18.06.2011

Anne Lauvergeon, eine der härtesten
Atomkraft-Kämpferinnen tritt ab

Anne Lauvergeon Nach heftigen Rückschlägen beim Bau zweier neuer EPR-Atomkraft- werke im nordfranzösischen Flamanville und im finnischen Olkiluoto tritt Anne Lauvergeon, eine der international härtesten Atomkraft-Kämpferinnen, ab. Das französische Netzwerk für den Atomausstieg spricht von einer Krise der Nuklearbranche.

Seit 1999 leitete Anne Lauvergeon den französischen - und zeitweilig in Kooperation mit Siemens deutsch-französischen - Nuklear-Konzern Areva (1999 bis 2001 noch unter dem Firmennamen Cogema). Sie war zudem Mitglied der Vorständen von Suez, Total, SAFRAN und Vodafone. Seit 2004 wird sie von 'Forbes' in der Liste der 100 mächtigsten Frauen der Welt geführt, 2008 belegte sie auf der Weltrangliste Platz 8. Ihre Karriere begann einst unter dem pseudo-sozialistischen Präsidenten François Mitterrand.

Areva beschäftigt derzeit rund 48.000 MitarbeiterInnen. Der Konzern mischt vom Uran-Bergbau über die Planung des EPR-Reaktors bis hin zur Separierung von Plutonium aus abgebrannnten Brennelementen für die militärische Nutzung an allen Stufen der nuklearen Verarbeitung, des sogenannten Atomkreislaufs, mit. Nach dem Super-GAU von Fukushima steht auch in Frankreich die vor über einem Jahrzehnt angekündigte "Renaissance der Atomenergie" zur Disposition.

Die Bilanz, die Lauvergeon zu verantworten hat, sieht wenig schmeichelhaft aus. Die Verzögerungen und aufgedeckten Schlampereien beim Bau der beiden Prestige-Objekte in Flamanville und Olkiluoto brachten Areva in solch ernste fianzielle Schwierigkeiten, daß Siemens im Januar 2009 die Trennung bekannt gab. Erst vor kurzem ging nun auch noch ein "Jahrhundertauftrag" über 20 Milliarden US-Dollar über Reaktoren für Abu Dhabi verloren.

Die EPR-Technologie, die der Nuklear-Branche einen neuen Durchbruch verschaffen sollte, wurde von Lauvergeon hartnäckig in den höchsten Tönen gepriesen. Doch selbst in der Nuklearbranche erachten viele sie mittlerweile als gescheitert. Mehr als zwei Jahre Bauverzögerungen in Flamanville hatten bereits zu einer Kostensteigerung von gut zwei Milliarden Euro gegenüber den anfänglich veranschlagten 3,2 Milliarden Fixkosten für das Vorzeige-Projekt geführt. Der Reaktor-Neubau in Olkiluoto sollte bereits im April 2009 fertiggestellt sein. Doch hier summierten sich die zusätzlichen Kosten bereits auf über drei Milliarden Euro, die aus franzöischen Steuergeldern bezahlt werden müssen.

Anne Lauvergeon war ein herausragender Kopf der französischen Nuklear-Branche. Für das Netzwerk für den Atomausstieg 'Réseau Sortir du nucléaire', einer Dachorganisation von 878 französischen Anti-Atom-Initiativen, ist die Demission Lauvergeons keineswegs ein Signal, daß die Nuklear-Branche die Zeichen der Zeit erkannt hätte. Vielmehr müsse der Schritt als Versuch einer "Reorganisation" gesehen werden, als "ein Stühlerücken, das nur eine Veränderung vortäuscht, wo sich real nichts verändert."

Luc Oursel, "Nummer Zwei" bei Areva und der jetzige Nachfolger Lauvergeons, hat nach offiziellen Angaben die Aufgabe, die Performance des Konzerns zu verbessern, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und dessen Wachstum voranzutreiben. Auf der Agenda des Konzerns steht eine aggressive Export-Strategie, die sicherlich weiterhin ungebrochen von ihrem ersten Handlungsreisenden, dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, personifiziert wird. Auch für die Zukunft steht zu befürchten, daß an erster Stelle an der Anlagen-Sicherheit gespart wird.

Die französischen Atomkraft-GegnerInnen erwarten keine grundlegende Änderung der Konzernpolitik, auch wenn sich am Stil, wie der zukünftige Areva-Chef auftreten wird, das ein oder andere verändern sollte. Das Netzwerk für den Atomausstieg erinnert an Aufsehen erregende Äußerungen von "Atomic Anne". Diese hatte etwa behauptet, der neue Reaktortyp EPR könne "dem Absturz eines Passagierflugzeugs widerstehen", sie hatte beschworen, der Atommüll könne "zu 96 Prozent recycelt werden", Atomenergie sei CO2-frei und Japan durchlaufe "keine nukleare Krise." Lauvergeon hatte die Herzen mancher Männer höher schlagen lassen, als sie erklärte, daß "Frauen deshalb häufiger gegen die Atomenergie eingestellt sind, weil deren rechte Gehirnhälfte, der Sitz des Irrationalen, größer" sei und daß Fukushima "eine Aufforderung" sei, bei Areva neue AKW einzukaufen.

Zugleich wird heute in den europäischen Mainstream-Medien kundgetan, Anne Lauvergeon habe den französischen Nuklear-Konzern Areva zu einem weltweit führenden Unternehmen gemacht.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Studie: AKW Fessenheim nicht ausreichend
      gegen Dammbruch gesichert (14.06.11)

      Sarkozy und die Atombombe
      für Gaddafi (23.02.11)

      Reihe schwerer Sicherheitsmängel
      in französischen AKW (22.02.11)

      Schrott-AKW Tricastin
      ASN verlängert Laufzeit um 10 Jahre (6.12.10)

      AKW Flamanville
      Dach eingestürzt (5.12.10)

      Frankreich: Laufzeitverlängerung auf 40 Jahre
      kostet 600 Millionen Euro pro Reaktor
      AKW Fessenheim bis 2017? (27.06.10)

      Verbrecherische Menschenversuche
      bei französischen Atombomben-Tests (17.02.10)

      Atomenergie verursacht Stromlücke
      in Frankreich (18.12.09)

      Streit um die neue Atomkraftwerks-Linie EPR in Frankreich
      Sicherheitsbehörden kritisieren elektronisches Steuerungs-System
      (3.11.09)

      Unverantwortlicher Umgang mit dem hochgiftigen
      Bombenstoff Plutonium (15.10.09)

      Ende des finnischen AKW-Neubaus Olkiluoto?
      Areva droht mit Baustop (1.09.09)

      Euratom,
      Milliarden-Subventionen und die Bombe (22.04.09)

      Greenpeace in Frankreich bespitzelt
      Kam der Auftrag von EdF? (1.04.09)

      Siemens steigt bei Areva aus
      Ist das Atomkraftwerk-Modell EPR am Ende? (27.01.09)

      Renaissance der Atomenergie?
      Wo in aller Welt? (7.01.09)

      Frankreichs Verbrechen auf Moruroa
      188 Atom-Bomben und die Folgen (29.09.08)

      EdF schluckt British Energy
      Wirtschaftliche Konzentration nimmt zu (24.09.08)

      Prestigeobjekt als Rohrkrepierer
      Fortlaufende Pannen beim Bau
      des neuen EPR-Atomkraftwerks in Flamanville (27.08.08)

      1,5 Milliarden Zusatzkosten beim EPR-Atomkraftwerk
      Siemens blamiert sich mit "Vorzeige-Kraftwerk" Olkiluoto (30.03.08)

      Neues EPR-Atomkraftwerk
      kann durch Flugzeug-Attacke zerstört werden (26.03.08)

      Zwei Irre und die A-Bombe
      Sarkozy offeriert Gaddafi AKW als Eintritt in den Club (27.07.07)

      Der Anschlag auf Greenpeace
      Französischer Geheimdienst tötete 1985 einen Menschen
      beim Versenken der 'Rainbow Warrior'

      Der siamesische Zwilling: Atombombe
      Info-Serie Atomenergie - Folge 4

      Atomenergie in Frankreich
      Folge 11 der Info-Serie Atomenergie

 

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