24.01.2007

Mehrweg-Quote auf Höllenfahrt

Trittins Verpackungsverordnung bestätigt sich als Lachnummer

Nach einem kleinen Schlenker nach oben im Jahr 2003 beschleunigt sich erneut der Abwärtstrend der Mehrweg-Quote:

Mehrweg-Quote 1990 - 2006

Die seit den 90er Jahren sinkende Mehrweg-Quote hatte den damaligen Atom- und "Umwelt"-Minister Töpfer nach langem öffentlichem Druck gezwungen, eine Verpackungsverordnung in Kraft zu setzen, die eine verbindliche Mehrweg-Quote von 72 Prozent vorschrieb. Bei Unterschreiten dieser 72 Prozent sollte ein Pfand auf Einwegverpackungen erhoben werden. Ab 1998 regierte "Rot-Grün" und Trittin spielte in den Mainstream-Medien den verbissenen "Kämpfer wider die Dose", während er die Einführung des als "Zwangspfand" verunglimpften Rettungsankers Jahr für Jahr vor sich her schob.

Doch zuvor ließ er 2003 monatelang Insellösungen zu und verprellte so einen großen Teil der geduldigen und Einweg-resistenten KonsumentInnen. Ein weiterer Spatenstich, um dem Mehrwegsystem das Grab zu schaufeln, waren "handwerklichen Fehler" der Verpackungsverordnung, für die Trittin fünf Jahre Vorbereitungszeit gehabt hatte. Da drängt sich die Frage auf, ob dies auf pure Dummheit oder Korruptheit zurückzuführen ist. Das Ergebnis jedenfalls ist dasselbe: Ein Siegeszug der Discounter beim Absatz von Einweggetränken. Für 2006 wurde nun bekannt, daß die Mehrweg-Quote auf 44,5 Prozent abgesackt ist.

Aus den größten Dosenpfand-Boykotteuren wurden inzwischen die größten Dosenpfand-Profiteure. "Durch die eingesparten Gebühren für den 'Grünen Punkt', durch Pfandschlupf und Recyclingeinnahmen für das sortenreine Verpackungsmaterial erzielen die Discounter jährliche Mehrerlöse von über 400 Millionen Euro. Mit diesem Geld können sie über Quersubventionen den Preis für Mineralwasser in Einwegflaschen künstlich niedrig halten", kommentierte Andreas Rottke, Vorstandschef der Genossenschaft Deutscher Brunnen, bei der Bonner Fachtagung der Stiftung Initiative Mehrweg.

In der Trittinschen Novelle der Verpackungsverordnung wurde die Mindest-Mehrweg-Quote von 72 auf 80 Prozent angehoben. Angesichts der realen Höllenfahrt der Mehrweg-Quote muß diese Marke den Abfüllern von Getränken in Mehrweg-Gebinden wie der blanke Hohn erscheinen. Laut dieser Verordnung ist die Bundesregierung erst im Januar 2010 verpflichtet, einzugreifen. Doch welchen Wert solche Selbst-Verpflichtungen haben, konnte am Verhalten Trittins zwischen 1998 und 2003 studiert werden.

Die "aktuelle Negativentwicklung", so hofft Andreas Rottke hingegen, müsse beim jetzigen Atom- und "Umwelt"-Minister Gabriel zur Einsicht führen, "daß man so lange nicht mehr warten kann". Die Dezemberzahlen mit 41,1 Prozent zeigen, daß der Abwärtstrend unvermittelt anhält und der gesamten Branche zunehmend Angst bereitet. "Vor gut zehn Jahren lag die Mehrweg-Quote für Mineralwasser noch bei 87,7 Prozent", so Rottke. Bei Fruchtsaft bricht das Mehrwegsystem mit 34,7 Prozent zusammen, denn mit einer Quote von unter 40 Prozent ist es nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben.

Mit Quersubventionen können Discounter Mineralwasser in Einwegflaschen zu Dumping-Preisen anbieten. Umgerechnet auf den Literpreis kostet Mineralwasser bei den Discountern unter 15 Cent, während der Einzel- oder Getränkehandel mindestens 50 Cent für den Liter Mineralwasser in der Mehrwegflasche verlangen muß, um nicht rote Zahlen zu schreiben. Die rund 220 mittelständischen Mineralbrunnenbetriebe gehen einer nach dem anderen Pleite.

Bei Aldi, Lidl, Penny und Co kommen nur noch insgesamt fünf deutschlandweit operierende Lieferanten zum Zug. Allein diese Firmen beherrschen den Einwegmarkt. "Die Todesspirale für den Mittelstand ist in vollem Gange. Die Politik muß schnell etwas tun, wenn sie den Mehrwegmarkt noch erhalten will", erklärt Rottke. Doch seit Töpfers Zeiten wird diese Hoffnung immer esoterischer.

"Einen vergleichbaren Preisunterschied zwischen den Discountern und dem Einzelhandel mit einem Faktor von 4,5 findet man in keinem anderen Zweig der Lebensmittelbranche. Die Politik liefert den Discountern ein kostenloses Kundenbindungsprogramm. Normalerweise kalkulieren diese Konzerne einen Erlös von 10 Prozent. Mit den Pfandeinnahmen über die nicht zurückgebrachten Einwegflaschen erwirtschaften die Discounter mit dem Segen der Bundesregierung eine Spanne von über 40 Prozent. Die lachen sich ins Fäustchen", resümierte Ullrich Schweizer, Marketing-Geschäftsführer der Firma Hassia Mineralquellen.

 

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Anmerkung
Bisher erschienen bei uns zum Thema Dosenpfand folgende Artikel:

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