Die Bundesregierung dementiert zwar jegliche Absicht, mit den zusätzlichen Paragraphen im deutschen Atomgesetz die Möglichkeit zu einem Export von Atommüll zu schaffen. Bei der Bundespressekonferenz jedoch "zitierte" der Sprecher von Atom-Minister Altmaier einen Satz als dem Gesetzeswerk, der darin gar nicht zu finden ist.
Offenbar will die Bundesregierung mit der 14. Novelle des Atomgesetzes den Export von Atommüll aus deutschen Atomkraftwerken legalisieren. Atom-Minister Peter Altmaier dementiert eine solche Absicht. "Das ist der größte Unsinn, den ich jemals gehört habe," erklärte er heute. "Wir werden den hochradioaktiven Müll, der in Deutschland angefallen ist, auch in Deutschland entsorgen."
Da die verbrecherischen Konzerne, die an der Atomenergie verdienen, keinerlei Skrupel haben, radioaktiv verseuchte Gebiete in Ländern wie dem Tschad oder dem südkongolesischen Katanga zu hinterlassen, werden sie skrupellos auch ein juristisches Schlupfloch nutzen, um ihren für tausende Generationen gefährlichen, strahlenden Müll möglichst billig zu "entsorgen". AtomkraftgegnerInnen kritisieren es als "Dammbruch", wenn nun erstmals der Export von Atommüll legalisiert wird.
Angeblich soll mit der Atomgesetz-Novelle lediglich die europäische Richtlinie zur Atommülllagerung (2011/70/Euratom) von 2011 umgesetzt werden. Die Atom-Minister der EU-Staaten hatten in dieser Richtlinie bereits Formulierungen untergebracht, die vom Export von Atommüll handeln. Sowohl aus dem Europa-Parlament als auch aus der EU-Kommission wurde dies teils heftig kritisiert. Auch in dieser Richtlinie war bereits zur Beruhigung der Gemüter eine Formulierung eingebaut worden, die einen "grundsätzlichen" Vorrang für die "Endlagerung" im Herkunftsland des Atommülls vorsieht. In weiteren Sätzen folgen die Regelungen für den Export.
Rund 300.000 Tonnen hochradioaktiver Atommüll lagern nach Informationen der Umweltorganisation Greenpeace weltweit, ohne daß es dafür ein geeignetes Endlager gäbe. Die US-Regierung mußte die Pläne für ein Endlager im Yucca Mountain in der Nähe von Las Vegas aufgeben, weil das Oberste Gericht anhand wissenschaftlicher Expertisen eine Deponierung von Atommüll im dortigen Granit als zu unsicher erkannte.
Da bereits heute absehbar ist, daß sich auch in Deutschland kein Ort findet, wo radioaktiver Müll sicher deponiert werden könnte, ist es ein schlechter Witz, wenn jetzt davon die Rede ist, die "Entsorgung" deutschen Atommülls im Ausland trete "als eine mindestens gleichberechtigte Option" neben die "Endlagerung" im Inland. Zugleich heißt es, ein Export von Atommüll müsse an "hohe Sicherheitsstandards" und "völkerrechtliche Verträge mit anderen Staaten" geknüpft werden. Welchen Wert solche Zusicherungen haben, stellte sich in der Vergangenheit bereits des öfteren heraus, wenn hochgiftige Industrie- und Chemieabfälle aus reichen Staaten wie Deutschland, in offenen und völlig ungesicherten Deponien von Drittweltstaaten entdeckt wurden. Bereits heute bietet die russische Regierung an, Atommüll aus dem Ausland aufzunehmen. Die Duma hat bereits im Juni 2011 zusammen mit Präsident Wladimir Putin entschieden, daß die Einfuhr radioaktiven Materials "zum Zwecke der Zwischen- und Endlagerung und zur Wiederaufarbeitung" zulässig sei.
Die Firma Urenco, die die Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau betreibt, exportierte in den elf Jahren zwischen 1996 und 2007 21.000 Tonnen radioaktives und hochgiftiges Uranhexafluorid nach Sibirien. Das ZDF stellte im Juni 2007 in einem TV-Beitrag fest, daß die radioaktiven Abfallstoffe dort seit Jahren unter freiem Himmel lagerten und die Fässer vor sich hin rosteten. Die Kapazität der Urananreicherungsanlage Gronau mit rund 5.600 Tonnen pro Jahr reicht aus, um weltweit rund 36 Atomkraftwerke (mit jeweils rund 1000 MW) mit Uran-Pellets für Brennelemente zu versorgen.
Bezeichnender Weise hatten Umweltschutz-Verbände nur über die Weihnachtsfeiertage Zeit, Stellung zu dem Entwurf aus dem Ministerium Altmaiers zu beziehen. Die Frist endet schon an diesem Freitag. Bitten um eine Verlängerung lehnte das federführende Bundes-Atom-Ministerium ab. "Der Atommülltransfer wird legalisiert. Das ist ein Dammbruch," kommentierte Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg, einer der größten Initiativen im Widerstand gegen den seit langem wissenschaftlich als für ein Endlager untauglich erwiesenen Salzstock Gorleben.
Bereits vor zwei Jahren plante die "schwarz-gelbe" Bundesregierung, rund 950 alte Brennelemente aus dem DDR-Forschungsreaktor Rossendorf nach Rußland zu exportieren. Der Atommüll sollte ins russische Majak im Südural geschafft werden. Majak ist wegen der geringen Sicherheitsstandards weltweit bekannt. Der Protest gegen das Vorhaben war wie zu erwarten heftig. Der damalige Bundes-Atom-Minister Norbert Röttgen stoppte die Pläne. Der Atommüll aus Rossendorf blieb, wo er war - im Zwischenlager in Ahaus.
Doch die Versuchung ist offenbar auf beiden Seiten groß. "Rußland geht erstaunlich offen mit seinen geschäftlichen Interessen um, Atommüll zu importieren," sagt Tobias Münchmeyer, Atommüll-Experte von Greenpeace. Die Moskauer Zeitung 'Kommersant' berichtete im Juni 2010, daß sich mit der "Entsorgung" von 20.000 Tonnen Atommüll umgerechnet etwa 16 bis 20 Milliarden US-Dollar verdienen ließen. Selbst wenn Verträge abgeschlossen würden, die maximale Sicherheitsstandards vereinbarten - die Einhaltung der Vereinbarungen könnte in Rußland nicht neutral kontrolliert werden. Bekanntlich stehen ab einem gewissen Profit Sicherheitsstandards in Rußland nur auf dem Papier. Und in den meisten Staaten der Erde wären schriftliche Vereinbarungen zu Sicherheitsstandards noch wesentlich preiswerter zu erhalten als in Rußland.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Bundes-Atom-Minister Altmaier sagt:
"Ich stoppe Gorleben!" (30.11.12)
Bau-Stop in Gorleben
Bürgerinitiative feiert Sensation (13.11.12)
Greenpeace: Gorleben als Endlager
genügt nicht einmal behördlichen Sicherheitsstandards (26.09.12)
Im Salz unter Gorleben
wird illegal weitergebaut (20.08.12)
BI Lüchow Dannenberg warnt
vor neuem Endlagersuchgesetz (29.07.12)
Transparente Schweizer Endlager-Suche?
Illusion um Benken geplatzt (2.07.12)
Endlagersuche in der Schweiz
20 "Standortareale" - ein Ziel: Benken (19.01.12)
Gorleben: Atomarer Irrweg wird fortgesetzt
Weitere CASTOR-Transporte angekündigt (7.06.12)
"Versuchs-Endlager" Asse II
Rückholung des Atommülls weiter verzögert
BfS bereitet stattdessen Flutung vor (31.05.12)
BUND fordert Transparenz bei Endlagersuche
Transparenz bei einer Farce? (22.02.12)
Endlagersuche in der Schweiz
20 "Standortareale" - ein Ziel: Benken (19.01.12)
Röttgen verplappert sich:
Illegaler Bau im Gorlebener Salzstock (2.01.12)
Geologe warnt
vor geplantem "Endlager" Gorleben (13.12.11)
Bergung des Atom-Mülls aus Asse II
weiter verzögert
Bundes-"Umwelt"-Ministeriumn betreibt Obstruktion (8.12.11)
Strahlen-Skandal Gorleben
Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages
widerspricht Landesregierung (20.11.11)
Genehmigung für CASTOR-Transport
trotz Strahlen-Skandal (31.10.11)
Strahlen-Skandal in Gorleben
Grenzwert am Zaun bereits seit 2003 überschritten (30.09.11)
Radioaktiver Müll in Gorleben
hohe Strahlenbelastung am Zaun (25.08.11)
Atommüll-Endlager in Deutschland?
EU macht Druck (20.07.11)
Atommüll-Endlager in der Schweiz?
Unmögliches soll realistisch erscheinen (12.07.11)
13. CASTOR nach Gorleben
angekündigt (3.06.11)
Atom-Ausstieg in der Schweiz?
Regierung versucht Volksverdummung (26.05.11)
Gorlebener Salzstock vielfach angebohrt
Der Berg schlägt zurück (15.04.11)
Stark erhöhte Radioaktivität
im "Versuchs-Endlager" Asse II (14.04.11)
Drei Monate Denkpause
auch für Gorleben? (30.03.11)
"Versuchs-Endlager" Asse II
Wasserzutritt verdoppelt (15.12.10)
Erhöhte Krebs-Rate
um das "Versuchs-Endlager" Asse II (25.11.10)
Parteitag der Pseudo-Grünen
Gorleben als Verhandlungsmasse (21.11.10)
Neue wissenschaftliche Studie:
AKW und tote weibliche Embryos (19.11.10)
Akten über Explosion im Jahr 1969
Erdgas unter Gorleben (13.09.10)
Weiterer Erfolg des Gorleben-Widerstands:
Verwaltungsgericht Lüneburg stoppt Datensammlung (4.09.10)
CASTOR-GegnerInnen siegen
vor Bundesverfassungsgericht (26.08.10)
Der Endlager-Schwindel
Greenpeace veröffentlicht Akten zu Gorleben (13.04.10)
In Asse II wird probegebohrt
Weitere Zeitverzögerung vor der Rückholung (27.03.10)
Einsturzgefahr im "Versuchs-Endlager" Asse II
Atommüll wird rückgeholt (15.01.10)
Endlager-Standort Gorleben
Bei der Auswahl spielte Geologie kaum eine Rolle (10.01.10)
"Versuchs-Endlager" Asse II:
Mit Spezialbeton Hohlräume verfüllt (8.12.09)
"Versuchs-Endlager" Asse II:
Decke eingestürzt (9.10.09)
"Versuchs-Endlager" Asse II:
Rückholung des Atommülls laut Bundesamt möglich (2.10.09)
Verstärkter Laugeneinbruch
im "Versuchs-Endlager" Asse II (18.09.09)
Skandal-Serie Asse II: Noch mehr Plutonium
im "Versuchs-Endlager" (29.08.09)
Skandal-Serie Asse II:
Hochradioaktiver Müll im "Versuchs-Endlager"?
MONITOR veröffentlicht Siemens-Unterlagen (24.07.09)
Skandal-Serie Asse II:
Erneuter Fund radioaktiver Lauge (15.07.09)
Skandal-Serie Asse II:
Nun auch noch Sprengstoff (26.06.09)
Desinformation in der 'Badischen Zeitung'
Die Schweizer Endlager-Suche (18.06.09)
Asse II: Strom-Konzerne drückten
die Sicherheits-Standards (3.06.09)
Asse II: Mehr radioaktiver Müll als vermutet
Greenpeace findet Hinweise auf zu niedrige Angaben
in den Inventar-Listen (7.05.09)
Asse II: Einsturzgefahr in Kammer 7 akut
(29.04.09)
Asse II diente auch der Bundeswehr als Atomklo
Endlager-Skandal nimmt immer neue Dimensionen an (24.04.09)
Asse II: Auch Fässer mit Pestiziden,
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Lauge aus Atommüll-Lager Asse erneut nach 'Mariaglück'
Dringend nötige Rückholung weiter verzögert (7.02.09)
Einsturzgefahr im Atommüll-Lager Asse
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Asse II: Der Wechsel zum BfS ist nur Pop
Rückholung des radioaktiven Mülls bislang nicht geplant (5.09.08)
Gefahr durch atomares Versuchslager Asse II nicht länger geleugnet
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Wird das Bergwerk geräumt? (2.09.08)
Verdacht auf hochradioaktiven Müll im Versuchslager Asse II
"Brennstäbe in Blechdosen" (29.07.08)
Skandal-Grube Asse II
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Endlager-Pläne in Ton zerbröseln
Konsequenzen für Benken (Schweiz) und Bure (Frankreich)
(4.01.08)