3.03.2008

Mehrweg-Branche bricht zusammen

Trittin hinterläßt Umwelt-Desaster

Nicht nur mit dem Scheinerfolg eines "Atom-Ausstiegs", der sich immer deutlicher als Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke auf unbestimmte Zeit herausstellt, hinterläßt der von 1998 bis 2005 amtierende "Umwelt"-Minister Jürgen Trittin eine desaströse Bilanz. Auch in Hinblick auf sein damaliges Lieblingsthema, das "Dosenpfand", bei dessen Verfolgung er spätestens seit 2001 - gewollt oder ungewollt - mehr Chaos als Konstruktives produzierte, erweisen sich die Nachwirkungen seiner pseudo-grünen Politik als niederschmetternd.

Da Mehrweg für die KonsumentInnen kaum mehr von umwelt- schädigenden Einweg-Getränke-Verpackungen zu unterscheiden ist, werden immer mehr Einwegflaschen in Deutschland gekauft. Der sogenannte Consumer Scan der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) weist laut einer aktuellen Veröffentlichung für den Zeitraum von Januar bis Ende November 2007 eine Mehrweg-Quote bei alkoholfreien Getränken von nur noch 29,9 Prozent aus. Dies stellt einen Rückgang um rund fünf Prozent gegenüber 2006 dar.

Die Bundestagsfraktion der Pseudo-Grünen stellte im Januar 2008 eine Anfrage (16/7822) an die Bundesregierung, um die aktuelle Mehrweg-Quote zu erfahren. Sie ließ sich jedoch am 13. Februar mit einer Antwort abspeisen, aus der lediglich die Mehrweg-Quote des Jahres 2005 hervorgeht. Laut Bundesregierung lag diese in 2005 bei 56 Prozent und damit sogar noch 1,5 Prozent unter dem von uns recherchierten Wert (57,5 Prozent).* Über den Stand der Mehrweg-Quote in den Jahren 2006 und 2007 läßt die Bundesregierung in ihrer Antwort nichts verlauten. Statt dessen ist darin eine Beschwichtigungsformel zu finden, die wortgleich bereits vom früheren Sprecher Trittins, Michael Schroeren zu vernehmen war: "Wäre die Pfandpflicht nicht eingeführt worden, hätte der Mehrweganteil aber schon im Jahr 2005 deutlich unter 40 Prozent gelegen." Einen Beleg für diese Behauptung können weder Trittin noch sein Nachfolger Gabriel beibringen. In der diesbezüglichen Pressemitteilung der Pseudo-Grünen war dann am 13. Februar der hübsche aber folgenlose Satz zu lesen: "Es ist vernünftig, Mehrwegsysteme zu stützen, da damit nicht nur ökologisch verantwortlich gehandelt werde, sondern auch regionale Wirtschaftskreisläufe erhalten würden."

Für die mittelständische Getränkeindustrie, die weit überwiegend Mehrweg-Flaschen einsetzt, ist die aktuelle Entwicklung katastrophal. Ursächlich für die inzwischen nicht mehr zu leugnende Misere ist die von Trittin eingeführte Dosenpfand-Regelung. Die ursprüngliche Verordnung über die Vermeidung von Verpackungsabfällen (kurz: "Verpackungs-Verordnung"), verabschiedet im Juni 1991, zielte darauf ab, die Verwendung umweltverträglicher Stoffe bei der Herstellung von Verpackungen festzuschreiben und das Verpackungsaufkommen - also den Verpackungsmüll - zu minimieren. Diese vom damaligen "Umwelt"-Minister Klaus Töpfer unter Kanzler Helmut Kohl als Kompromiß geschaffene Regelung hätte zwar keine Verbesserungen gebracht, bei konsequenter Anwendung aber wenigstens ein weiteres Absinken der Mehrweg-Quote verhindern können. So wurde darin ein Grenzwert von 72 Prozent festgesetzt, den die Mehrweg-Quote nicht unterschreiten durfte.

"Durch die eingesparten Gebühren für den 'Grünen Punkt', durch Pfandschlupf und Recyclingeinnahmen für das sortenreine Verpackungsmaterial erzielen die Discounter jährliche Mehrerlöse von über 400 Millionen Euro. Mit diesem Geld können sie über Quersubventionen den Preis für Mineralwasser in Einwegflaschen künstlich niedrig halten", erklärt Andreas Rottke, Vorstandschef der Genossenschaft Deutscher Brunnen. Mit Quersubventionen können Discounter Mineralwasser in Einwegflaschen zu Dumping-Preisen anbieten. Umgerechnet auf den Literpreis kostet Mineralwasser bei den Discountern unter 15 Cent, während der Einzel- oder Getränkehandel mindestens 50 Cent für den Liter Mineralwasser in der Mehrwegflasche verlangen muß, um nicht rote Zahlen zu schreiben. Die rund 220 mittelständischen Mineralbrunnenbetriebe gehen einer nach dem anderen Pleite. Das umweltschonende Mehrweg-System wird so in kürzester Zeit zugrunde gerichtet.

Die aktuelle Entwicklung wirf auch ein Schlaglicht auf die Klimaversprechen des gegenwärtigen "Umwelt"-Ministers Sigmar Gabriel. Mineralwasser in PET-Kunststoff-Flaschen - wie es überwiegend bei den Discountern angeboten wird - belastet das Klima mit fast doppelt so hohen Kohlendioxid-Emissionen wie dasselbe Getränk in einer Mehrweg-Flasche. Doch Sigmar Gabriel schaut dem tatenlos zu und redet sich damit heraus, daß eine Überprüfung der Quoten und der Ökobilanzen der einzelnen Verpackungsarten erst im Jahr 2010 anstehe.

Auch der Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke (WAFG), Werner Witting, erklärt, mittlerweile sei endgültig bewiesen, daß das von Trittin eingeführte Einwegpfand sein Ziel weit verfehlt habe und kein Mittel sei, um Mehrweg zu retten. Er warnt: "Viele mittelständische Betriebe sind in ihrer Existenz gefährdet, weil sie aus Kostengründen nicht einfach von Mehrweg auf Einweg umrüsten können."

In den Mainstream-Medien wird dagegen immer wieder das von Trittin eingeführte "Dosenpfand" als Erfolg verkauft. So feierte beispielsweise die 'Badische Zeitung' in einem Artikel am 4. Januar das "Ende der Getränkedose". Nur nebenbei wird erwähnt: "Einwegflaschen werden trotzdem mehr denn je gekauft." Daß daher die Umwelt-Bilanz von Trittins Politik in diesem Bereich negativ ausfallen muß, bleibt ausgespart. Frech heißt es gar: "Umweltschützer ziehen dennoch eine positive Bilanz." Zitiert wird jedoch lediglich Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) mit der Aussage, daß zumindest "ein Ziel erreicht" sei. Von der DUH ist allerdings kaum Kritik an Trittin zu erwarten, da es sich bei deren Bundesgeschäftsführer Rainer Baake um einen ehemaligen Staatssekretär von Trittin handelt.

Um den politischen Klamauk, der jahrelang zum Schaden des Mehrweg-Systems veranstaltet wurde, nachvollziehen zu können, sei Trittins "Dosenpfand"-Politik hier einmal chronologisch aufgezeichnet:

Bereits 1998, beim Regierungsantritt von "Rot-Grün" war die auf 72 Prozent festgelegte Mindestquote für Pfandflaschen längst unterschritten. Von 70 Prozent fiel sie bis 2001 rapide auf 63 Prozent, doch zunächst geschah nichts.

Im Jahr 2000 war aus dem Umweltministeriunm zu vernehmen, das Dosenpfand käme im Sommer 2001. Böse Zungen behaupteten schon damals, spätestens im Sommer 2001 käme das Dementi.

Bereits im Februar 2001 hieß es dann, das Pfand für Dosen und Einwegflaschen werde zum 1. Januar 2002 eingeführt.

Ende Februar 2002 war dann den Medien zu entnehmen, "das umkämpfte Dosenpfand kann noch im Herbst kommen." Zugleich hieß es jedoch, daß vor der Bundestagswahl im September nicht mehr damit zu rechnen sei. So waren also vier wertvolle Jahre vertan, ohne daß die Zerstörung des Mehrweg-Systems auch nur im geringsten gebremst worden wäre.

Nach der Bundestagswahl tönte Trittin, unweigerlich zum 1. Januar 2003 käme nun das Dosenpfand. Doch die Industrie nahm das nicht ernst - wie auch - und erklärte sich nicht in der Lage, bis zum 1. Januar die nötigen technischen Voraussetzungen zu schaffen. Trittin zeigte sich sehr, sehr wütend.

Im Dezember 2002 versprachen die Verbände, bis zum 1. Oktober 2003 ein bundesweit einheitliches Rücknahmesystem für bepfandete Einwegflaschen und Getränkedosen einzuführen. Gerührt versprach Trittin die Duldung einer Übergangslösung.

Bereits im Juni 2003 stoppte der umweltfeindliche Teil der deutschen Getränkeindustrie das zugesagte Rücknahmesystem für Dosen und Plastikflaschen und ging erneut vor Gericht. Noch im selben Monat erklärte das Verwaltungsgericht Berlin die Pfandpflicht auf Einweggetränke-Verpackungen erneut für rechtmäßig. Schon zu diesem Zeitpunkt erschien fraglich, ob sich die Blech- und Plastik-Truppe davon beeindrucken lassen würde, zumal sie allein seit Anfang 2002 - nur mal die Gerichts-Verfahren gegen den Bund gerechnet - bereits 16 mal abgeschmettert worden war.

Dennoch vereinbarte Trittin im Juli 2003 nur mit einem Teil der deutschen Dosen-Branche den Aufbau des Rücknahme-Systems. Derweil wurde bekannt, daß die Mehrweg-Quote im Jahr 2002 bereits auf 56 Prozent gefallen war.

Im September 2003 kündigte die Handelskette 'Spar', die zuvor versprochen hatte, zum 1. Oktober das Rücknahme-System einzuführen, öffentlich an, das gesetzlich vorgeschriebene einheitliche Dosenpfand zum 1. Oktober zu ignorieren. Trittin schwieg dazu.

Zum 1. Oktober 2003 kam daher kein einheitliches Pfand-System zustande, sondern ein Chaos aus verschiedenen Rücknahme-Systemen - teils mit Pfand-Zetteln - und Insel-Lösungen. So konnten die VerbraucherInnen das Pfand für ihre leeren umweltschädlichen Behälter nur dort zurückfordern, wo sie sie gekauft hatten.

Für Europa war dieses "deutsche Modell" alles andere als akzeptabel. So provozierte Trittin eine Initiative des damaligen EU-Binnenmarktkommissars Frits Bolkestein wegen einer "Benachteiligung europäischer Bierproduzenten auf dem deutschen Markt". Selbstverständlich sei niemand gegen ökologische Zielsetzungen...

Im Januar 2004 wurde bekannt, daß trotz des Chaos beim Dosenpfand die Mehrweg-Quote, die bis Dezember 2002 bis auf 50,2 Prozent abgerutscht war (Jahresdurchschnitt 2002: 56 Prozent) sich in 2003 immerhin auf 61 Prozent stabilisieren konnte. Die Trittin nahestehende DUH prognostizierte für 2004 einen Anstieg auf 64 Prozent. Zugleich mußte jedoch mit der Einführung der PET-Kunststoffflaschen als angebliche Mehrwegflaschen ein weiterer Rückschlag für die Umwelt beobachtet werden.

Bis zur vorgezogenen Bundestagswahl im September 2005 herrschte eine Art Nachrichtensperre, denn Daten zur Mehrweg-Quote waren nicht mehr öffentlich zugänglich. Erst danach wurde bekannt, daß die Mehrweg-Quote nicht etwa - wie von der DUH erwartet - weiter gestiegen, sondern 2004 auf 59 und 2005 auf 56 Prozent gefallen war.

So war also bereits Ende 2005 erkennbar, daß Trittins spätes Eingreifen nicht etwa zur dringend nötigen Trendwende, sondern lediglich zu einem einmaligen kurzfristigen Anstieg der Mehrweg-Quote im Jahr 2003 geführt hatte, dem der weitere jähe Absturz folgen sollte.

Dennoch meldete die 'taz' am 24. April 2006 in Anlehnung an "grüne" Wahlwerbung: "Dosenpfand wirkt - Mehrwegquote steigt." Wie die 'taz' zu der Behauptung kam, die Mehrweg-Quote läge "deutlich über 60 Prozent", war nie zu erfahren. Tatsächlich lag die Mehrweg-Quote inzwischen deutlich unter 50 Prozent. Sie war von 56 Prozent im Jahr 2005 auf 44,5 Prozent abgerutscht. So zeichnete sich bereits ab, daß der pseudo-rote Gabriel fürs Mehrweg-System ebenso hilfreich ist wie der pseudo-grüne Trittin.

Im Januar 2007 wurde bekannt, daß die Mehrweg-Quote im Dezember bereits auf 41,1 Prozent abgestürzt war. Mit Pfandeinnahmen über die nicht zurückgebrachten Einwegflaschen erwirtschafteten derweil die Discounter Aldi, Lidl, Penny und Co mit dem Segen der Bundesregierung eine Spanne von über 40 Prozent.

Bis Mitte 2007 fiel die Mehrweg-Quote auf 33 Prozent. Damit war sie seit der Einführung des "Dosenpfands" im Jahr 2003 um fast die Hälfte zurückgegangen. "Damit hat die neue Pfandregelung ihr Ziel komplett verfehlt", kommentierte Werner Witting, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke (WAFG).

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkung

* Nach den damals zur Verfügung stehenden Daten ergaben unsere Berechnungen einen Wert von 57,5 Prozent für 2005. Der Wert von 56 Prozent für 2005 beruht auf aktuellen Angaben der Bundesregierung.

Bisher erschienen bei uns zum Thema folgende Artikel:

neuronales Netzwerk