderte Soldaten bewußt der radioaktiven Strahlung ausgesetzt und diese als Versuchskaninchen mißbraucht (Siehe hierzu unseren Artikel v. 17.02.10).
Nachdem die Nationale Befreiungsfront Algeriens 1962 die Unabhängigkeit militärisch erkämpft hatte, entschied de Gaulle, die Atombomben-Tests im Übersee-Département Französisch-Polynesien, zu dem auch Tahiti gehört, fortzusetzen. Schon die erste der dort überirdisch auf Mururoa gezündeten Atombomben hatte eine Sprengkraft von 500 Kilotonnen TNT - rund 37 Mal so stark wie die von Hiroshima. Es war der 2. Juli 1966. Zu jener Zeit wurde von offizieller Seite die Lüge verbreitet, die radioaktive Strahlung sei weniger gefährlich als die eines Fernsehgeräts. Tatsächlich waren die Folgen nicht nur verstrahltes Meer, sondern auch verstrahlte Einheimische und eine exorbitant hohe Krebsrate selbst Hunderte Kilometer entfernt.
De Gaulle war davon überzeugt, daß Frankreich seine Unabhängigkeit vom US-amerikanischen Imperium nur mit Hilfe der "Force de Frappe", der atomaren Bewaffnung, aufrecht erhalten könne. Er mißtraute der US-amerikanischen Regierung, die seiner Meinung nach viel zu spät in die Zweiten Weltkrieg eingegriffen hatte. Sein Kriegs-Minister Pierre Messmer sagte einmal ganz offen: "Die einen besitzen Atomwaffen, die anderen nicht. Nur die Ersteren sind fähig, ihre Freiheit und ihr Leben zu verteidigen, die anderen sind zur Knechtschaft und zum Satelliten-Status verdammt." Heute würde eine solche Haltung entsprechend der im "Westen" verbreiteten Sprachregelung als "antiamerikanisch" gebrandmarkt.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
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Siehe auch unseren Hintergrund-Artikel:
Der siamesische Zwilling: Atombombe
Info-Serie Atomenergie - Folge 4