Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte heute (Montag) zusammen mit Vizekanzler Guido Westerwelle nach zweitägigen Beratungen das lange erwartete Kürzungsprogramm vor. Der wegen Milliarden-Hilfspaketen für Banken und Autoindustrie geplünderte Bundeshaushalt soll nun mit dem größten "Sparpaket" in der Geschichte der Bundesrepublik vor dem Kollaps bewahrt werden. Mit Kürzungen vor allem im Sozialbereich in Höhe von insgesamt 80 Milliarden Euro bis 2014 hofft die "schwarz-gelbe" Koalition die "finanzielle Zukunft auf solide Beine" zu stellen, so Merkel. Und Westerwelle ergänzte nonchalant: "80 Milliarden Euro sparen sie nicht so mit der Nagelschere."
Weder mit der Nagelschere, noch etwa mit der heute vorgezeigten großen Schere wird das Gehalt von Angela Merkel oder die Ministergehälter gekürzt. Ganz im Gegenteil. "Die letzten Stunden waren ein einmaliger Kraftakt," erklärte heute die Bundeskanzlerin - und daher wird ihr Salär bis August 2011 um 334 Euro auf monatlich 16.167 Euro steigen. Die Ministergehälter werden von 12.860 auf 13.131 Euro angehoben, Aufwandsentschädigung und Diäten für ein möglicherweise "zeitgleich" ausgeübtes Bundestagsmandat kommen noch hinzu. Der Präsident des Steuerzahlerbunds, Karl Heinz Däke, kommentierte: "Eine Erhöhung der Ministergehälter verbietet sich in dieser dramatischen Haushaltssituation von selbst."
Versteckt ist der Plan im "Bundesbesoldungsanpassungsgesetz": Die Beamtenbesoldung steigt damit wie stets entsprechend der Tarifvereinbarung im öffentlichen Dienst. An die Beamtenbezüge wiederum sind die Gehälter der Regierungsmitglieder gekoppelt. In aller Stille hatte das Kabinett den Gesetzentwurf schon beschlossen. Eigentlich sollte das Parlament den Plan ohne Debatte durchwinken. Doch nun kollidiert dies zeitlich mit der Verkündung des "Sparprogramms".
Merkel verkündete dennoch heute, der Staat wolle "mit gutem Beispiel vorangehen." Beim Bund sollen bis einschließlich 2014 bis zu 15.000 Stellen dauerhaft abgebaut werden. Im direkten öffentlichen Dienst des Bundes gibt es 129.000 Beamte und 149.000 Angestellte. Zudem sollen die Bundesbeamten 2011 auf die geplante Erhöhung des Weihnachtsgeldes verzichten. Dies bedeute eine Kürzung der Bezüge um 2,5 Prozent.
Der von "Rot-Grün" mit der Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen begonnene Sozialabbau wird - nach einer gewissen Schonfrist zwischen Bundestagswahl und NRW-Wahl, die der Täuschung der WählerInnen dienen sollte - rücksichtslos fortgesetzt. Während im Sozialbereich nun zahlreiche Kürzungen vorgesehen sind, soll hingegen bei Bildung und Forschung nicht "gespart" werden, wie Angela Merkel erklärte. Auch der Bereich Verkehr und Bauen soll "nicht massiv beschnitten" werden. Allerdings erklärte Merkel, die Veränderungen im Bereich der Bundeswehr "werden nicht nur marginal sein." Doch da der "Verteidigungshaushalt" mittels zahlreicher buchungstechnischer Tricks auf 32 Milliarden Euro kleingerechnet wird, wirkt hier eine Kürzung um 3 Milliarden beachtlich, wenn sie als 10-Prozent-Kürzung verkauft werden kann. Gekürzt werden soll jedoch erst zum Ende der Legislaturperiode: Ab 2013 will "Schwarz-Gelb" hier jährlich 2 Milliarden weniger ausgeben. Eine 10-prozentige Kürzung im Sozialetat ergibt dagegen sogleich über 14 Milliarden Euro. Der offizielle Sozialetat beläuft sich schließlich auf 143 Milliarden Euro. Er ist jedoch im Gegensatz zum Militäretat künstlich großgerechnet und enthält etwa 80 Milliarden Euro für Renten, also Finanzmittel, die eine Bundesregierung bei einer soliden Rentenpolitik nicht aus Steuermitteln finanzieren muß. Von den heute angekündigten Kürzungen im Gesamtvolumen von 81,6 Milliarden Euro bis 2014 sollen in 2011 zunächst nur 11,2 Milliarden Euro realisiert werden.
Nun kann ein defizitärer Haushalt nicht allein durch Ausgaben-Kürzungen, sondern eben so gut auch durch Einnahmen saniert werden. Seit der "rot-grünen" Steuerreform des Jahres 2000 verschenkt der deutsche Staat jedoch jährlich Einnahmen von mehr als 20 Milliarden Euro. Die "Reform" von veranlagter Einkommen-Steuer, Gewerbesteuer, Zinsabschlags-Steuer, Kapital-Ertrags-Steuer und Körperschafts-Steuer war keineswegs - wie häufig behauptet - erforderlich, um ein Abwandern von Konzernen und Arbeitsplätzen zu verhindern, sondern setzte eine innereuropäische Abwärtsspirale bei einem Steuersenkungswettlauf in Gang. Doch von "Schwarz-Gelb" war hier nicht ernstlich eine Kurskorrektur zu erwarten. In Berlin durfte heute Vize-Kanzler und "F"DP-Chef Guido Westerwelle verkünden, daß im Rahmen der "Haushaltskonsolidierung" keine Steuererhöhungen geplant sind. Es werde insbesondere weder eine Mehrwertsteuer- noch eine Einkommensteuererhöhung und auch keine Erhöhung des Solidaritätszuschlags geben. Bei einem Loch im Staatshaushalt von insgesamt über 1,7 Billionen Euro - also 1.700 Milliarden Euro - reicht das vorgestellte "Sparpaket" nicht einmal aus, die jährliche Zinslast von derzeit 41,7 Milliarden Euro auszugleichen.
Im Sozialbereich sollen die Zuschläge für Arbeitslose gestrichen werden und bei Hartz-IV-EmpfängerInnen will der Staat die Beiträge zur Rentenversicherung einsparen. Dies soll 1,8 Milliarden Euro im Jahr bringen. Diese Kosten werden damit allerdings lediglich in die Zukunft verschoben. Beim Elterngeld wird der Höchstbetrag von maximal 1800 Euro im Monat nicht gesenkt. Gekürzt wird, indem künftig nur 65 statt 67 Prozent des Nettoeinkommens als Berechnungsgrundlage gilt. Hier wird deutlich, wo gekürzt wird und wo nicht. Beziehern von Arbeitslosengeld II wird das Elterngeld komplett gestrichen. Der Zuschuß, den bislang Arbeitslose beim Übergang von Arbeitslosengeld I zu Arbeitslosengeld II erhielten, wird ebenfalls komplett gestrichen. Ebenso wird der Heizkostenzuschuß für Wohngeld-EmpfängerInnen auf Null gekürzt.
Die Subventionierung der Atomenergie mit jährlich über 17 Milliarden Euro wird ein wenig reduziert. Die Atomkonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW müssen künftig eine neue Brennelemente-Steuer von jährlich 2,3 Milliarden Euro zahlen. Damit soll ein Teil der Zusatzgewinne der Konzerne "bei längeren Atomlaufzeiten" abgeschöpft werden. Dies spielt darauf an, daß der Weiterbetrieb der 17 deutschen Reaktoren bis zum Ende der Legislaturperiode 2013 garantiert werden soll. Entgegen den seit Jahren von den Mainstream-Medien verbreiteten Falschmeldungen wurden von "Rot-Grün" mit dem "Atomausstieg" des Jahres 2000 keine "Restlaufzeiten" festgelegt.
Im Luftverkehr plant die Bundesregierung eine neue Abgabe. Sie soll von allen Passagieren erhoben werden, die von einem deutschen Flughafen starten. Dies soll dem "Sparpaket" ein klein wenig "Öko-Touch" verleihen. Der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses soll um drei Jahre verschoben werden. "Wir haben für die Jahre 2011 bis 2013 keine Mittel eingestellt," erklärte Merkel. Sie kündigte zudem an, auch die Banken ein klein wenig zur Kasse zu bitten. Spätestens 2012 soll eine neue Abgabe kommen, falls es zuvor in Europa und weltweit keine Lösung gibt. "Wir haben damit eine beträchtliche Beteiligung der Wirtschaft an der Sanierungsaufgabe", sagte Merkel, nannte jedoch keinen konkreten Betrag.
Die Gewerkschaft Verdi kündigte eine bundesweite Protestwelle an. Die Ärmsten im Land sollen nun die Zeche für die Zockerei der Banken und die falsche Krisenpolitik der Bundesregierung zahlen, so die Gewerkschaft in einer Stellungnahme. Der Beamtenbund warnte, der angekündigte Stellenabbau im Öffentlichen Dienst werde fatale Folgen haben. Anstatt ein nachhaltiges Konzept vorzulegen, das Ausgaben- und Einnahmeseite gleichermaßen optimiere, "verfranze" sich die Regierung im "Alibi-Sparen" beim Bundespersonal. Das werde den Staat und seine Bürger teuer zu stehen kommen. "Jetzt werden die Arbeitnehmer, Rentner und Familien für die Zockerei der Banken zur Kasse gebeten", sagte Linken-Parteichef Klaus Ernst. Auch er prophezeite großen Widerstand aus der Bevölkerung.
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Anmerkungen
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