Lafontaine markiert politische Eckpunkte
Beim ersten politischen Auftritt nach seiner Krebs-Operation warnte Oskar Lafontaine am Dienstagabend in Saarbrücken davor, seine Partei-GenossInnen dürften sich nicht eine von Medien provozierte Debatte über Regierungsbeteiligungen "aufschwatzen" lassen. Entscheidend sei die Orientierung an politischen Eckpunkten. Der Chef der Linkspartei rief zugleich zur Geschlossenheit auf. Fragen, ob er im Mai erneut für den Vorsitz kandidiere, ließ er offen. Lafontaine hatte schon vor seiner Operation angekündigt, er werde Entscheidungen über seine politische Zukunft vom Genesungsprozeß und den ärztlichen Prognosen abhängig machen - "Niemand ist unersetzlich," erklärte er stattdessen auf dem knallvollen und von einer Vielzahl von JournalistInnen besuchten Neujahrsempfang, zu dem die Landtagsfraktion der Linkspartei eingeladen hatte.
Zu dem innerparteilichen Konflikt, der sich an der Person des Bundesgeschäftsführers Dietmar Bartsch entzündet hatte, merkte Lafontaine in seiner Rede nur kurz an, Georg Gysi und Klaus Ernst hätten dazu "das Notwendige gesagt". Nach einem heftigen Angriff von Gysi am 11. Januar, bei dem er Bartsch Illoyalität vorgeworfen hatte, erklärte dieser am 15. Januar, auf dem Parteitag im Mai in Rostock nicht erneut für das Amt des Bundesgeschäftsführers zu kandidieren. Entgegen der Darstellung der Mainstream-Medien hatte es sich bei dem Konflikt nicht um einen Streit zwischen ost- und westdeutschen Landesverbänden der Linkspartei oder um einen zwischen einem Reformflügel und einem "fundamentalistischen" Flügel gehandelt, dem Lafontaine zugerechnet wird. Lafontaine machte dagegen erneut in seiner Saarbrücker Rede klar, daß es um "programmatische Eckpunkte" gehe, an denen sich die Frage nach Regierungsbeteiligungen entscheiden müsse. Er sprach in diesem Zusammenhang von "Kampagnen-Journalismus."
Regierungsbeteiligungen in Hessen oder im Saarland seien nicht an der Linkspartei, sondern im einen Fall an der SPD, im anderen an den "Grünen" gescheitert. Auch in Brandenburg sei es nicht um Regierungsbeteiligung, sondern um den Arbeitsplatzabbau im öffentlichen Dienst gegangen. "Ich hätte den Koalitionsvertrag so nicht unterschrieben," stellte Lafontaine klar und zeigte damit inhaltlich auf, wo die Konfliktlinien in der Linkspartei verlaufen. In Brandenburg seien die Eckpunkte "Kein weiterer Sozialabbau, kein weiterer Personalabbau im Öffentlichen Dienst und keine weitere Privatisierung" ohne erkennbare Gegenleistung für eine Regierungsbeteiligung geopfert worden. Bartsch hingegen hatte den Brandenburger Koalitionsbeschluß nach Kräften unterstützt.
In seiner streckenweise kämpferischen Rede mahnte Lafontaine, sich auf die Wahl in Nordrhein-Westfalen zu konzentrieren. Er erinnerte an die "großen" Wahlerfolge der Linkspartei im Jahr 2009, den Wiedereinzug in den Bundestag mit 11,9 Prozent und die Präsenz der Linkspartei in mittlerweile sechs ostdeutschen und auch in sechs westdeutschen Landtagen. Dies habe Bewegung in die deutsche Politik gebracht. Vor rund 800 ZuhörerInnen nannte Lafontaine dabei die Themen Mindestlohn, Afghanistan-Krieg, die Hartz-IV-Gesetze, Erneuerung der Rentenformel und die Rente mit 67. Nun komme es entscheidend darauf an, den Bankensektor staatlich zu kontrollieren und zu regulieren.
Besonderes Interesse verdient der Teil von Lafontaines Rede, in dem er seine Definition von Sozialismus darlegte: "Zu den Ursachen, die zur weltweiten Finanzkrise geführt haben, gehört nicht nur die Deregulierung der Finanzmärkte, sondern auch die von Jahr zu Jahr zunehmende ungleiche Verteilung der Vermögen und Einkommen. Diese Ursache der Finanzkrise wird leider auch von denen übersehen, die wie wir in der Deregulierung eine entscheidende Fehlentwicklung sehen. Der Satz Rosa Luxemburgs: »Ohne Sozialismus keine Demokratie und ohne Demokratie kein Sozialismus« sagt nichts anderes, als daß es ohne eine gerechtere Vermögensverteilung keine Demokratie gibt, weil eine ungerechte Vermögensverteilung zu undemokratischen Machtstrukturen führt."
Mit Genugtuung erklärte Lafontaine: Selbst die schwarz-gelbe Regierung habe sich nun den Positionen der Linken angenähert. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen habe angekündigt, die Hartz-IV-Gesetze auf den Prüfstand zu stellen und Bundeskriegsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wolle eine Perspektive für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan erarbeiten. Wenn die Linke bei ihren Positionen bleibe, so Lafontaine, "dann sind bei der nächsten Bundestagswahl 15 Prozent drin".
Mit Blick auf das zu erarbeitende neue Grundsatzprogramm der Linkspartei nannte Lafontaine einige Themen, die es herauszuarbeiten gelte, um sich von anderen Parteien zu unterscheiden. Hierzu zählte er unter anderem die Stärkung von Elementen direkter Demokratie, ein gesetzliches Parteispendenverbot für Unternehmen, Unternehmerverbände, Banken und Versicherungen, die Forderung nach politischem Streik, die Ablehnung von Krieg als Mittel der Politik und die Eigentumsfrage als der "Grundfrage der Demokratie."
REGENBOGEN NACHRICHTEN
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