9.02.2011

Gen-Soja: Kippt die EU
das geltende Reinheitsgebot?

Gen-Soja Die Europäische Union will bei importierten Futtermitteln einen Anteil von 0,1 Prozent genmanipulierter Pflanzen erlauben. Eine striktere Regel bezeichnet sie als nicht mehr praktikabel. Umweltverbände halten dies für vorgeschoben und laufen gegen die Aufweichung der Normen Sturm.

Vor wenigen Wochen wurde der Freiburger Anbieter für Bio-Sojaprodukte Taifun von 'Ökotest' scharf angegriffen, weil sich in Soja-Würstchen geringe Spuren von genmanipuliertem Soja fanden. Solche Probleme werden sich in Zukunft auch ohne Verschulden von Biolebensmittel-Produzenten zuspitzen, wenn die Vermischung biologisch angebauter und mit Hilfe der Gentechnik angebauter Pflanzen infolge einer Aufweichung der bislang geltenden Regelungen zunimmt. Die Gentech-Branche hat sich in den vergangenen Jahren bei einer Reihe von Skandalen dem Verdacht ausgesetzt, daß sie es gezielt auf eine schleichende Kontamination ankommen läßt und darauf spekuliert, daß es irgendwann heißt: Jetzt steckt überall Genmanipulation drin - jetzt hat es keinen Sinn mehr sich zu wehren.

Nach Ansicht von Umweltverbänden wie dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) könnte mit der geplanten Aufweichung von der EU eine entscheidende Hürde gekippt werden. Der als Lobbyistenverband der industriellen Landwirtschaft positiv gegenüber der Gentechnik eingestellte Deutschen Bauernverband hingegen befürwortet die EU-Pläne: Nur so könne die Futtermittelversorgung gesichert werden. Ansonsten müßten die deutschen Landwirte "die Hälfte aller Schweine totschlagen", malt Willi Kampmann vom Deutschen Bauernverband als Schreckens-Szenario an die Wand. Der BUND weist darauf hin, daß zugleich mit der Einführung der 0,1-Prozent-Regelung mit allen rechtlichen Tricks versucht werde, Gentechnik in der EU auf den Markt zu bringen.

Das bislang geltende Reinheitsgebot gewährleistet, daß eine Vermischung von gentech-freiem Futter bei Herstellung, Lagerung oder Transport mit genmanipulierter Ware vermieden werden muß. Die 0,1-Prozent-Regelung soll nun erlauben, daß bis zu dieser Grenze in der EU nicht zugelassene, genmanipulierte Pflanzen in Futtermittellieferungen aus Drittländern enthalten sein können. Stimmen die EU-Staaten am heutigen Mittwoch dem Ansinnen der EU-Kommission zu, kann die 0,1-Prozent-Regelung schon in einigen Wochen in Kraft treten.

Die EU-Kommission argumentiert, derzeit gälten in jedem EU-Land andere Grenzen. Ob eine Lieferung als gentech-frei gelte, hänge vor allem davon ab, wie genau die beauftragten Labore testeten. Ein einheitlicher EU-Grenzwert von 0,1 Prozent schaffe Klarheit. Vor allem aber, argumentieren Bauernverband und Futtermittelbranche, sei ein totales Reinheitsgebot für Futtermittel nicht praktikabel und könne zu Lieferengpässen führen. Eine Vermischung eigentlich gentechnikfreien Futters zu verhindern, sei so gut wie unmöglich. Unternehmen, die mit großem Aufwand versucht hätten, 100-prozentig gentech-freies Futter zu importieren, seien gescheitert.

UmweltschützerInnen halten dem entgegen, daß in den vergangenen zwei Jahren nur eine Lieferung von als gentech-frei deklariertem Futtermittel beanstandet wurde. Diue Lieferung stammte bezeichnender Weise aus den USA und mußte rücktransportiert werden. Dies zeige, daß die bisherige Praxis durchaus praktikabel sei. Seit 2004 gab es nach Angaben der Bundesregierung knapp 50 Fälle von Futtermittellieferungen, die mit nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen vermischt waren. Beinahe alle kamen aus den Vereinigten Staaten. Von einer Gefahr für die Futtermittelversorgung könne deshalb gar keine Rede sein, sagt Mute Schimpf vom Verband "Friends of the Earth". Wenn die EU jetzt einen Grenzwert von 0,1 Prozent einführe, sende sie ein bedenkliches Signal an Länder wie Brasilien, dass ihr die Reinheit ihres Futters doch nicht so wichtig sei.

"Mit ihrem Pro-Gentechnik-Kurs gibt die EU-Kommission dem immensen Lobbydruck der Futtermittelindustrie und der Vereinigten Staaten als größtes Anbauland von gentechnisch veränderten Pflanzen nach," sagt Heike Moldenhauer, Gentech-Expertin beim BUND. Ein neues Rechtsgutachten des BUND zeige, daß die von der EU-Kommission vorgeschlagene 0,1-Prozent-Regelung gegen EU-Recht verstößt. Wenn die deutsche Regierung in Brüssel für den Vorschlag stimme, würde Bundesagrarministerin Aigner damit der Argumentation einer Futtermittelindustrie folgen, die in Deutschland gerade den Doxin-Skandal verursacht hat. Weiter weist der BUND darauf hin, daß selbst die USA, die in der Sache enormen Druck auf die EU ausüben, keine genmanipulierte Waren ins Land lassen, die dort nicht zugelassen sind.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Genmanipulierte Zuckerrüben: In den USA verboten -
      in Deutschland erlaubt? (4.02.11)

      US-amerikanischer Landwirt
      berichtet von Monsanto-Praktiken (28.01.11)

      Bundesverfassunggericht stärkt Gentechnik-GegnerInnen
      Gentechnik-Äcker bleiben öffentlich (24.11.10)

      Gen-Mais in Mexiko
      Monsanto und die Zerstörung eines Weltkulturerbes (8.09.10)

      "Panne" mit Gen-Kartoffel Amflora
      Backhaus stoppt BASF (8.09.10)

      Schwere Niederlage für Monsanto
      US-Gericht stoppt Gen-Zuckerrübe (17.08.10)

      Gen-Weinreben im Elsaß entschärft
      "Freiwillige SchnitterInnen" gegen illegalen Anbau (15.08.10)

      Gen-Raps verbreitet sich unkontrolliert
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      Gen-Mais-Skandal: Nur Mecklenburg-Vorpommern informiert
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      Illegale Verbreitung von Gen-Baumwolle
      Gentech-Konzern Monsanto zu Millionen-Geldstrafe verurteilt
      (12.07.10)

      Mecklenburg-Vorpommern
      Gen-Kartoffel Amflora entschärft (9.07.10)

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      mit Artenvielfalt statt Pestiziden
      US-Studie erklärt Erfolg der Bio-Landwirtschaft (5.07.10)

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      Umweltinstitut München findet bei dem Traditionsunternehmen
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      Illegale Gen-Schokolade in Supermärkten (26.05.10)

      Gen-Kekse im Supermarkt
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