Beim Melbourne Mercer Global Pension Index 2012 schnitt das deutsche Rentensystem im direkten Vergleich von 18 Staaten schlecht ab und erreichte lediglich Platz 12. Über das beste Rentensystem verfügt demnach Dänemark. Die USA erreichten immerhin den neunten Platz.
Das Ranking wurde vom internationalen Beratungsunternehmen Mercer gemeinsam mit dem Australian Centre for Financial Services (ACFS) erstellt. Dabei wurden die Rentensysteme von 18 Staaten in Hinblick auf ihre Angemessenheit, Nachhaltigkeit und Integrität unter die Lupe genommen. Berücksichtigt wurden jeweils sowohl die staatlichen Rentensysteme, als auch die ergänzende betriebliche Altersversorgung.
Die ersten drei Plätze erreichten Dänemark, die Niederlande und Australien. Auf Platz 4 folgt mit Schweden ein weiterer skandinavischer Staat. Neben den USA (Rang 9) erreichten andere europäische Staaten wie die Schweiz, Großbritannien und Polen bessere Wertungen als Deutschland.
Bei der Bewertung gingen drei Teilbereiche mit einer unterschiedlichen Gewichtung ein: Angemessenheit (40 %), Nachhaltigkeit (35 %) und Integrität (25 %). Unter dem Kriterium "Angemessenheit" wurden die derzeit gewährten Versorgungsleistungen und einige Charakteristika wie Versorgungsniveau, steuerliche Anreize und Sparquote untersucht. Unter dem Gesichtspunkt "Nachhaltigkeit" wurde in dieser Studie untersucht, inwiefern das betrachtete Rentensystem auf die zukünftige Entwicklung vorbereitet ist. Hierbei gingen Faktoren wie Rückdeckung, Finanzierung, Demographie, Staatsverschuldung und flexible Arbeitszeitmodelle für ältere Beschäftigte in die Bewertung ein. Der Subindex "Integrität" bewertet den Bereich der Privatvorsorge und untersucht, wie beständig und "vertrauenswürdig" das Vorsorgesystem ist. Berücksichtigt werden dabei die staatliche Aufsicht, Governance, Risikosteuerung und Kommunikation. Würde lediglich die materielle Versorgungsleistung (unter dem Kriterium "Angemessenheit") betrachtet, fände sich Deutschland auf Rang 10 und Frankreich würde vom 14. auf den 3. Rang hochrutschen.
Die "Nachhaltigkeit" wird in dieser Studie gemäß den seit einiger Zeit dominierenden neoliberalen ökonomischen Standards und hauptsächlich vor dem Hintergrund der "demoskopischen Entwicklung" betrachtet. Auf Grund der schlichten - und nicht zu leugnenden - Erkenntnis, daß der Anteil der Alten an der Gesamtbevölkerung heute größer ist als vor zehn oder zwanzig Jahren, wird gefolgert, die jungen Generationen müßten bei gleichbleibend hohen Ansprüchen der Alten immer stärker durch die Bürde des Rentensystems belastet werden. Doch diese scheinbar logische Schlußfolgerung ist falsch.
Die Produktivität ist in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland weitaus stärker gewachsen als der Anteil der Alten in Bezug auf die Gesamtbevölkerung. So wuchs etwa laut offiziellen Statistiken die Produktivität in der Dekade von 1990 bis 2000 um 73,7 Prozent. Dies bedeutet theoretisch, daß der gesamtwirtschaftliche "Kuchen" mehr als genug gewachsen ist, um ohne Probleme 30 Millionen RentnerInnen zu versorgen. Theoretisch - denn der Produktivitätszuwachs schlug negativ auf den Arbeitsmarkt durch. Ein Produktivitätszuwachs von 73,7 Prozent bedeutet zugleich, daß für die selbe Wertschöpfung, die im Jahr 1990 noch 100 Menschen erwirtschafteten, im Jahr 2000 nur noch 56 Menschen benötigt wurden. Die Folge war ein stetiger Anstieg der Erwerbslosenzahl und damit eine Schwächung der Gewerkschaften. Und dies wiederum ist die Ursache für die seit zwei Jahrzehnten in Deutschland sinkenden Reallöhne (Siehe hierzu unseren Artikel Reallöhne in Deutschland sinken weiter).
Der von der Mehrheit erwirtschaftete "Kuchen" verteilte sich zu immer größeren Teilen auf wenige Prozent der Gesellschaft. Wie auch die Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) feststellte, vertiefte sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten die Einkommenskluft zwischen Arm und Reich - insbesondere in Deutschland. Laut den Zahlen der OECD verdienten die zehn Prozent der Deutschen mit den höchsten Einkommen im Jahr 2008 etwa achtmal so viel wie die untersten zehn Prozent. In absoluten Zahlen: Die Nettobezüge der oberen zehn Prozent beliefen sich auf durchschnittlich 57.300 Euro im Jahr, die der unteren zehn Prozent hingegen auf nur 7.400 Euro (ohne staatliche Hilfsleistungen). Anfang der 1990er-Jahre hatte das Verhältnis noch bei sechs zu eins gelegen. Das gesamte Geld- und Sachvermögen in Deutschland beträgt rund 6 Billionen Euro. Hiervon besitzen 70 Prozent nur 9 Prozent, während die oberen zehn Prozent der Deutschen über mehr als 60 Prozent dieses Vermögens verfügen (Siehe hierzu unseren Artikel DIW-Studie zum Vermögen in Deutschland).
Während noch vor 30 und 40 Jahren der gesamtgesellschaftlich wachsende Wohlstand Dank der Macht der Gewerkschaften zu großen Teilen darauf verwendet werden konnte, den sogenannten Sozialstaat auszubauen, hat sich diese Entwicklung in den vergangenen zwei Jahrzehnten ins Gegenteil verkehrt. Das obere Drittel der Gesellschaft, das in immer höherem Maße den Produktivitätszuwachs in die eigenen Taschen umleitete, zahlt zugleich immer weniger Steuern und ist immer weniger bereit, die Last der Sozialausgaben mitzutragen. Eine Folge hiervon war, daß unter "Rot-Grün" die paritätische Finanzierung der Renten (das heißt: je zur Hälfte von Kapital und Arbeit) abgeschafft wurde.
Auch folgende Überlegung macht klar, daß die These falsch ist, es sei nicht genügend Geld für die Finanzierung der Renten vorhanden oder die Belastung der jüngeren Generationen würde zwangsläufig steigen: Stellen wir uns einmal eine Gesellschaft mit einer "günstigeren" Altersstruktur vor. Die gesamte Wertschöpfung und die Anzahl der Arbeitsplätze würde sich hierdurch nicht verändern, aber eine größere Anzahl jüngerer Menschen müßte um die selbe Anzahl an Arbeitsplätzen konkurrieren. Es gäbe weniger RentnerInnen - dafür aber entsprechend mehr Erwerbslose. Die Belastung der Sozialkassen wäre daher eher höher als niedriger. Dies zeigt, daß es sich nicht etwa um einen Verteilungskampf zwischen Alt und Jung, sondern um den zwischen Oben und Unten handelt. Alt und Jung schwächen dabei ihre Position, wenn sie sich gegeneinander ausspielen lassen.
So blamabel das Ergebnis des Melbourne Mercer Global Pension Index 2012 für Deutschland ist -
die vorliegende Studie zeigt, daß Deutschland nicht etwa in der Entwicklung hinterher hinkt. Der Abbau des Sozialstaates hierzulande - hauptsächlich durch die "rot-grüne" Agenda 2010 - ist lediglich weiter fortgeschritten als in anderen Industrienationen.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Massenproteste in Spanien
gegen Sozialabbau und Banken-Rettung (20.07.12)
IG Metall Pilot-Tarifabschluß
Eis in der Sonne (20.05.12)
Erneut Rentenkürzung
Inflation bei über 2,5 Prozent (13.03.12)
Sozialabbau trifft Frauen härter
Was gibt's Neues zum Internationalen Frauentag? (8.03.12)
Was macht den Menschen gierig?
"Denn wo dein Schatz ist..." (27.02.12)
Studie zu "Babyboom"-Jahrgängen
Besonders Frauen erwartet Altersarmut (15.02.12)
Hartz IV
Kafkaeske Situation beim Sozialgericht (12.01.12)
OECD-Bericht
Kluft zwischen Arm und Reich wächst (5.12.11)
Reallöhne in Deutschland sinken weiter
Zuwächse von Inflation ausgefressen (5.11.11)
Renten: Minus auch in 2012
Inflation offiziell bei 2,5 Prozent (28.10.11)
Trotz Lohnerhöhungen:
Inflation bewirkt Minus (6.07.11)
Sozialabbau -
Renten seit 2001 real gekürzt (5.07.11)
Sozialabbau: Bufdis
bekommen weniger als Zivis (30.06.11)
Bundestagsabgeordnete wollen
mehr Diäten (27.06.11)
Starke Zunahme von "400-Euro-Jobs"
von "Rot-Grün" verursacht (27.04.11)
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50 Milliarden Euro
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(2.08.10)
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Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter (19.01.10)
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Zur aktuellen Diskussion um die Rente mit 67 (15.10.07)