In Belgien hat der Generalstreik gegen den von der neuen Regierung geplanten Sozialabbau das öffentliche Leben zum Erliegen gebracht. Auch der Flugverkehr wurde gezielt lahmgelegt, so daß die EU-Staats- und Regierungs-ChefInnen auf dem Weg zum EU-Sondergipfel zu einem Umweg gezwungen wurden.
Der Streik gegen "Sparprogramm" der neuen belgischen Regierung, das nahezu ausschließlich die unteren Zweidrittel der Gesellschaft trifft, hat das öffentliche Leben zum Erliegen gebracht: Züge stehen still, viele Flüge fallen aus. "Tram, Bus, Metro – nichts bewegt sich," wird auch von den belgischen Mainstream-Medien gemeldet. Die Deutsche Bahn betätigt sich als Streikbrecherin und bietet Ersatz-Busverbindungen zwischen Aachen und Brüssel an.
Die Streikenden konnten den Brüsseler Flughafen so effektiv bestreiken, daß die europäischen Staats- und Regierungs-ChefInnen auf dem Weg zum EU-Sondergipfel auf die Luftwaffen-Basis im 30 Kilometer entfernten Beauvechain ausweichen mußten. Nachdem zuvor bekannt geworden war, daß ein Ausweichen auf den Flughafen 'Charleroi' südlich von Brüssel geplant war, konnte auch dieser stillgelegt werden und zudem wurde die einzige Zugangsstraße von GewerkschafterInnen blockiert.
Auch die Zugverbindung unter dem Ärmelkanal zwischen Großbritannien und Brüssel, der Eurostar, fällt aus, ebenso wie die Thays-Schnellzug-Verbindung nach Paris. Die Industrie-Produktion brach nahezu vollständig zusammen. In Antwerpen wurden fast alle Großbetriebe lahmgelegt und auch in den belgischen Volvo- und Audi-Werken stehen die Bänder still. In den Häfen von Antwerpen und Zeebrügge kam der komplette Schiffsverkehr zum Erliegen.
Obwohl in nahezu allen belgischen Mainstream-Medien in den vergangenen Tagen mit einer offensichtlich breit angelegten Kampagne gegen den angekündigten Generalstreik gehetzt worden war, berichtet heute der öffentlich-rechtliche Radiosender RTBF ausführlich und einigermaßen sachlich. Die Hetz-Kampagne hatte offenbar viele Beschäftigte zusätzlich motiviert, sich am Generalstreik zu beteiligen. Der erst seit vier Monaten amtierende Vorsitzende der neoliberalen pseudo-sozialistischen Partei SP.A im flämischen Landesteil Belgiens, Bruno Tobback, hatte sich in den vergangenen Tagen vom Streik-Aufruf distanziert. Andere belgische Partei-PolitikerInnen hatten gar dazu aufgerufen, notfalls mit Gewalt den Zugang zu Industriebetrieben und Häfen frei zu räumen. Es war von "unverantwortlichen Gewerkschaften" die Rede und zu deren Disziplinierung wurden "deutliche Lohnkürzungen" gefordert.
Der Streik begann am Samstag um 22 Uhr und soll nach Gewerkschaftsangaben bereits heute um 22 Uhr beendet werden. Ob mit einer solchen eher symbolischen Aktion die belgische Regierung zu Zugeständnissen bewegt werden kann, erscheint äußerst fraglich. Offenbar versucht auch in Belgien die Gewerkschafts-Führung durch "Dampf-ablassen" die vom angekündigten Sozialabbau betroffene Mehrheit der Bevölkerung davon abzuhalten, sich mit einem unbefristeten Generalstreik effektiv zur Wehr zu setzen.
Nach wie vor agiert insbesondere der sozialdemokratisch orientierte Gewerkschaftsbund ABVV reformistisch. Dessen Vorsitzender Rudy De Leeuw betonte zwar, daß sich der Generalstreik auch gegen die EU und ihr "Spardiktat" richte, forderte aber zugleich "mehr Wachstum".
Anmerkungen
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