Die Linkspartei Brandenburg setzt nach dem Vorbild anderer Regierungs- beteiligungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern die Strategie des "links blinken und rechts abbiegen" fort. Der von der Linkspartei Brandenburg seit der Landtagswahl im September 2009 gestellte Wirtschaftsminister Ralf Christoffers gab auf dem Landesparteitag am Wochenende in Potsdam ohne nennenswerten Widerstand die Linie vor. Sowohl bei der unsozialen als auch bei der klimaschädlichen Politik des "roten" Ministerpräsidenten Matthias Platzeck folgte die Linkspartei reibungslos dem vorgegebenen Kurs der "rot-roten" Koalition.
Im Vorfeld des Landesparteitags hatte es den Anschein, als wollten Beeskower Mitglieder der Linkspartei den Aufstand wagen. Es war die Rede von Rücktrittsforderungen gegen Wirtschaftsminister Christoffers (Linkspartei), der wegen seiner Genehmigung für die Erkundung von unterirdischen CCS-Lagerstätten in die Kritik von UmweltschützerInnen geraten war. Die Linkspartei Brandenburg war bei der Landtagswahl 2009 mit dem Versprechen, CCS zu verhindern, in den Wahlkampf gezogen. Bei der CCS-Technologie geht es darum, das klimaschädliche Kohlendioxid aus Kohlekraftwerken in unterirdische Lagerstätten zu verpressen. Diese Technologie ist zwar noch nicht über das Pilotstadium hinausgekommen, dient aber als Persilschein für die von Platzeck im Interesse des Energie-Konzerns Vattenfall vorangetriebenen Ausweitung der Braunkohle-Verstromung. Die bestehenden und von Vattenfall in Brandenburg betriebenen Braunkohlekraftwerke gelten als die klimaschädichsten in ganz Europa.
Wirtschaftsminister Christoffers verwahrte sich gegen Angriffe von UmweltschützerInnen und Mitgliedern der Linkspartei, die ihn als "Büttel von Vattenfall" bezeichnet hatten. Wer ihm vorwerfe, korrumpiert zu sein und Konzern-Interessen zu vertreten, wolle gar keine Diskussion. Hardy Feldmann von der Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager warf Christoffers vor, CCS mit Tricks durchsetzen zu wollen: "Ein bißchen CCS gibt es nicht. Erprobung bedeutet den Test am lebenden Objekt!" "Der Vattenfall-Lobbyist Christoffers treibt die CO2-Endlagerung gegen den Willen der Bevölkerung voran. Damit handelt er im direkten Widerspruch zum Parteiprogramm der Linkspartei," sagte Greenpeace-Energie-Expertin Anike Peters.
Greenpeace-AktivistInnen hatten zu Beginn des Parteitags in Potsdam für eine Ablehnung des als Probebohrungen deklarierten Einstiegs in die CCS-Technologie protestiert. Doch am Ende folgte eine deutliche Mehrheit der von Wirtschaftsminister Christoffers vorgegeben Linie. Ein Antrag, der sich für das Verbot der unterirdischen Lagerung von CO2 in Deutschland aussprach, erhielt lediglich 35 Stimmen, 62 Delegierte stimmten dagegen, 36 enthielten sich. Dieser Antrag hätte der bis dahin offiziell von der Bundestagsfraktion der Linkspartei vertretenen Position entsprochen. Eine Delegierte verließ nach der Abstimmung den Saal und rief: "Feiges Pack!"
Wie bei den Pseudo-Grünen seit langem eingeübt, wurde der von den Linkspartei-FunktionärInnen favorisierte Kurs als "Kompromiss" verpackt: Bei wenigen Gegenstimmen faßte der Parteitag den Beschluß, für "Erprobung, Erkundung und Demonstration" der CCS-Technologie sollten nun "strenge Bedingungen" formuliert werden. Des weiteren werde eine Erkundung von Lagerstätten "ausgeschlossen", falls diese in der Bevölkerung nicht akzeptiert werde. Auch eine Durchsetzung von Probebohrungen mit Polizeigewalt solle es nicht geben. Dies hat jedoch
selbst Ministerpäsident Platzeck bereits versprochen. "Das ist die stärkste, schärfste Hürde. Eine Akzeptanz vor Ort wird es nie geben,“ hofft Peer Jürgens, Linkspartei-Landtagsabgeordneter und Kreischef von Oder-Spree. Dort sind die ersten unterirdischen Kohlendioxid-Speicher für ein Vattenfall-Demonstrationskraftwerk vorgesehen. Unter der Hand hatte Thomas Nord, Landes-Chef der Linkspartei, bestätigt, daß Wirtschaftsminister Christoffers wesentliche Teile des "Kompromiss"-Antrags selbst geschrieben hat.
Bis spätestens im Juni muß die deutsche Bundesregierung eine CCS-Richtlinie der EU umsetzen. Eine "Umsetzung" könnte jedoch auch darin bestehen, per Gesetz die Abscheidung von CO2 in Kohlekaftwerken und die Verpressung des Gases in unterirdische Lager bundesweit zu verbieten. Dies entspräche der Forderung der Bürgerinitiativen in Brandenburg und auch der bisherigen Position der Bundestagsfraktion der Linkspartei.
Ähnlich wie zu den Zeiten, als die grüne Partei umgebogen wurde und deren opportunistische FunktionärInnen etwa darüber klagten, wie sehr ihnen der Kosovo-Krieg "Bauchschmerzen" bereite, klagte nun Linkspartei-Landesvorsitzender Thomas Nord darüber, daß es sich um "Schmerzpunkte" handele, wenn über CCS und über Kürzungen im Bildungsbereich abgestimmt werden müsse. Obwohl die Bundespartei noch bis vor kurzem den Anschein erweckt hatte, den brandenburgischen Kurs der Linkspartei nicht mitzutragen - der damalige Vorsitzende Oskar Lafontaine, aber auch Gregor Gysi hatten interveniert - stellte sich Partei-Chef Klaus Ernst am Sonntag auf dem Landesparteitag in Potsdam plötzlich selbst bei der umstrittenen CCS-Technologie hinter den Kurs von Christoffers. Ernst sprach nebulös von einem "schwierigen Start" der "rot-roten" Regierung unter Platzeck im Jahr 2009 und erklärte: "Wir wollen, daß Rot-Rot in Brandenburg ein Erfolg wird," denn das habe "Ausstrahlung auf die gesamte Partei." Die Potsdamer Beschlüsse zur CCS-Technologie seien ein "guter Kompromiss."
Kritische Linke sehen mit dem Ergebnis von Potsdam ihre Ansicht bestätigt, daß es ohne Gewicht ist, was die Linkspartei vor Wahlen verspricht und daß allein zählt, wie die Partei dort handelt, wo sie an Landesregierungen beteiligt ist. Die aktuellen Erfahrungen mit der Linkspartei in Brandenburg werden daher vermutlich dazu beitragen, daß die Partei bei den Landtagswahlen am 27. März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz unter 5 Prozent bleibt.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Wikileaks-Enthüllung:
Gysi schleimt bei US-Regierung
Linkspartei wird "politikfähig" (20.12.10)
Parteitag der Pseudo-Grünen
Gorleben als Verhandlungsmasse (21.11.10)
Linkspartei erwirkt Urteil:
Schwarz-Gelb in Schleswig-Holstein verfassungswidrig (31.08.10)
Nordrhein-Westfalen
Berechenbare Linkspartei (11.07.10)
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Gaucks Chancen schwinden (8.06.10)
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"...aus Niederlagen nichts gelernt" (28.03.10)
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