Gefährliches Bisphenol-A entdeckt
Viele Babyschnuller sind mit hormonell wirksamen Chemikalien belastet. In allen zehn durch ein Testlabor im Auftrag des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) untersuchten Schnullern wurde Bisphenol-A gefunden.
Die Chemikalie steht im Verdacht, Unfruchtbarkeit, Schädigungen der Gehirnentwicklung und Brustkrebs hervorzurufen. "Säuglinge und Kleinkinder reagieren besonders empfindlich auf hormonartige Schadstoffe wie Bisphenol-A", erläutert Professor Ibrahim Chahoud, Toxikologe an der Berliner Universitätsklinik Charité. "Hormone spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Organen. Ist der Körper künstlichen hormonähnlichen Stoffen ausgesetzt, können diese das empfindliche Gleichgewicht der natürlichen Hormone stören."
Die höchsten Konzentrationen an Bisphenol-A wurden in den Kunststoffschildchen gefunden, die den Schnullersauger aus flexiblem Material halten. Die Kunststoffschildchen bestanden mit einer Ausnahme aus Polycarbonat, bei dessen Herstellung Bisphenol-A eingesetzt wird. In den Schildchen aus Polycarbonat zeigten sich in den Untersuchungen Konzentrationen zwischen 200 und nahezu 2300 Milligramm pro Kilogramm.
Auch in den Saugteilen der Latex-Schnuller von Babysmile, Dentistar, Babylove und NUK, sowie bei einem der sechs untersuchten Silikon-Schnuller (von AVENT) lagen die Analysewerte zwischen 80 und 400 Milligramm pro Kilogramm. Eine mögliche Erklärung wäre, daß Bisphenol-A aus den Hartkunststoff-Schildchen in den weichen Saugteil diffundiert. Dafür spricht die hohe Mobilität von Bisphenol-A sowie die Tatsache, daß in fast allen Schnullern mit hohen Konzentrationen der Chemikalie in den Saugteilen noch höhere Konzentrationen in den Kunststoffschildchen gefunden wurden.
Angesichts der hohen Mengen läßt sich auch nicht ausschließen, daß Bisphenol-A bereits den Ausgangsmaterialien beigemengt wurde. So fanden sich in den meisten Silikonfabrikaten im Vergleich zu den Latexfabrikaten geringere Mengen der Chemikalie. Die deshalb durchgeführten Vergleichsuntersuchungen des stark belasteten Silikon-Saugers der Marke AVENT deuten darauf hin, daß hier Bisphenol-A bereits im Ausgangsmaterial vorhanden war. Die hohen Werte bestätigten sich in zwei Fällen, in einer dritten Probe aus einer anderen Charge wurde kein Bisphenol-A nachgewiesen.
Die Hersteller wurden vom BUND noch vor Vorliegen der Einzelergebnisse in schriftlicher Form befragt, ob und in welcher Weise Bisphenol-A im Produktionsprozeß eingesetzt wird und wie gewährleistet wird, daß keine hormonell wirksamen Chemikalien in ihren Schnullern vorhanden sind. Mehrere Hersteller gaben an, ausschließen zu können, daß Bisphenol-A im Saugteil ihrer Schnuller vorhanden sei, obwohl die BUND-Untersuchungen nun das Gegenteil erwiesen. Einige Hersteller räumten jedoch ein, daß die Kunststoffschildchen aus Polycarbonat bestehen und daher Bisphenol-A enthalten.
Patricia Cameron, BUND-Chemieexpertin: "Wir sind schockiert, daß ausgerechnet Babyschnuller mit Bisphenol-A belastet sind. Die Hersteller müssen nun klären, wie die Chemikalie in die Sauger und in die Schnuller gelangen konnte."
Der BUND forderte die Schnullerhersteller auf, bei der Produktion der Kunststoffschilde auf Polycarbonat zu verzichten. "Es ist bekannt, daß Kinder gern alles in den Mund nehmen, das gilt auch für den ganzen Schnuller. Außerdem steht das Kunststoffschildchen beim Saugen in ständiger Berührung mit den Lippen des Kindes. In diesem sensiblen Anwendungsbereich haben hormonell wirksame Schadstoffe nichts verloren. Wir erwarten von den Firmen, daß sie ihre Produktion umstellen und künftig auf Bisphenol-A verzichten", sagte Cameron. Der BUND forderte von den Herstellern außerdem aufzuklären, wie Bisphenol-A in die Sauger gelangen konnte sowie Maßnahmen, die sicherstellen, daß die Sauger zukünftig frei von Bisphenol-A sind.
Handeln müssten auch die Behörden. Nicht nur für Schnuller und Babyflaschen, sondern für alle Kleinkinderartikel und für Produkte, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, forderte der BUND ein Verbot von Bisphenol-A und anderer hormonartig wirksamer Chemikalien.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Krebsgefahr durch Badelatschen
Weichmacher im Gummi (1.04.09)
Hormone im Mineralwasser
Plastikflaschen nach wissenschaftlicher Studie in der Kritik
(12.03.09)
Mehrweg-Quote bei Getränkeflaschen sinkt weiter
"Umwelt"-Minister Gabriel als ökologischer Todesengel (11.01.09)
Greenpeace prangert Chemie-Konzerne an
Umweltgefahren durch Pestizide (16.06.08)
"Umwelt"-Minister Gabriel macht den Coca-Cola-Vertreter
in der Schule
Was hat Coca-Cola wirklich mit Wasser zu tun? (24.04.08)
Skandal: Hormon-Chemie in
Baby-Nahrung und Kinder-T-Shirts (30.07.07)
Bayer-Konzern gefährdet Kinder
Japanische WissenschftlerInnen belasten den Chemie-Multi
(11.01.05)
Chemie im Blut von Kindern (30.10.04)
Gift in Schwimmringen und Badelatschen (29.06.04)
Weiche Babys Dank Phthalat
Giftige Weichmacher deutscher Firmen in Medizinprodukten
(23.06.04)
Gefahren durch Kunststoffe
Weichmacher gefährlicher und weiter verbreitet als vermutet
(9.04.04)
Schwimmhilfen mit horrenden Giftmengen
Fast alle Schwimmflügel und Schwimmringe "ungenügend" getestet
(5.07.03)
Gift im Geld
Das Hormongift Tributyzinn (TBT) ... (9.01.02)