Mit dem Ende der Wehrpflicht hat zugleich der für Kriegsdienst- verweigerer zur Abschreckung geschaffene Zivildienst als Zwangsdienst ausgedient. Welchen Stellenwert jedoch freiwillige soziale Arbeit in dieser Gesellschaft einnimmt, illustriert die Tatsache, daß der nun an die Stelle des Zivildiensts tretende Bundesfreiwilligendienst (BFD) finanziell deutlich schlechter ausgestattet ist.
Von den Arbeitsgebieten her unterscheidet sich der neu eingerichtete BFD in keiner Hinsicht von dem nun abgeschafften Zivildienst. Die NachfolgerInnen der "Zivis" arbeiten in Krankenhäusern oder Behindertenheimen, aber auch in den Bereichen Bildung, Kultur und Sport. Dennoch werden "Bufdis" (Bundesfreiwilligendienstleistende) finanziell deutlich schlechter gestellt als "Zivis" (Zivildienstleistende). Der Staat kürzt so wieder einmal Ausgaben im sozialen Bereich. Ein "Bufdi" erhält monatlich höchstens 330 Euro, weniger als ein Hartz-IV-Abhängiger (364 Euro). Ein "Zivi" kam im Schnitt auf einen Sold von 450 Euro.
Noch vor wenigen Monaten hatte es geheißen, beim BFD werde es ein "Taschengeld" von monatlich 550 Euro geben. Allerdings war dann auch bald zu erfahren, zugleich entfalle das Kindergeld - dieses könne nur auf Antrag gezahlt werden, wenn die/der "Bufdi" noch bei den Eltern wohnt. Nun aber steht in den BFD-Verträgen, daß es keinen Anspruch auf Kindergeld gebe. Zugleich wird damit gelockt, daß ein Erlaß des Finanzministeriums ab Herbst eine rückwirkende Zahlung des Kindergeldes verheiße. In der Praxis erhalten "Bufdis" gegenwärtig monatlich rund 300 Euro vom Staat und einen gewissen Betrag vom Träger des Freiwilligendienstes, einem kirchlichen Verband oder etwa der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Auch wurden im Gegensatz zu den bislang für "Zivis" geltenden Regelungen für "Bufdis" vor Ort die Sondertarife im Öffentlichen Nahverkehr, beim Schwimmbadbesuch oder kulturellen Einrichtungen gestrichen.
Viele Freiwillige fühlen sich verschaukelt und ausgenutzt. Schließlich leisten sie dieselbe Arbeit, die zuvor "Zivis" gemacht haben. Etliche hatten sich noch vor der Abschaffung der Wehrpflicht auf eine "Zivi"-Stelle beworben. Während von Regierungsseite aktuell wieder einmal von Steuerentlastungen die Rede ist und der Staat hunderte von Milliarden Euro aufbringt, um Banken zu retten, erkennen die Betroffenen, daß entgegen der bei Sonntagsreden gerne verbreiteten warmen Worte für freiwillige soziale Arbeit offenbar keine wirkliche Wertschätzung vorhanden ist.
Wie die Lücke geschlossen werden soll, die durch die Abschaffung des Zivildienstes gerissen wurde, ist noch völlig offen. Denn 2009 gab es noch 90.000 "Zivis", 2010 knapp 80.000 in Deutschland. Aktuell jedoch gibt es nur 17.300 "Bufdis", so eine aktuelle Mitteilung der Bundesregierung. Mit den so vermiedenen Ausgaben können erhebliche Steuerentlastungen für ZahnärztInnen gegenfinanziert werden.
Anmerkungen
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