15.07.2008

Biolandwirtschaft in Deutschland
weiterhin gebremst

Eine nachhaltige Perspektive für Klima- und Wasserschutz

Bio-LandwirtInnen bewirtschaften in Deutschland erst 5,1 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche. 2001 lag der Anteil bereits bei 4 Prozent1 In Österreich ist der Anteil (2001: 9 Prozent) hingegen mittlerweile auf 13 Prozent angewachsen. Die Umweltverbände Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Deutscher Naturschutzring (DNR), und Naturschutzbund NABU sowie der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv), der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und der Bioland-Verband drängen daher auf einen massiven Ausbau der Biolandwirtschaft in Deutschland.

Das Bündnis beruft sich dabei auf wissenschaftliche Untersuchungen. Durch Vergiftung, Bodenverdichtung wegen der zunehmend schwereren Maschinen und Verwehung von Ackerkrume außerhalb der Vegetationszeit wird die lebensspendende Humusschicht nach und nach zerstört. Hinzu kommt die Landschaftszerstörung durch immer größere, an die maschinelle Bearbeitung angepaßte Flächen, denen immer mehr Bäume und Hecken an den Grenzen kleiner Äcker zum Opfer fallen. Diese Agro-Industrieflächen zerstören den Lebensraum von Fuchs, Feldhase, Storch, Kiebitz und Feldlerche. In Deutschland sind 80 Prozent aller Schmetterlings-Arten und nahezu sämtliche Amphibien vom Aussterben bedroht.

Untersuchungen in der Schweiz haben bewiesen, daß sich die Humusschicht bei Biolandwirtschaft erholt und deutlich mehr Mikroorganismen pro Kilogramm Ackerboden zu finden sind. Berichte der chemischen Landes-Veterinäruntersuchungsämter zeigen immer wieder auf, daß agro-industriell produziertes Obst und Gemüse nicht selten 60 Mal höher mit Pestiziden belastet ist als solches aus der Biolandwirtschaft. Spinat aus ökologischer Produktion enthält im Schnitt nur halb soviel Nitrat wie die agro-industriellen Konkurrenz. Eine EU-Studie zeigte bereits vor drei Jahren ein deutlich erhöhtes Parkinson-Risiko als Folge des Pestizid-Einsatzes auf.

Die zunehmende Belastung des Grundwassers durch Pestizide und Herbizide kann nur durch einen Ausbau der Biolandwirtschaft gestoppt werden. Damit erhielte zugleich die Ostsee eine Überlebens-Chance. Jährlich werden eine Million Tonnen Stickstoff und 35.000 Tonnen Phosphor aus der agro-industriellen Landwirtschaft in die Ostsee geschwemmt, so daß sich infolge chronischen Sauerstoffmangels bereits ein Sechstel des Meeresbodens in tote Zonen verwandelt hat.

Zugleich schneidet die Biolandwirtschaft hinsichtlich Energieeffizienz und Ressourcenschonung eindeutig besser ab. Sie trägt zum Klima- und Artenschutz bei. Die agro-industrielle Landwirtschaft ist seit mehr als fünf Jahren durch die in der Massentierhaltung verursachten Ammoniak- und Stickstoff-Emissionen Hauptschad-Faktor des dahinsiechenden deutschen Waldes - vor Autoverkehr und Industrie.

Dennoch hat die Biolandwirtschaft noch immer mit dem Vorurteil zu kämpfen, ihre Produktion könne in der Masse nicht mit der agro-industriellen Landwirtschaft mithalten. Dabei ist die Bekämpfung des weltweiten Hungers nur ein vorgeschobenes Argument. Laut Jean Ziegler, Schweizer Soziologe und UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, kann die Weltlandwirtschaft bereits heute - ohne Gentechnik - problemlos zwölf Milliarden Menschen ernähren, also nahezu das doppelte der Weltbevölkerung. Wenn die Zahl der Hungernden dennoch Jahr für Jahr steigt, handelt es sich dabei um ein politisches Problem. Jean Ziegler: "Ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet."

In der Wissenschaft ist mittlerweile unumstritten, daß Biolandwirtschaft bezogen auf die Fläche ressourcen- und energieeffizienter ist. Bioprodukte weisen auch auf die erzeugte Menge bezogen bessere Produktbilanzen auf, wenn jeweils die gesamte Wertschöpfungskette und externalisierte Kosten der agro-industriellen Landwirtschaft beispielsweise für Wasser- und Bodenverunreinigung berücksichtigt werden. Die biologische Landwirtschaft ist zudem die beste Strategie, um Produktivität mit dem Schutz natürlicher Ressourcen und der Vermeidung von Umweltbelastungen zu verbinden.

KritikerInnen der Biolandwirtschaft behaupten unermüdlich, der höhere Flächenbedarf bei dieser Produktionsweise aufgrund der vermeintlich geringeren Erträge führe dazu, daß entweder die Weltbevölkerung nicht ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgt werden könnte oder in noch viel größerem Maße als jetzt Urwälder gerodet und Naturschutzflächen beansprucht werden müßten. Doch auch hier zeichnen die Fakten ein anderes Bild.

Lediglich in eher kleinräumigen Gebieten wie etwa in West- und Mitteleuropa weist die agro-industrielle Landwirtschaft Ertragsvorteile gegenüber der Biolandwirtschaft auf. Großflächig betriebene Monokulturen mit mittleren Ernte-Erträgen, wie beispielsweise in den USA und einigen exportorientierten Schwellenländern, nutzen dagegen das Ertragspotential nicht aus, nehmen aber gleichzeitig vergleichsweise viel Fläche in Anspruch. Zugleich verursachen sie eine Abnahme der Bodenfruchtbarkeit und führen zu immer größeren Problemen mit der Wasserverfügbarkeit.

Vor allem aber in jenen tropischen und subtropischen Ländern, in denen Hunger herrscht, finden sich meist empfindliche Agrarökosysteme, die auf Intensivierung in der Regel mit sinkenden Erträgen reagieren. Hier sind der Erhalt des Humusgehalts und eine wirksame Düngung die großen Herausforderungen, die von der industrialisierten, auf Monokulturen spezialisierten Landwirtschaft nicht bewältigt werden können.

Laut einer 2006 veröffentlichten Studie des International Institute for Environment and Development, die auf der Auswertung von 208 landwirtschaftlichen Projekten in aller Welt basiert, erhöhten sich die Erträge nach Umstellung auf ökologischen Landbau im Schnitt um 79 Prozent. Weitere Studien in China, Indien sowie in sechs lateinamerikanischen Ländern zeigen zudem, daß LandwirtInnen mit diesen Produktionsmethoden höhere Einkommen erzielten. Zentraler Faktor ist dabei die Umstellung von Monokulturen auf Mischfruchtanbau.

Biolandwirtschaft sichert zudem die Unabhängigkeit der LandwirtInnen gegenüber den Agro-Konzernen, da sie weder auf patentiertes oder genmanipuliertes Saatgut noch auf Pestizide und synthetische Dünger angewiesen sind. Auch in Deutschland bietet der ökologische Landbau handfeste ökonomische Vorteile. Laut Hiltrud Nieberg und Frank Offermann (DLZ Agrarmagazin 2007) konnten Bio-LandwirtInnen im Wirtschaftsjahr 2005/2006 durchschnittlich einen um 21 Prozent höheren Gewinn erzielen als solche mit vergleichbaren agro-industriellen Betrieben. Zudem haben sie einen deutlich höheren Arbeitskräftebedarf und wirken so positiv auf dem Arbeitsmarkt.

Carherine Badgley von der Universität Michigan kommt in einer ebenfalls 2006 veröffentlichten Untersuchung zu dem Schluß, daß mit einer weltweiten Umstellung auf ökologischen Landbau eine wachsende Weltbevölkerung ernährt werden könnte, ohne daß mehr Äcker gebraucht würden. Bei der Flächenproblematik werde meistens ausgeblendet, daß deren Verknappung in erster Linie auf fortschreitende Versiegelung und den wachsenden Bedarf für Futtermittel zurückzuführen ist, die zumeist für den Export und nicht für die Ernährung der heimischen Bevölkerung produziert werden.

Ein Ausbau der Biolandwirtschaft würde nicht einmal dem ansonsten gerne und häufig vorgebrachten Argument von der freien Entfaltung marktwirtschaftllicher Kräfte widersprechen. "Die Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher nach Biolebensmitteln wächst stetig", sagte Gerd Billen, Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (vzbv). "Doch rund die Hälfte aller Ökoprodukte muß bereits importiert werden. Dabei bevorzugen Verbraucherinnen und Verbraucher gerade in diesem Bereich Erzeugnisse aus Deutschland."

Da stellt sich die Frage: Wem dient die einseitige Förderung der agro-industriellen Landwirtschaft durch die deutsche Politik?

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu unseren Artikel

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