8.06.2009

Linkspartei nominiert Luc Jochimsen
Gaucks Chancen schwinden

Luc Jochimsen Die Bundestagsfraktion und Landesvertreter der Linkspartei nominierten heute die 74-jährige Journalistin Luc Jochimsen einstimmig als Gegenkandidatin zu den Bewerbern von "Schwarz-Gelb" und "Rot-Grün", Christian Wulff und Joachim Gauck. Die ehemalige Chefredakteurin des Hessischen Rundfunks ist seit 2005 Bundestagsabgeordnete der Linkspartei. "Luc Jochimsen ist die Kandidatin, die zu den sozialen Fragen unserer Zeit mehr zu sagen hat als die beiden anderen Kandidaten zusammen," sagte Parteichefin Gesine Lötzsch.

Jochimsen äußerte nach ihrer Nominierung, sie verstehe sich als "Schirmherrin für Schwache und Benachteiligte". Sie wolle eine "Friedenskämpferin" sein und zur Vereinigung beitragen. Die sozial Benachteiligten benötigten gerade nach dem von der Koalition vorgestellten sogenannten Sparpaket mehr Unterstützung denn je.

Als Bundestagsabgeordnete der Linkpartei ist Jochimsen kulturpolitische Sprecherin der Fraktion, meldet sich jedoch auch selbstbewußt zu tagespolitischen Fragen zu Wort. Aufsehen erregte sie im September 2009 bei einem Festakt für das neue Ehrenmal der Bundeswehr. Wegen ihres Schals mit der Aufschrift "Raus aus dem Krieg" wurde Soldaten gegen sie handgreiflich und übergaben sie der Polizei.

Von 1975 bis 1985 arbeitete Luc Jochimsen als NDR-Redakteurin und moderierte zehn Jahre lang das Politik-Magazin 'Panorama'. Danach war sie für drei Jahre Korrespondentin der ARD in London. Von 1988 bis 1991 war sie verantwortlich für die Abteilung Feature/Auslandsdokumentation des NDR und von 1991 bis 1993 Leiterin des ARD Fernsehstudio London. Von 1994 bis 2001 war sie Chefredakteurin des Hessischen Rundfunks. Als sie 2001 den hessischen Verdienstorden erhielt, nannte Ministerpräsident Roland Koch sie "eine meiner schärfsten Kritikerinnen".

Als Journalistin wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Unter anderem erhielt sie 1971 den Adolf-Grimme-Preis für die Dokumentation "Was wir unseren Kindern schuldig sind". 2004 veröffentlichte sie eine Biographie über Theodor Herzl, den "Vater" des Zionismus. Jochimsen hat Soziologie, Politik und Philosophie in Hamburg und Münster studiert. 1961 promovierte sie bei dem Soziologen Helmut Schelsky zum Thema "Zigeuner, eine Minderheit in Deutschland."

Die Chancen des von "Rot-Grün" nominierten Präsidentschafts-Kandidaten Joachim Gauck schwinden mit der Kandidatur Jochimsens. Fraktionschef Gregor Gysi kündigte bereits an, in der Bundesversammlung auch in einem eventuell nötigen zweiten oder dritten Wahlgang weder Wulff noch Gauck mitzuwählen. Die beiden seien in keinem Wahlgang wählbar. Wulff sei ein "neoliberaler" Kandidat, auch Gauck sei "kein Linker".

Zuvor war jedoch bereits aus den Reihen der Linkspartei die Forderung laut geworden, die Partei könne im zweiten oder dritten Wahlgang Gauck die Stimme geben, um ein Signal gegen "Schwarz-Gelb" zu setzen. Der für seinen Anpassungs-Kurs an "Rot-Grün" bekannte frühere Bundesgeschäftsführer der Linkspartei Dietmar Bartsch und der Fraktionschef der Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern Helmut Holter warben dafür, unter bestimmten Umständen auch den "rot-grünen" Kandidaten Joachim Gauck zu wählen. Da Gauck vor allem bei "C"DU und "F"DP im Osten Deutschlands beliebter ist als Wolff, wurde darüber spekuliert, daß er eine Mehrheit erzielen könnte. Dazu hätte er aber voraussichtlich auch die Stimmen der Linkspartei benötigt.

Nicht nur Mitglieder der Linkspartei, sondern auch viele Linke in der BRD, die das Amt einer Bundespräsidentin oder eines Bundespräsidenten für nicht sehr bedeutsam erachten, werteten die Aufstellung Joachim Gaucks als Kandidaten von "Rot-Grün" als Affront. Hierbei geht es keineswegs um die weitgehend einwandfreie Arbeit Gaucks als erster Beauftragter für die Aufarbeitung der Stasi-Akten. Dieses Amt Gaucks mag zwar für einige Ewiggestrige in der Linkspartei ein Stein des Anstoßes sein. Gauck fügte jedoch seinem Amt selbst Schaden zu, als er sich zu pseudo-wissenschaftlichen Aussagen der Totalitarismus-Theorie bekannte und die Diktaturen des Ostblocks mit dem Faschismus gleichsetzte. Für Linke wäre Gauck auch deshalb nicht wählbar, weil er sich bis heute weder zu Hartz IV noch zum Afghanistan-Krieg kritisch äußerte.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Siehe auch unsere Artikel:

      Afghanistan-Krieg - Der deutsche Bundespräsident
      sagt die Wahrheit...
      und bezieht Prügel von Schwarz-Rot-Grün-Gelb (27.05.10)

      Lafontaine kontert Gabriel:
      "...aus Niederlagen nichts gelernt" (28.03.10)

      Eigentum und Herrschaft
      "Verfassungsschutz" überwacht weiterhin Linkspartei (16.03.10)

      Bundestags-Entscheidung zum Afghanistan-Krieg:
      Mehrheit erhöht Militär-Einsatz
      Linksfraktion setzt Zeichen (27.02.10)

      Lafontaine zieht sich
      krankheitsbedingt in die zweite Reihe zurück (24.01.10)

      Rede in Saarbrücken
      Lafontaine markiert politische Eckpunkte (20.01.10)

      Linkspartei-Landeschefs für Lafontaine und Bartsch
      Richtungskampf um klare Konturen oder Anpassung (6.01.10)

      Haß-Kampagne gegen Lafontaine
      Deutsche Mainstream-Medien von FAZ über 'spiegel' bis 'taz'
      auf Toilettenpapier-Niveau (17.11.09)

      Brandenburg: Linkspartei auf Anpassungs-Kurs
      Neben Klima-Politik gehen auch soziale Inhalte über Bord (30.10.09)

      Brandenburg: Linkspartei fällt um
      Platzeck darf weiter klimaschädliche Braunkohle verstromen
      (19.10.09)

      Ramelow markiert Anpassungs-Kurs an "S"PD
      Anerkennung von NATO und Kapitalismus
      als Voraussetzungen für "Politikfähigkeit" (6.10.09)

      Kampagnen-Journalismus:
      'spiegel' verunglimpft Ulla Jelpke (8.09.09)

      Austrittserklärung von Christel Buchinger
      aus der Linkspartei (17.03.09)

      Europa und die Linkspartei
      Warum die Journaille vor Wut schäumt (28.02.09)

      Lafontaine in Freiburg
      Wahre Worte, wenig Glaubwürdigkeit, schwache Resonanz (1.07.07)

      Lafontaine will die Systemfrage stellen
      Ist die neue "Linkspartei" antikapitalistisch? (17.06.07)

      Thema Mindestlohn im Bundestag
      Von einem Versuch, die SPD zu stellen (14.05.07)

      Bisky zum vierten Mal "düpiert"
      Wenn selbst ein ARD-Kommentar... (8.11.05)

      Bündnis von PDS und WASG
      - eine historische Chance? (1.06.05)

      Lafontaines Sprung aus dem Tanker
      Vereinigung von WASG und PDS unter seiner Führung? (24.05.05)

      Warnung vor der Wut
      Peter Porsch von der PDS warnt... (1.08.04)

      Auferstehung
      der deutschen Sozialdemokratie? (5.07.04)

      Dokumentation der Austrittserklärung
      von Winfried Wolf aus der PDS (21.05.04)

      In der Linken knirscht's
      Mit oder gegen "Rot-Grün"? (19.01.03)

 

neuronales Netzwerk