Bereits im Juli 2015 hatte die Verbraucherzentrale Hamburg die Nuß-Nougat-Creme Nutella untersucht. Ein Teelöffelchen zu Weihnachten wäre sicherlich ungefährlich. Doch die besonders in Deutschland beliebte Creme eines italienischen Produzenten besteht zu einem wegen der braunen Farbe kaum geahnten Anteil aus Zucker. Die Stiftung Warentest drückte nun offenbar beide Augen zu.
Laut dem aktuell veröffentlichten Urteil der Stiftung Warentest findet sich Nutella unter 21 getesteten Nuß-Nougat-Cremes auf Platz Eins. "Der Marktführer unter den Schokoaufstrichen erreicht in Aussehen, Geruch und Geschmack die Note sehr gut und schneidet insgesamt mit gut ab," heißt es in der Bilanz der Zeitschrift Test. Zu kritisieren hatten die TesterInnen der Stiftung aus Berlin lediglich das krebserregende Schimmel-Gift Aflatoxin. In 16 der 21 Cremes wiesen sie das Gift nach - beruhigten die LeserInnen jedoch zugleich: "Alle halten den aktuellen Grenzwert ein."
Dabei sind zwei weitere Zutaten mindestens ebenso negativ zu bewerten wie das Krebs-Gift Aflatoxin. In den USA führen VerbraucherInnenschutz-Verbände einen zähen Kampf gegen die Zucker-Industrie. Denn längst ist wissenschaftlich nachgewiesen, daß der hohe Zucker-Anteil in vielen industriell gefertigten Nahrungsmitteln eine der Hauptursachen für die immer weiter um sich greifende Übergewichtigkeit in der US-amerikanischen Bevölkerung ist.
Mehr als ein Drittel der erwachsenen US-BürgerInnen leiden selbst nach Angaben der US-Gesundheitsbehörde CDC an Fettleibigkeit. Auch 13 Millionen Kinder und Teenager (rund 17 Prozent dieser Bevölkerungsgruppe) sind stark übergewichtig. Krebs, Diabetes und Kreislauf-Erkrankungen stehen beim Vergleich von Gesellschaften mit unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten in enger Korrelation zum jeweiligen Zucker-Verbrauch pro Kopf. Die hierdurch verursachten medizinischen Kosten, die dazu beitragen, daß das US-Gesundheits-System mehr und mehr aus dem Ruder läuft, belaufen sich auf ein Vielfaches der Extra-Profite, die US-amerikanische Nahrungsmittel-Konzerne mit Hilfe des Zucker-Einsatzes einstreichen.
In Deutschland ist die Lobby der Zucker-Industrie traditionell stark in den politischen Parteien verankert. Dies läßt sich beispielsweise daran ablesen, daß ein großer Anteil der deutschen Agrar-Subventionen Konzernen wie etwa Südzucker zufließt. 44 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland erhalten dagegen jährlich weniger als 5000 Euro pro Bauernhof.
Dabei gilt auch in Europa unter ErnährungswissenschaftlerInnen Zucker als einer der größten Gesundheitsschädlinge. Der süße Stoff ist in vielen verarbeiteten Lebensmitteln versteckt vorhanden, so daß KonsumentInnen kaum eine Chance haben den realen Anteil festzustellen. Laut den gesetzlichen Vorgaben, müssen die Bestandteile lediglich absteigend nach Gewichtsanteil aufgelistet werden. Und so findet sich etwa auf dem in Deutschland verkauften Nutella-Glas die wenig aufschlußreiche Angabe: "Zucker, Palmöl, Haselnüsse (13 %), fettarmer Kakao, Magermilchpulver (7,5 %), Emulgator Lecithine (Soja), Vanillin".
Für Menschen, die Mathematik und Logik beherrschen, geht aus der auf dem Etikett eines Nutella-Glases abgedruckten Zutaten-Liste lediglich hervor, daß der Inhalt zu mindestens einem Drittel aus Zucker bestehen muß. Eine wenig bekannte Analyse des Lefo-Institut für Lebensmittel aus dem Jahr 2011 ergab, daß Nutella zu 55 Prozent aus Zucker besteht. Bei dem üblichen 400-Gramm-Glas sind dies 218 Gramm Zucker - also 78 Stück Würfelzucker. Dieser setzt sich zusammen aus 189 Gramm Saccharose, 15 Gramm Laktose, 8 Gramm Fruktose und 6 Gramm Glukose.
Die Frankfurter Ernährungsberaterin Miriam Eisenhauer ist der Ansicht: "Vor dem Hintergrund, daß mehr als die Hälfte aller erwachsenen Deutschen übergewichtig ist, ist Nutella kein gesundes Frühstück." Zudem steckt anstatt echter Vanille das synthetische Vanillin in der Schokocreme, kritisiert Eisenhauer. Doch Zucker ist aus drei Gründen bei den Produzenten industriell gefertigter Nahrungsmittel beliebt. Erstens ist Zucker ein relativ billiger Füllstoff, der es erlaubt, an anderen teuren Inhaltsstoffen zu sparen. Zweitens wirkt Zucker als Konservierungsstoff, der die Lagerfähigkeit der entsprechenden Nahrungsmittel verbessert und so die Verluste minimiert. Und Drittens bevorzugen nicht informierte KonsumentInnen instinktiv jene Nahrungsmittel mit dem höheren Zucker-Anteil. Diese drei Gründe lauten daher: Profit, Profit und nochmal Profit.
Seit dem wenig durchdachten Vorstoß der französischen Ministerin Ségolène Royal ist zumindest ein weiterer Bestandteil vieler Nuß-Nougat-Cremes ins Bewußtsein einer breiteren Öffentlichkeit gerückt: Palmöl. Doch kaum überraschend ruderte Royal kurze Zeit darauf zurück und entschuldigte sich gar. Dabei ist es eine unbestreitbare Tatsache, daß Palmöl zu großen Teilen aus umweltschädlichen Monokulturen stammt, für die oft zudem Regenwald gerodet wurde. Auch die weiten Transportwege sind - wie bei vielen industriellen Nahrungsmitteln, die aus Zutaten aus "aller Herren Länder" zusammen gemixt werden - unbestreitbar und markieren ein weiteres Minus auf dem Umwelt-Konto. Zudem ist auch Palmöl möglicherweise krebserregend: Das Öl enthält nicht selten den Schadstoff Glycidol.
Doch all dies interessierte die TesterInnen der Stiftung Warentest offenbar wenig. Nicht feststellen läßt sich, ob hierfür die Lobby-Arbeit der Zucker-Industrie ausschlaggebend war oder lediglich der unbestreitbar verlockende Geschmack der Cremes. "Gravierende Fehler stellten sie nicht fest", heißt es im aktuellen Test-Heft. Die meisten Cremes schnitten "gut" oder "befriedigend" ab. Lediglich zwei der 21 gestesteten Nuß-Nougat-Cremes bewertet die Stiftung mit "mangelhaft". Darunter die teuerste Creme Nocciolata, die wegen der darin gefundenen Schadstoffbelastung abgewertet wurde. Die schlechteste Note erhielt Schlagfix, weil diese Creme entgegen der Packungs-Aufschrift weder laktose- noch milchfrei war.
Anmerkungen
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