Wie vorhersehbar akzeptierte die nordrhein-westfälische Linkspartei auf ihrem Parteitag in Leverkusen den "rot-grünen" Koalitionsvertrag, den die kommende NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hinter den Kulissen ausgekungelt hatte. So dürfte der geplante Neubau von insgesamt sieben Steinkohle- und Braunkohlekraftwerken in NRW in den kommenden Jahren nicht an der Landesregierung scheitern. Die versprochene Reduzierung des Klimagas-Ausstosses um 25 Prozent wird sich daher als ebenso vorhersehbar wie ähnliche Versprechen in den vergangenen Jahrzehnten erweisen. Ebenso selbstverständlich wird die Kraft-Regierung den Fortbestand der nordrhein-westfälischen Nuklear-Anlagen garantieren.
Die 'Süddeutsche Zeitung' überschrieb ihren Artikel zum Parteitag der Linkspartei denn auch völlig zurecht mit den Worten: "Berechenbare Linke". Sie begründet dies mit der Verläßlichkeit einer Prophetie, die sich auf die Beobachtung des realen Verhaltens der politischen Akteure stützt, statt auf Versprechen oder Koalitionsverträge. Dazu bedarf es nicht der Fähigkeiten des Kraken-Orakels Paul. Denn: "Die Linken sind insoweit berechenbar, als daß sie die Minderheitsregierung nicht stürzen werden," so die 'Süddeutsche' (gemeint sind hierbei die NRW-Landtagsabgeordneten der Linkspartei). Und die Begründung: "Bei einer Neuwahl wäre ihr Wiedereinzug ins Parlament sehr gefährdet. Ihre elf Abgeordneten haben seltsame westdeutsche Biographien aus einer linken Subkultur, sie sind aber in ihrer Besitzstandswahrung auch recht bürgerlich. Sie wollen ihre Mandate und die Diäten nicht verlieren."
Und so wurde auf dem Parteitag in Leverkusen schriftlich und mündlich in mehrfacher Ausführung bekräftigt, daß ein "grundlegender Politikwechsel" nicht an der Linkspartei scheitern wird. Zugleich hieß es auf dem Parteitag unwidersprochen, der Koalitionsvertrag sei "insgesamt kein wirkliches Zeichen für einen tatsächlichen Politikwechsel." Dieselben Verrenkungen ließen sich in den Jahren 1979 bis 1990 anhand der immer seltener von ihrer Basis kontollierbaren oder abwählbaren Abgeordneten der "Grünen" beobachten.
Dabei ist nach der Lektüre des "rot-grünen" Koalitionsvertrags völlig offen, ob weitere Privatisierungen, Personal- oder Sozialabbau in NRW exekutiert werden. Selbstverständlich wird "Rot-Grün" alles unterlassen, was zu einer Verbesserung der Einnahmensseite im Landeshaushalt führen könnte. So können dann mit der so verhersehbaren weiteren Verschuldung "unvermeidbare Grausamkeiten" wie seit Jahren bekannt als "alternativlos" gerechtfertigt werden. Auch bei der geplanten CO2-Pipeline, in Fragen Mindestlohn, Mitbestimmung und Finanzplanung wird weiterhin in NRW nach dem Willen des großen Geldes regiert werden.
Wie sehr sich die NRW-Linkspartei in den kommenden Monaten und vielleicht Jahren verbal dagegen auflehnt oder lieber stillschweigend "Kröten schluckt", dürfte für PsychologInnen ein interessantes Studienobjekt bieten. Allenfalls die Studiengebühren werden entsprechen dem Koalitionsvertrag zum Wintersemester 2011/12 abgeschafft werden, um der Linkspartei ein Alibi zum Durchhalten als Steigbügelhalter zu verschaffen. So kann dann Linkspartei-Fraktions-Chef Wolfgang Zimmermann am Ende der Legislaturperiode sein jetziges Statement wiederholen, die "rot-grüne" Koalition in NRW ist/war ein "Schritt in die richtige Richtung".
Interessant wird es sein, zu beobachten, was aus der Forderung der Linkspartei wird, "Rot-Grün" solle im Bundesrat die Millionärssteuer, eine höhere Erbschaftssteuer und Vermögenssteuer durchsetzen. Davon, daß eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten im Bundesrat blockiert werden könnte, was vor der NRW-Wahl von interessierten Kreisen mit Macht ventiliert wurde, ist heute wohlweislich in den Mainstream-Medien keine Rede mehr.
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