27.08.2010

"Atomkriegs-Gefahr wird unterschätzt"
IPPNW kämpft für Abrüstung

Atombombe "Die Gefahr, daß Atomwaffen in Zukunft zum Einsatz kommen, wird unterschätzt", warnt Andreas Nidecker. Der Medizinprofessor ist Präsident des Organisations- komitees der Schweizer Sektion der Internationalen ÄrztInnen für die Verhütung Atomkrieges des IPPNW-Weltkongresses, der dieses Jahr ab heute in der Schweiz stattfindet. In Basel werden bis zu 800 ÄrztInnen und MedizinstudentInnen aus aller Welt erwartet, die mit ExpertInnen den Stand der internationalen Atomrüstung erörtern und Wege beraten, um dem Ziel einer Welt ohne Atomwaffen näher zu kommen.

Auf der Konferenz zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrags (NPT, Nonproliferation Treaty) im Frühjahr in New York hatte die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey die Atomwaffen als "illegitim" bezeichnet. Sie gab die Schweizer Unterstützung für eine Nuklearwaffenkonvention (NWC) bekannt, ein rechtlicher Rahmen, der Artikel VI des NPT ergänzt. Der Artikel soll die Atomwaffenstaaten zur Abschaffung von Atomwaffen verpflichten. "Die Schweiz ist mit der Unterstützung der NWC neu in den großen Kreis der Staaten eingetreten, die sich für eine schnelle Umsetzung von Artikel VI des NPT einsetzen", erklärt Nidecker. Als Schritt zur Reduzierung aller Atomwaffen sieht er die Schaffung von atomwaffenfreien Zonen. Das Schlußdokument der Konferenz zum Atomwaffensperrvertrag enthält die Verpflichtung zur Schaffung einer atomwaffenfreien Zone im Mittleren Osten. Im Jahr 2012 soll eine Konferenz mit allen beteiligten Nationen erste verbindliche Schritte zur vertraglichen Einrichtung einer solchen Zone erzielen.

Tilman Ruff, Vorsitzender der Internationalen Kampagne zur Abrüstung von Atomwaffen (ICAN, International Campaign to Abolish Nuclear Weapons) erhofft sich viel von der Nuklearwaffenkonvention. ICAN wurde vor zwei Jahren als globale Bürgerbewegung initiiert, die die Forderung einer überwältigenden Mehrheit der Weltbevölkerung und 140 Regierungen nach einer Welt ohne Atomwaffen aufnimmt. "Jede Art unterschiedslos tötender, inhumaner Waffen, die verboten wurden, sind durch einen Vertrag abgeschafft worden. Chemische und biologische Waffen, Landminen und Streumunition - warum nicht auch Atomwaffen?", fragt der australische IPPNW-Arzt. "Unser Rezept lautet: Die Aufnahme von Verhandlungen über eine Nuklearwaffenkonvention hat höchste Priorität für die globale Gesundheit", so Tilman Ruff.

Claudio Knüsli, Präsident der Schweizer Sektion der IPPNW, weist auf die wenig beachteten gesundheitlichen Schäden durch die Radioaktivität nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki hin. Krebserkrankungen, aber auch Erkrankungen des Herzkreislaufsystems treten bei den Opfern seither immer noch gehäuft auf. Neue Erkenntnisse zeigen, daß die Risiken durch die Radioaktivität bisher als zu gering beurteilt wurden. Dies sollte erhebliche Konsequenzen für die künftigen Berechnungsgrundlagen des medizinischen Strahlenschutzes haben.

Daß hinter dem Druck zu atomar Aufrüstung auch große wirtschaftliche Interessen stehen, thematisiert Steven Staples beim IPPNW-Weltkongress. Nach Ansicht des kanadischen Abrüstungsexperten hat die Weltwirtschaftskrise offen gelegt, daß die G8-Staaten bei der Bewältigung der globalen Krisen zunehmend auf die Hilfe der Schwellenländer angewiesen sind. "Die Macht der bisherigen wirtschaftlichen und militärischen Mächte verschiebt sich hin zu neuen Staaten, die Atomwaffen nicht als notwendig empfinden, um ihren internationalen Einfluß oder ihr nationales Prestige geltend zu machen", so der Direktor des kanadischen Rideau-Institutes. Er glaubt, daß diese Veränderung Atomwaffen als Mittel der Macht delegitimieren und den wachsenden weltweiten Ruf nach Abschaffung der Atomwaffen stärken wird. Andere TeilnehmerInnen des IPPNW-Kongresses weisen darauf hin, daß es sich bei der von vielen PolitikerInnen nach wie vor akzeptierten Gleichsetzung von Atomwaffen mit Sicherheit um einen gefährlichen Irrglauben handelt.

Alex Rosen, ein junger Kinderarzt aus Düsseldorf setzt auf die Aufklärung der Menschen. 700 Kilometer ist er mit einer Gruppe von 40 jungen MedizinerInnen aus aller Welt von Düsseldorf nach Basel zum IPPNW-Weltkongress geradelt, um für ein Europa ohne Atomwaffen zu werben. Auf ihrem Weg von Deutschland in die Schweiz haben sie öffentlichkeitswirksame Aktionen in den Innenstädten veranstaltet, PolitikerInnen getroffen und mit PassantInnen über die Abschaffung von Atomwaffen geredet. Die MedizinstudentInnen führen mit ihrem Engagement die jahrzehntelange Arbeit der IPPNW-GründerInnen und fort.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

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