Im AKW Fessenheim ereignete sich mal wieder eine
"Panne". Bei Arbeiten im Rahmen der Zehnjahres-Revision von
Reaktor-Block II wurde ein Mitarbeiter eines Subunternehmens, ein
"Nuklear-Nomade", verstrahlt. Hierbei handelt es sich um
Arbeitskräfte, die oft nur drei Wochen in einem AKW beschäftigt sind und
dann weiter zum nächsten ziehen, oft um schlecht ausgebildete
Zeitarbeiter, die für 1.600 Euro im Monat arbeiten und deren Einsatzorte
nicht lückenlos dokumentiert werden.
Zur Zeit sind beide Reaktoren des AKW Fessenheim abgeschaltet, da Reaktor
I mit neuen Brennelementen bestückt wird. Alle achtzehn Monate müssen
die Brennelemente eines AKW ausgewechselt werden. Laut offizieller
Auskunft ereignete sich der Unfall beim Aufbau eines Gerüsts in einem
Hilfsgebäude des abgeschalteten Reaktors II. Daß der betroffene
Mitarbeiter beim Aufbau eines Gerüsts radioaktiv kontaminiert wurde,
ergab sich angeblich bei einer Kontrolle, als er das AKW Fessenheim
verlassen wollte. Laut offizieller Verlautbarung habe eine Untersuchung
ergeben, daß die Person eine "leichte Verstrahlung unterhalb der
Jahresdosis" erlitten hat. Erschwerend kommt hinzu, daß es sich
offenbar um eine "innere Verstrahlung" handelte, daß also vermutlich
radioaktive Teilchen in die Lunge gelangten. Weiter hieß es, bereits
einen Tag nach dem Vorfall sei keine radioaktive Belastung bei der
betroffenen Person mehr festgestellt worden. Dieser Hinweis ist jedoch
wenig aussagekräftig, da eingeatmete Alpha-Strahler nicht von außen
detektiert werden können und daher keine Schlußfolgerungen über das
bestehende Krebs-Risiko möglich sind.
In der Strahlenmedizin wird streng zwischen Strahlenbelastung und
Kontamination unterschieden. Von Strahlenbelastung ist die Rede, wenn ein
Arbeiter mit einer radioaktiven Quelle konfrontiert wird. Die akute Gefahr
verschwindet, wenn er sich von der Quelle entfernt. Der erlittene Schaden
hängt von der Intensität und Dauer der Bestrahlung ab. Um eine Kontamination handelt es
sich dagegen, wenn radioaktive Teilchen, etwa radioaktiver Staub, an die
Haut des Arbeiters gelangt, wenn solcher Staub von ihm eingeatmet oder
verschluckt wird. In diesem Falle strahlen die Teilchen im Körper des
Betroffenen weiter.
Gewerkschafts-VertreterInnen kritisierten, daß die Beschäftigten von
Subunternehmen größeren Risiken ausgesetzt werden. In den vergangenen
zehn Jahren hat sich im Zuge der Liberalisierung die Zahl der
"Nuklear-Nomaden", die zeitweilig in Atomkraftwerken eingesetzt
werden, vervielfacht. Dennoch bekommen diese Arbeitskräfte laut einer
unabhängigen deutschen Studie fast 90 Prozent der Strahlendosis ab,
während die Stammbelegschaft lediglich mit etwas mehr als zehn Prozent
belastet wird. So sind berufsbedingte Krebsfälle, die oft mit vielen
Jahren Zeitverzögerung auftreten, nur noch schwer zuzuordnen. Gar nicht
mehr rekonstruierbar sind Fälle, bei denen die Firma, für die ein
Leiharbeiter in der betreffenden Zeit arbeitete, Konkurs gegangen ist.
Nicht selten kommt es vor, daß eine Personal-Akte dann nicht mehr auffindbar ist.
Und oft vergehen mehr als zehn Jahre nach einem verdächtigen Vorfall, der
für eine spätere Krebserkrankung ursächlich seit könnte. In Frankreich
ist dies fatal, denn die zivilrechtliche Haftung bei Nuklearfällen wird
von Regeln bestimmt, die von den allgemeinen zivilrechtlichen
Haftungsregeln abweichen. Gemäß Artikel 15 des einschlägigen Gesetzes
aus dem Jahr 1968 verjähren Ansprüche auf Schadenersatz nach zehn
Jahren.
In Deutschland sind insgesamt rund 67.000 Beschäftigte beruflich
radioaktiver Strahlung ausgesetzt und besitzen einen Strahlenpaß.
Darunter zählen insbesondere die in AKW eingesetzten Leiharbeitskräfte
und das Prüfpersonal während der Revision eines AKW. Deren Zahl in
Deutschland wird auf rund 24.000 Personen geschätzt.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Brücken-Aktion am Rhein
Forderung nach sofortiger Stilllegung
des AKW Fessenheim (18.09.11)
Witz der Woche
Der gleiche strenge Stress-Test... (10.08.11)
AKW Fessenheim
bekommt Persilschein (6.07.11)
Menschenkette am AKW Fessenheim
Für sofortige Stilllegung (27.06.11)
Anne Lauvergeon, eine der härtesten
Atomkraft-Kämpferinnen tritt ab (18.06.11)
Studie: AKW Fessenheim nicht ausreichend
gegen Dammbruch gesichert (14.06.11)
Grünes Recycling?
Greenwashing bei EnBW (19.04.11)
"Panne" im AKW Fessenheim
fünf Tage verspätet bekanntgegeben
Radioaktivität ausgetreten (7.04.11)
Sarkozy und die Atombombe
für Gaddafi (23.02.11)
Reihe schwerer Sicherheitsmängel
in französischen AKW (22.02.11)
Erhöhtes Risiko im AKW Fessenheim
20 Prozent Meßungenauigkeit bei Druck-Sensor (4.02.11)
Schrott-AKW Tricastin
ASN verlängert Laufzeit um 10 Jahre (6.12.10)
AKW Flamanville
Dach eingestürzt (5.12.10)
AKW Fessenheim: Kurzschluß
Automatische Abschaltung von Block I (20.10.10)
Radioaktives Cäsium im Kanal
beim AKW Fessenheim (14.10.10)
Radioaktive Wolke aus AKW Fessenheim
erst nach über einem Monat publik (26.09.10)
Atomkriegs-Gefahr wird unterschätzt"
IPPNW kämpft für Abrüstung (27.08.10)
Atombombe und Wahnsinn
"..., weil sie das Leben nicht lieben" Erich Fromm (6.08.10)
Rheinerwärmung durch AKW Fessenheim
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Frankreich: Laufzeitverlängerung auf 40 Jahre
kostet 600 Millionen Euro pro Reaktor
AKW Fessenheim bis 2017? (27.06.10)
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Verbrecherische Menschenversuche
bei französischen Atombomben-Tests (17.02.10)
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