Das Bundesozialgericht in Kassel hat überraschend die von der Stadt Freiburg festgelegten "Mietober- grenzen“ für Hartz-IV- und Sozialhilfe-Betroffene als rechts- widrig verworfen. Als besonders problematisch beurteilten die RichterInnen, daß nie konkret überprüft wurde, ob es denn in Freiburg tatsächlich genügend Wohnungen zu dem vorgegebenen Preis gibt. Das Urteil wird nicht nur für Freiburg weitreichende Folgen haben.
Die unsoziale Politik des pseudo-grünen Freiburger Oberbürgermeisters Dieter Salomon hat mit dem Urteil des Bundesozialgericht einen heftigen Dämpfer erhalten. Nach den im Jahr 2004 von "Rot-Grün" beschlossenen Hartz-Gesetzen erhalten EmpfängerInnen von "Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende" vom Jobcenter oder den entsprechenden kommunalen Einrichtungen den sogenannten Regelbedarf plus einen gewissen oder ungewissen Betrag für die Miete. Dasselbe gilt für Sozialhilfeempfänger.Die Miete wird derzeit nur dann in vollem Umfang übernommen, wenn sie als "angemessen" eingestuft wird. Wird ein Teil Miete nicht anerkannt, muß dieser Fehlbetrag notfalls aus dem "Regelbedarf" (ab 1. Januar 2011 für einen Alleinstehenden 364 Euro monatlich) aufgebracht werden werden. Entsprechend weniger bleibt für Essen, Kleidung und den übrigen täglichen Bedarf.
Die Unterkunftskosten werden zwar vom Jobcenter bewilligt und ausgezahlt. Eigentlich ist aber die Stadt zuständig: Die Stadt muß dem Jobcenter die Kosten für die Miete von Hartz-IV-Empfängern erstatten. In einem zweiten Schritt erstattet der Bund der Stadt etwas mehr als ein Viertel dieser Kosten. Bis zu welcher Höhe eine Miete angemessen ist ("Mietobergrenze“), legt die Stadtverwaltung Freiburgs fest. Das Jobcenter ist daran gebunden.
Die Stadtverwaltung Freiburgs unter dem pseudo-grünen OB Salomon hat bei der Festlegung der "Mietobergrenzen“ bislang offenbar keinen Anlaß gesehen, zu prüfen, ob überhaupt Wohnungen zu diesen Mieten in Freiburg angeboten werden. (Gemeinderatsdrucksache G-07/191 vom 14. September 2007). Diese "Mietobergrenzen" wurden in Freiburg also völig willkürlich festgesetzt. Das Sozialgericht Freiburg und das Landessozialgericht in Stuttgart hatten diese willkürliche Festsetzung nicht beanstandet. Viereinhalb Jahre nach Inkrafttreten des Konzeptes zur Bestimmung der "Mietobergrenze“ hat das höchste deutsche Sozialgericht nun klargestellt, daß es so nicht geht.
Das Verfahren wurde mit einem klaren Auftrag an das Landessozialgericht (LSG) zurückverwiesen: Das LSG muss nun prüfen, in welcher Zahl Wohnungen, die für Grundsicherungsempfänger angemessen sind, überhaupt angemietet werden können. Das wird voraussichtlich zu einer deutlichen Erhöhung der „Mietobergrenzen“ führen.
Für Hartz-IV-Betroffene, die einen Teil ihrer Miete aus dem "Regelbedarf" bezahlen müssen, heißt das: Es lohnt sich, Widerspruch einzulegen. Wenn die Widerspruchsfrist verstrichen ist, können sie einen sogenannten "Überprüfungsantrag“ stellen. Wenn die "Mietobergrenzen angehoben werden, muß das Jobcenter (beziehungsweise das Sozialamt) die neuen Obergrenzen rückwirkend bis zum 1. Januar 2010 berücksichtigen und entsprechende Nachzahlungen leisten.
Für die Stadtverwaltung Freiburgs könnte das bedeuten, daß die vor einigen Jahren getroffene Entscheidung, die Mieten der Wohnungen, die entweder der Stadt selbst oder der Freiburger Stadtbau (FSB) gehören, an das Mietspiegelniveau heranzuführen, sich nicht auszahlt. Freiburg hat in den letzten Jahren eine Politik der Mieterhöhungen betrieben und damit die Gewinne aus Vermietung deutlich verbessert. Das hat zur Erhöhung des gesamten Mietniveaus deutlich beigetragen.
Die Stadt Freiburg vermietet rund 1.300 Wohnungen. Die FSB verfügt über rund 8.500 eigene Wohnungen. Laut Gutachten zum Mietspiegel 2007 gibt es in Freiburg insgesamt etwa 130.000 Wohnungen, davon sind knapp 86.000 vermietet. Der Rest wird vom Eigentümer bewohnt. In Berlin etwa sind 12 Prozent aller Wohnungen mietpreisgebunden. In Freiburg liegt der Anteil der mietpreisgebundenen Wohnungen nur bei 3,5 Prozent. Rund 10 Prozent dieser Wohnungen wurden in Freiburg als "unangemessen" teuer eingestuft.
Die Erhöhung des Mietniveaus wird nun dazu führen, daß auch die Ausgaben für Mieten von Hartz-IV-Betrofenen deutlich steigen werden. Damit profitieren wohl letztlich nur private Vermieter - nicht aber die Stadt - von der Erhöhung des Mietniveaus. Bezahlen müssen dies vor allem die gut 67.000 Mieter, die keine Unterstützung für ihre Miete bekommen.
Anmerkungen
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