17.06.2013

Snowden:
Britischer Geheimdienst GCHQ
spitzelt noch extremer als NSA

Der Whistleblower Edward Snowden
Der aus den USA nach Hongkong geflohene Whistleblower Edward Snowden hat weitere brisante Informationen enthüllt: Beim G20-Treffen in Nordirland im Jahr 2009 habe der britische Geheimdienst GCHQ dreist die internationalen TeilnehmerInnen bespitzelt. Laut Snowden wurden dabei in großem Stil Telefongespräche, eMails und Paßwörter abgeschöpft.

Der 29-jährige Ex-Geheimdienstmitarbeiter erklärte heute, daß sich etwa US-amerikanische Geheimdienst-AnalystInnen Zugang zu sämtlichen elektromagnetisch verbreiteten Informationen beschaffen können, gleichgültig auf welchem Wege sie abgefangen werden müßten - "Telefonnummer, eMail, Benutzername, Mobiltelefon-Identifikationsnummer - es macht keinen Unterschied". Bei dieser Aussage übersieht Edward Snowden jedoch eines: eMail-Texte, die mit einem open-source-Verschlüsselungssystem wie etwa PGP (und nicht etwa per DE-Mail) kryptifiziert werden, sind auch für Geheimdienste nicht zu knacken (außer sie gelangen auf konventionellem Weg wie etwa Einbruch an den Code).

Laut Snowden sind die Einschränkungen nicht technischer, sondern politischer Natur. Kontrollen seien sehr lückenhaft. Dies ist allerdings nichts Neues (Wir berichteten beispielsweise am 23.02.01 - siehe in diesem Artikel zum Stichwort 'Carnivore'). Neu ist allerdings die Information, daß es inzwischen technisch möglich ist, auch Informationen aus Glasfaserkabeln abzugreifen.

Aus den von Snowden veröffentlichten Informationen geht hervor, daß die britische Regierung als Gastgeberin mit Hilfe des Geheimdienstes GCHQ im Jahr 2009 nicht nur die Netbooks der G20-TeilnehmerInnen überwachen ließ, sondern auch deren Telefonate abhörte. Zu diesem Zweck hatte der GCHQ eigens ein manipuliertes Internet-Café eingerichtet und dabei auch Paßwörter erbeutet. Dem GCHQ soll es bei dieser Gelegenheit gelungen sein, sich Zugang zu Blackberry-Mobiltelefonen zu verschaffen und von dort Dokumente abzugreifen. Das Mithören US-amerikanischer Seite beim internen Telefonverkehr der französischen Regierung mit Hilfe von Blackberry-Hintertürchen wurde bereits im Jahr 2007 publik (siehe unseren Artikel v. 21.06.07) und führte damals zu erheblichen diplomatischen Verstimmungen. Laut den Informationen Snowdens waren 2009 während des G-20-Gipfels allein rund 45 britische AnalystInnen mit dem Abhören der aus- und eingehenden Telefonate beschäftigt.

Spekulationen, er habe mit chinesischen Behörden zusammen­gearbeitet, wies Snowden zurück. Er habe keinen Kontakt zum chinesischen Regime gehabt. "Wäre ich ein chinesischer Agent, hätte ich mich nach Peking abgesetzt," erklärte er durchaus plausibel. Im übrigen ist kaum anzunehmen, daß die Informationen Snowdens andernfalls je öffentlich geworden wären. Mittlerweile hat ihm der seit fast einem Jahr in der ecuardorianischen Botschaft in London festsitzende Wikileaks-Mitbegründer Julian Assange empfohlen, ebenfalls in Ecuador um politisches Asyl nachzusuchen.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Prism ist nichts Neues
      Whistleblower macht latenten Skandal publik (7.06.13)

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      Bundesrat macht Weg frei für Überwachungs-Staat (3.05.13)

      "Anti-Terror-Datei"
      Urteil der Bundesverfassungsgerichts
      ebnet Weg zu neuer Gestapo (25.04.13)

      Big Brother liest mit
      Allein im Jahr 2011: 2,9 Millionen eMails und SMS (5.04.13)

      Daniel Cohn-Bendit als Lobbyist
      für Facebook & Co. (27.03.13)

      Datenschutz und Meldegesetz
      Verpatzter Schnellschuß im Bundestag (7.07.12)

      Witz der Woche
      Privatsphäre bei facebook (4.07.12)

      Dein Handy, der Bewegungsmelder
      Mobilfunkanbieter speichern illegal (18.06.12)

      Schaar: Mit Staats-Trojaner
      wurden Grundrechte verletzt (16.02.12)

      Max-Planck-Institut:
      Vorratsdatenspeicherung völlig ineffektiv (27.01.12)

      Sicherheitslücke bei Apple entdeckt
      IT-Sicherheitsexperte ausgesperrt (9.11.11)

      Trojaner-Skandal weitet sich aus
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      0zapftis
      CCC analysiert "Bundes-Trojaner"
      Verfassungsignoranz und Dilettantismus (8.10.11)

      Vorratsdatenspeicherung
      Schünemann bestätigt KritikerInnen (6.06.11)

      Daten-Skandal
      Schnüffel-Software in Apples iPhone (21.04.11)

      Big Brother Award 2011 für
      Facebook, Apple und Daimler (1.04.11)

      Die virtuelle Diskussions-Armee
      ist im Anmarsch (22.02.11)

      EU-Kommissarin Malmström
      kämpft weiter für Internet-Zensur (17.02.11)

      EU mit Appetit auf Passagier-Daten
      Speicherung angeblich zum Zweck der Terrorabwehr (3.02.11)

      google und Zensur
      Deutschland weit vorne (21.04.10)

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      Sicherheitsexperte knackt Mobilfunk-Code (29.12.09)

      Mielke geistert weiter durch deutsche Telefone
      Zahl der Abhör-Aktionen steigt dynamisch (23.09.09)

      Bundesverfassungsgericht stoppt Wahl-Computer
      Die Manipulierbarkeit von elektronischen Speichersystemen,
      'Wikipedia' und Internet-Umfragen (3.03.2009)

      Barack Obama und das Nadelöhr
      ... anderes zu erwarten als von Bush? (9.10.2008)

      ELENA - Eine gigantische Datenbank
      soll Angaben von 40 Millionen Beschäftigten umfassen (26.06.2008)

      ARD-Magazin 'Report':
      Meldedaten im Internet frei zugänglich (23.06.2008)

      Telekom schnüffelte in Eigenregie
      Staatsanwaltschaft ermittelt (24.05.2008)

      Big Brother hört mit
      Zahl der Abhör-Aktionen nimmt weiter zu (20.05.2008)

      Bundesverfassungsgericht präsentiert
      größte Mogelpackung aller Zeiten:
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