Am Freitag mußte der Bayer-Konzern in St. Louis,
Missouri, mit 11.800 US-amerikanischen FamerInnen einen Vergleich
schließen. Der deutsche Chemie- und Agro-Konzern Bayer stimmte zu, als
Entschädigung für die Kontamination von Reis-Feldern mit der
genmanipulierten Reis-Sorte "Liberty Link" insgesamt 750 Millionen
US-Dollar (umgerechnet 516 Millionen Euro) zu zahlen.
Im Jahr 2006 war der genmanipulierte Reis der Sorte "Liberty Link 601",
der nicht für den menschlichen Verzehr zugelassen war, weltweit in den
Handel gelangt. Bei dem Gen-Reis handelt es sich um ein Konstrukt, das
durch den Einbau artfremder Gene gegen ein Herbizid
(Unkrautvernichtungsmittel) resistent gemacht wurde. Als der Skandal
publik wurde, stoppten die EU und Japan alle Reis-Importe aus den USA.
Die US-amerikanischen Reis-FarmerInnen, die weit überwiegend keinen
Gen-Reis anbauten, hatten wegen des Handels-Stops erhebliche finanzielle
Einbußen zu verzeichnen. Ihre Lebensgrundlage war bedroht, weil ein
Agro-Konzern die Kontrolle über seinen Gen-Reis verloren hatte oder
bewußt die Kontamination in Kauf nahm, um auf diese Weise den Widerstand
gegen die Agro-Gentechnik zu brechen. Allein der finanzielle Schaden des
Liberty-Link-Skandals wird auf rund 1,3 Milliarden US-Dollar geschätzt.
In den vergangenen Jahren gab es wegen der durch "Liberty Link" (LL601)
angerichteten Schäden bereits mehrere Prozesse in den USA gegen Bayer. Im
Dezember 2009 mußte Bayer an einen Farmer 2 Millonen US-Dollar zahlen, im
Februar 2010 an einen weiteren 1,5 Millionen US-Dollar. Zuletzt wurde der
Konzern Ende März in Arkansas zur Zahlung von insgesamt 136 Millionen
US-Dollar verurteilt. Die Strafe wurde allerdings inzwischen auf 12,8
Millionen US-Dollar reduziert. Geklagt hatte eine Reismühle.
Mit dem nun in St. Louis von RechtanwältInnen ausgehandelten Vergleich
hofft der Bayer-Konzern den überwiegenden Teil der Rechtsstreitigkeiten
beenden zu können. Damit der Vergleich gültig wird, müssen die
teilnehmenden Reis-FarmerInnen zusammen 85 Prozent der Anbaufläche von
Langkornreis in den Vereinigten Staaten repräsentieren. Die FarmerInnen haben
90 Tage Zeit, sich zu entscheiden, ob sie dem Vergleich zustimmen oder die
Gerichtsverfahren fortsetzen wollen. Vorausgegangen war ein jahrelanger
juristischer Streit in mehreren Instanzen um die durch Bayer verursachte
Gen-Kontamination.
Philipp Mimkes, Vorstandsmitglied der Coordination gegen Bayer-Gefahren
(CBG) kommentiert die aktuellen Informationen aus St. Louis: "Wir
gratulieren den Reis-Bauern zu diesem mühsam erstrittenen Erfolg. Zudem
fordern wir die Europäische Union auf, den Antrag von Bayer CropScience
auf Importzulassung für herbizidresistenten Reis endgültig abzulehnen.
Der Kontaminations-Skandal in den USA zeigt einmal mehr, daß die Risiken
gentechnischer Pflanzen schlicht unkalkulierbar sind."
Die CBG kooperiert seit Jahren mit den AnwältInnen der betroffenen
Reis-FarmerInnen und forderte immer wieder in der jährlichen
Hauptversammlung der Bayer AG den endgültigen Verzicht auf "Liberty
Link“-Reis. Auf der Versammlung der Bayer AG am 29. April 2011 in Köln
hatte Philipp Strohm, Gentechnik-Experte von Greenpeace, in einem Vortrag
den Bayer-Vorstand und die Aktionäre mit drei grundlegenden Problemen konfrontiert.
Erstens kommt es zu ökonomischen Verlusten, die die Gentechnik der Bayer
AG inzwischen beschert hat - und damit auch der Dividende der Bayer-Aktie.
Zweitens sind die Risiken der Gen-Technologie für Mensch und Natur denen
der Atom-Technologie sehr ähnlich. Ebenso wie bei der Atomenergie
existiert weltweit kein einziges Versicherungs-Unternehmen, das bereits
wäre, durch Gentechnik verursachte Schadensfälle zu versichern. Und
Drittens stelle sich die Frage, ob Gentechnik überhaupt in der
Landwirtschaft benötigt wird.
Die auf ehrenamtlicher Basis arbeitende Organisation erinnert daran, daß
Bayer die Betroffenen seinerzeit verhöhnt hatte, als die Auskreuzungen
als ein "Act of God“ (Handeln Gottes) bezeichnet wurden. Erst durch
kostspielige Prozesse, die die Reis-FarmerInnen ausnahmslos gewannen,
konnte der Konzern zu der nun ausgehandelten Entschädigung gezwungen
werden. "Die weitreichende Kontamination war keineswegs unausweichlich.
Gemeinsam mit anderen Umweltverbänden hatten wir schon Jahre zuvor
gewarnt, daß der Einsatz von LL-Reis zu Auskreuzungen und zur
Verdrängung herkömmlicher Sorten führt," so Philipp Mimkes.
Mimkes und seine MitstreiterInnen führen seit 2004 auch eine Kampagne
gegen eine EU-Importzulassung der Gen-Reis-Sorte LL62. Diese ist wie LL601
gegen das Herbizid Glufosinat resistent. Der Antrag des Bayer-Konzerns
erhielt bei den Abstimmungen im EU-Ministerrat mehrfach keine Zustimmung,
wurde bis heute aber nicht zurückgezogen. "Liberty Link" wäre das erste
genmanipulierte Nahrungsmittel, das nicht nur als Tierfutter eine
Zulassung erhielte, sondern direkt auf den Tisch der KonsumentInnen käme.
Ein großflächiger Anbau von "Liberty Link" hätte in den Anbauländern
ein erhöhtes Schädlingsaufkommen und infolgedessen einen verstärkten
Einsatz gefährlicher Pestizide zu Folge. Besonders in Asien drohe der
Verlust traditioneller, lokal angepasster Reis-Sorten, wodurch langfristig
die Ernährungssicherheit gefährdet wird. Das mit "Liberty Link"
gekoppelte Herbizid Glufosinat ist laut CBG zudem hochgiftig, der
Wirkstoff gehört zu denjenigen Pestiziden, die wegen erwiesener Gefahren
für AnwenderInnen und VerbraucherInnen voraussichtlich keine erneute
EU-Zulassung erhalten werden. Obwohl der Giftstoff in Europa künftig
nicht mehr vertrieben werden darf, erhöhte Bayer kürzlich die
Produktions-Kapazitäten für den Export – nach Ansicht der CBG ein
klassisches Beispiel für "doppelte Sicherheits-Standards“.
Bayer hatte bereits in den Jahren 1998 bis 2001 in den USA auf Testfeldern
mit Gen-Reis experimentiert. Zwar kam es nie zur Vermarktung, doch infolge
von Gen-Kontamination wurden rund 30 Prozent des Reis-Abaus in den USA in
Mitleidenschaft gezogen. Im Jahr 2006 tauchte "Liberty Link" plötzlich in
24 Ländern der Erde auf. Auch bis heute, im Jahr 2011, wird das
Bayer-Konstrukt immer wieder in Reis-Lieferungen gefunden, so etwa
kürzlich in Polen. Der Gen-Reis ist also völlig außer Kontrolle geraten
und Bayer kann heute nicht mehr leugnen, daß keine Möglichkeit mehr
besteht, auch nur vorherzusagen, wo von Bayer erschaffene Gen-Konstrukte
auftauchen werden.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Gen-Lachs in den USA gestoppt
Widerstand gegen "Frankenstein-Fisch" (17.06.11)
Bürgerinitiative 'Müritzregion - gentechnikfrei'
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Greenpeace empfiehlt Bio (18.04.11)
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BASF muß gesamte Ernte vernichten (28.02.11)
Gen-Soja: Kippt die EU
das geltende Reinheitsgebot? (9.02.11)
Genmanipulierte Zuckerrüben: In den USA verboten -
in Deutschland erlaubt? (4.02.11)
US-amerikanischer Landwirt
berichtet von Monsanto-Praktiken (28.01.11)
Bundesverfassunggericht stärkt Gentechnik-GegnerInnen
Gentechnik-Äcker bleiben öffentlich (24.11.10)
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Monsanto und die Zerstörung eines Weltkulturerbes (8.09.10)
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