Durch die "schwarz-rot-gelb-grüne" Gesetzgebung der vergangenen Jahre wurde der Druck auf die BürgerInnen, sich nicht mehr für die Energie-Wende in Genossenschaften zu organisieren, massiv erhöht. Nach einer aktuellen Untersuchung ist die Zahl der Neugründungen innerhalb von drei Jahren um 85 Prozent gesunken.
Das Bündnis Bürgerenergien (BBEn) hat in einer Untersuchung durch die Leuphana Universität Lüneburg einen drastischen Rückgang der jährlichen Neugründungen von Energie-Genossenschaften festgestellt. Während 2011 noch 194 Neugründungen verzeichnet wurden, waren es 2014 nur noch 29 - ein Rückgang um 85 Prozent. Das Bündnis Bürgerenergie macht die Politik der Bundesregierung hierfür verantwortlich. Der Vorsitzende des Bündnisses Dr. Thomas Banning, sprach von einem "Anti-Bürgerenergie-Kurs".
Als Ursache für die negative Entwicklung macht die Untersuchung zwei "Reformen" aus: Die Änderungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) seit 2012 bewirken einen massiven Rückgang der Fördergelder und "komplizierte Ausschreibungs-Verfahren". Hierdurch haben besonders Photovoltaik-Projekte an Attraktivität verloren. Hinzu kommt die Verabschiedung des Kapitalanlagengesetzbuches (KAGB), das seit 2013 für Unsicherheit in der Rechtslage sorgt.
Besonders die erst kürzlich vorgenommene Umstellung auf Ausschreibungs-Verfahren wird von VertreterInnen der Erneuerbare-Energien-Branche als Sabotage gewertet: "Wenn man für die Beschreibung eines einfachen, transparenten und verständlichen Ausschreibungsdesigns 100 Seiten braucht, dann ist es meiner Ansicht nach nur noch zynisch, von Einfachheit zu sprechen," kritisierte Nicolai Ferchl von der Heidelberger Energie-Genossenschaft (HEG) auf dem 'Bundeskongreß genossenschaftliche Energie-Wende' die Ausschreibungs-Pflicht.
Die Umstellung von der äußerst erfolgreichen Einspeise-Vergütung auf Ausschreibungen soll laut regierungsamtlicher Propaganda Kosten senken. "Alle Studien über die Erfahrungen im Ausland beweisen das Gegenteil," sagt Rechtsanwalt Dr. Thorsten Gottwald, der Unternehmen und Privatpersonen im Bereich erneuerbare Energien rechtlich vertritt. "Tatsächlich soll diese Systemveränderung die Bürger und deren Energie-Genossenschaften aus dem Markt ausschließen. Das Kalkül der Bundesregierung ist klar: Energie-Genossenschaften werden abgeschreckt und immer teurer anbieten als Großunternehmen."
Auch die Änderungen beim Kapitalanlagengesetzbuch müssen im Zusammenhang der Sabotage der erneuerbaren Energien gesehen werden, die innerhalb von nur zwei Jahren zur Vernichtung von über 100.000 Arbeitsplätzen geführt hat. Hier kommt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ins Spiel. Das BBEn verurteilt die jetzt zu beobachtende Praxis scharf: "Die BaFin wertet Investitionen, die im Einklang mit dem Genossenschaftsgesetz stehen, als Verstoß gegen das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB). Sie setzt damit substantielle Teile des Genossenschaftsgesetzes außer Kraft und schränkt die Handlungsfähigkeit von Genossenschaften existentiell ein." Im Dezember 2104 hat das BBEn befragt, wie die BaFin das KAGB bei Energie-Genossenschaften auslegt. Das Fazit: Das KAGB hat katastrophale Folgen für die Genossenschaften: "Die Situation ist äußerst ernst," so Dr. Verena Ruppert vom Vorstand des BBEn.
Die BaFin greift zudem in Genossenschafts-Satzungen ein, die einen politischen Willen ausdrücken. Von mehreren Energie-Genossenschaften forderte sie, Passagen aus der Satzung zu streichen, die eine Beteiligung an Unternehmen untersagen, die Strom aus Atomkraft herstellen oder vertreiben. "Es ist skandalös, wenn die BaFin versucht, durch Einmischung das Selbstverständnis von Genossenschaften zu unterlaufen, indem sie sich für Anliegen des Finanzmarktes und Interessen der großen vier Energie-Versorgungs-Unternehmen verwenden läßt," kritisiert das BBEn.
Der nächste Sabotage-Akt ist bereits in Sicht: Die Bundesregierung beabsichtigt mit der Novelle des Kleinanlegerschutzes weitere Hürden gegen das bürgerschaftliche Engagement in Genossenschaften aufzurichten. Dabei waren es gerade Genossenschaften, die in den vergangenen Jahrzehnten auf der Grundlage des Genossenschaftsgesetzes Kleinanleger optimal schützten. Die Insolvenz-Quote von Genossenschaften liegt seit vielen Jahren im Promille-Bereich.
Große Dach-Photovoltaik-Anlagen mit 400 bis 500 Kilowatt-Peak sind insbesondere für Mehrfamilienhäuser interessant. MieterInnen können dabei nicht nur Direkt-VerbraucherInnen, sondern auch MiteigentümerInnen der PV-Anlagen werden, wenn sie sich an einer Genossenschaft beteiligen. Ursprünglich waren Erneuerbare-Energie-Genossenschaften reine Energie-Erzeugungs-Genossenschaften. Mittlerweile sind sie gezwungen, zusätzlich die Vermarktung zu organisieren. Eine mögliche Gegen-Strategie zu dieser Sabotage stellt die Gründung von Bürgerenergie-Gesellschaften dar: Im Verbund ist es zudem leichter in Ausschreibungs-Verfahren in Konkurrenz zu den "Großen Vier" Zugang zu Fördermitteln zu erhalten.
Die Entwicklungen der vergangenen Jahre müssen daher keineswegs das Ende der Energie-Genossenschaften zu Folge haben. Intelligente neue Geschäftsmodelle können in Zukunft entscheidend sein, ob auch in Deutschland die Energie-Wende durchgesetzt werden kann. Denn diese kann nur dezentral realisiert werden - oder sie wird abgewürgt.
Anmerkungen
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