18.08.2008

Mehrweg bald am Ende

Neue Zahlen beweisen Desaster

Die von "Umwelt"-Minister Trittin beschleunigte Zerstörung des umweltfreundlichen Mehrweg-Systems geht ihrem Ende entgegen. Von 44,5 im Jahr 2006 ist die Mehrweg-Quote mittlerweile auf 28 Prozent abgerutscht.

Mehrweg-Quote 1990 - 2008

Von Trittins Vorgänger Töpfer war 1991 in der Verpackungs- Verordnung ein Grenzwert für die Mehrweg-Quote von 72 Prozent festgelegt worden. Die Quote gibt den Anteil von Mehrweg- Verpackungen an sämtlichen Getränke-Verpackungen in Prozent an. Es sollten also nicht weniger als 72 von hundert im Einzelhandel verkauften Getränken in Mehrweg-Glasflaschen oder vergleichbar umweltfreundlichen Verpackungen verkauft werden. Bei Unterschreitung dieses Grenzwerts drohte die Verpackungs- Verordnung mit einem "Zwangspfand" auf Einweg-Verpackungen. Das "Dosenpfand" war also keineswegs - wie immer wieder kolportiert - eine Idee Trittins.

Obwohl der Grenzwert von 72 Prozent bereits zu Beginn der "rot-grünen" Koalition 1998 unterschritten war, unternahm "Umwelt"-Minister Trittin - entgegen der rechtskräftigen Verpackungs-Verordnung - jahrelang nichts, um das Mehrweg-System zu retten. Ebenso hält sich seit nunmehr drei Jahren "Umwelt"-Minister Gabriel in der Deckung. Trittin hatte lediglich im fünften Jahr von "Rot-Grün" mit der ausgesucht unpraktikabelsten Realisierung des Dosenpfands ein solches Chaos inszeniert, daß die Mehrweg-Quote in den darauffolgenden Jahren mit um so größerem Tempo schrumpfte. Wie zum Hohn setzte Trittin 2003 zugleich den Grenzwert der Mehrweg-Quote von 72 auf 80 Prozent herauf.

Viele Unternehmen der Getränkebranche kritisieren mittlerweile ohne jegliche Zurückhaltung gegenüber den lange Zeit als Umwelt-Partei geltenden Pseudo-Grünen die Zerstörung des jahrzehntelang funktionierenden Mehrweg-Systems. Nachdem jahrelang von Trittin und dessen Nachfolger Gabriel aktuelle Zahlen über die Mehrweg-Quote unterdrückt worden waren, wurde nun durch eine Meldung der Zeitung 'Die Welt' bekannt, daß die Mehrweg-Quote bei alkoholfreien Getränken im ersten Halbjahr 2008 bei 27 Prozent angelangt ist. Das Nürnberger Marktforschungsunternehmen GfK, das solche Daten ansonsten nur zu Preisen ab 300 Euro aufwärts verkauft, bestätigte heute (Montag) die Zahl. Zu berücksichtigen ist allerdings eine nach wie vor hohe Mehrweg-Quote bei Bier (83 Prozent), so daß die Mehrweg-Quote insgesamt - also der nach Verkaufsmengen gewichtete Durchschnitt für sämtliche Getränke - noch ein wenig höher als 27 Prozent liegen dürfte.

Mit einem Anteil von 63 Prozent sind mittlerweile Einweg-Flschen aus Plastik die mit Abstand meistgenutzte Verpackungsart bei alkoholfreien Getränken. Danach folgen laut GfK-Berechnungen Plastik-"Mehrweg" mit 13,7 Prozent und Glas-Mehrweg mit 13,5 Prozent. Glas-Einweg, Kartons und Dosen spielen nur eine untergeordnete Rolle.

Mit diesen Zahlen konfrontiert meinte Gabriel gegenüber der 'Welt': "Natürlich ist die Entwicklung bei den alkoholfreien Getränken unerfreulich." Allerdings versuchte er das Desaster zu beschönigen: "Die nicht eingetretene Lenkungswirkung in Richtung Mehrweg ist aber nur ein Aspekt." Immerhin habe das Einwegpfand die Verschmutzung der Landschaft verringert und Stoffkreisläufe optimiert.

Werner Wittimg, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke (WAFG), kommentiert ohne Umschweife: "Die Politik hat ein funktionierendes System ohne Not kaputtgemacht und damit ein Desaster angerichtet." Der Verband befürchtet nach eigenen Angaben in den kommenden Monaten eine Pleitewelle bei mehrweg-orientierten Getränkeherstellern.

"Viele mittelständische Betriebe sind bereits in Existenznot geraten, weil sie aus Kostengründen nicht einfach von Mehrweg auf Einweg umstellen können", erklärt Witting. Damit gefährde die Entwicklung Tausende von Arbeitsplätzen. Die WAFG sieht zudem den freien Fall der Quoten noch nicht gestoppt.

Gefördert haben Trittin und Gabriel vor allem Discounter wie Aldi und Lidl, die beispielsweise beim Wasser inzwischen einen Marktanteil von 54,4 Prozent erobert haben. Wer dort einkauft hat keine Wahl: Die externalisierten Kosten für die dort ausschließlich angebotenen Einwegflaschen zahlt die Umwelt. Mineralwasser in PET-Kunststoff- Flaschen - wie es überwiegend bei den Discountern angeboten wird - belastet das Klima mit fast doppelt so hohen Kohlendioxid-Emissionen wie dasselbe Getränk in einer Mehrweg-Flasche.

Zudem ist die Verwirrung unter den KonsumentInnen perfekt: Viele meinen, das Pfand signalisiere generell Mehrweg und daher Umweltfreundlichkeit. Auch haben die Pseudo-Mehrweg-Flaschen aus Plastik, die allenfalls fünf bis sechs mal wiederbefüllt werden können, die Unterscheidung zwischen Einweg und Mehrweg erschwert.

Über 34.000 Arbeitsplätze in der Mehrwegbranche sind gefährdet. Die gesamte Mineralbrunnen-Branche ist in eine kritische Lage geraten. Die Preise für Mineralwasser haben in den vergangenen Jahren stetig nachgegeben. Aldi und Lidl verkaufen zur Zeit eine 1,5-Liter-Flasche für 19 Cent - billiger als das Pfand, das pro Einwegflasche erhoben wird.

Zurzeit bangen die Beschäftigten des Abfüllbetriebs der Mineralbrunnen AG in Waiblingen-Beinstein um ihre Arbeitsplätze. Ein Gutachter soll entscheiden, ob der Traditionsbetrieb, der Mineralwasser in Mehrweg-Glasflaschen abfüllt, eine Zukunft hat. Der Bundesverband des Getränkefachgroßhandels rechnete unlängst vor, daß von der Mineralwasserproduktion in Deutschland 18.000 Stellen abhängen, von der Softdrinkproduktion 16.000 Stellen. Setze sich die Einwegflasche durch, könnten bis zu 80 Prozent der Stellen wegfallen, so der Bundesverband. Anlagen für Einwegverpackungen erforderten weniger Personal, zudem entfalle die aufwendige Reinigung der Flaschen.

Einen derart auffälliger Preisunterschied zwischen Discountern und dem Getränkehandel wie bei Getränken mit einem Faktor von 4,5 findet sich in keinem anderen Zweig der Lebensmittelbranche. Die Politik liefert den Discountern ein kostenloses Kundenbindungsprogramm. Normalerweise kalkulieren diese Konzerne einen Erlös von 10 Prozent. Mit den Pfandeinnahmen über die nicht zurückgebrachten Einwegflaschen erwirtschaften die Discounter mit dem Segen der Bundesregierung eine Spanne von über 40 Prozent. Durch die eingesparten Gebühren für den Grünen Punkt, durch Pfandschlupf und Recycling-Einnahmen für das sortenreine Verpackungsmaterial erzielen die Discounter nach Berechnungen von BranchenexpertInnen jährliche Mehrerlöse von über 400 Millionen Euro. Mit diesem Geld können sie über Quersubventionen den Preis für Mineralwasser in Einwegflaschen künstlich niedrig halten.

Forderungen von Umweltverbänden nach staatlichen Eingriffen wie beispielsweise eine Klima-Abgabe auf Einweg-Verpackungen stoßen derzeit bei Gabriel auf taube Ohren. Laut "Umwelt"-Ministerium sollen erst offizielle Erhebungen der Mehrweg-Quote für die Jahre 2007 und 2008 abgewartet werden. Diese werden jedoch erst in einem beziehungsweise zwei Jahren vorliegen.

 

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Anmerkung

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