Wenig mehr als warme Worte für MilchbäuerInnen
Der Gemeinderat Bad Peterstal-Griesbach sagte den örtlichen MilchbäuerInnen kürzlich in seiner Sitzung umfassende Hilfe zu. Doch was haben sie davon zu erwarten? Einen Brief an die Bundeskanzlerin und eine Kuh-Statue am Ortseingang...
Wenn Verena Huber den Worten von Gemeinderäten aller Couleur in der Kurgemeinde Glauben schenken darf, bereitet die Lage der MilchbäuerInnen ihnen große Sorgen. Verena Huber, Besitzerin von 30 Milchkühen in Bad Peterstal, berichtete den VolksvertreterInnen vom Ende der Mengenregulierung und daß seitdem die Preise purzeln. Die MilchbäuerInnen im hinteren Renchtal haben nach ihren Angaben mehr Ausgaben als Einnahmen über die Milchproduktion. Huber berichtete von "drei heißen Wochen", die hinter ihr lägen. Die deutschen MilchbäuerInnen unterstützten die Streiks der französischen MilchbäuerInnen und protestierten gemeinsam mit ihnen am 10. September auf der Rheinbrücke in Kehl. Am 24. September nahmen sie an der Blockade des "Offenburger Eies" teil, anschließend kämpften sie in Grafenweiler für höhere Milchpreise. "Wir haben das vor- und nachgelagerte Gewerbe angesprochen", informierte Verena Huber weiter, "ob Landmaschinenhändler oder Tierärzte - man steht hinter uns."
Die Milchbäuerin macht auch keinen Hehl daraus, daß sie sich Gerd Sonnleitner, dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, keine Unterstützung erhofft und dessen Agieren eher als hinderlich für einen Erfolg der MilchbäuerInnen betrachtet. Einzelne GemeinderätInnen schlagen in die Kerbe und vermuten, daß der Bauernverband kein Interesse am Erhalt der Milchviehhaltung im Schwarzwald habe. Der Interessenkonflikt zwischen der industriellen Landwirtschaft, die der Deutsche Bauernverband vertritt, und den kleinen LandwirtInnen, die in ihrer Abhängigkeit von Molkereien und Lebensmittelhandel kaum mehr besser als Lohnabhängige dastehen, kommt mittlerweile auch auf den Dörfern im Schwarzwald zur Sprache.
Mit "großem Ernst" werden alle Argumente, die längst in den Mainstream-Medien von vorn und von hinten beleuchtet wurden, einmal mehr durchgekaut. Seltverständlich ist allen mittlerweile klar, daß mit der Existenz der MilchbäuerInnen "das höchste Gut der Kurgemeinde steht und fällt" und daß die offene Landschaft nicht zuletzt für den Tourismus und die Kurgäste unabdingbare Voraussetzung ist. Es sei für die Gemeinde nicht zu leisten, die Landschaft aus eigener Kraft offen zu halten. 40 bis 50 Hektar Wiese seien zu pflegen. Bürgermeister Johann Keller wetterte gegen die Agrarpolitik. Sie würde in keiner Weise die besonderen Bedingungen der Milcherzeugung im Schwarzwald berücksichtigen. Wenn nur Betriebe überleben, die Milch günstig in Massen produzieren, so seien die ProduzentInnen in den Bergen chancenlos. "Die Politik sollte bedenken: Wenn ein Betrieb 1000 Kühe hat und das Futter zukauft, dann handelt es sich nicht mehr um einen landwirtschaftlichen, sondern um einen Gewerbebetrieb", erklärte er. Die Politik subventioniere die Landwirtschaft mit Milliarden Euro im zweistelligen Bereich, doch dort, wo es nötig gebraucht werde, komme das Geld nicht an. Die MilcherzeugerInnen im Schwarzwald benötigten nicht nur angemessene Milchpreise, mit denen sie ihre Existenz sichern können, sondern auch Subventionen, die alle Nachteile der Topografie berücksichtigen. Da ticke eine Zeitbombe, meint Keller.
Ein Gemeinderat von Bad Peterstal-Griesbach forderte dazu auf, als Gemeinde "Flagge zu zeigen". Das Gremium befürwortete seinen Vorschlag, daß Gemeinderäte die Milcherzeuger bei ihrer nächsten Protestaktion begleiten. Nun soll auch für rund 600 Euro eine Kuh-Statue "zum Zeichen der Solidarität" vom Gemeinderat finanziert und am Ortseingang von Bad Peterstal aufgestellt werden. Sie war bereits einmal im Gespräch, fiel aber bei den vergangenen Haushaltsberatungen durchs Finanzloch. Weiter wird vorgeschlagen, daß die Gemeinde einen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel schreiben solle, in dem sie sich klar hinter die Forderungen der Milcherzeuger stellt und die Problematik deutlich macht. Selbst aus der örtlichen "CD"U kommt Zustimmung - es kostet ja nichts.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
Siehe unsere Artikel zum Thema:
Milchlieferstreik auch in Deutschland
Gemeinsame Aktion auf der Kehler Europabrücke (20.09.09)
Milchlieferstreik europaweit
Auch deutsche MilchbäuerInnen wollen sich beteiligen (11.09.09)
Die kleinen Bauernhöfe werden zerstört
Immer mehr MilchbäuerInnen müssen aufgeben (25.08.09)
Aufstand der Kleinen
Mit Kuhglocken gegen Sonnleitner (11.06.09)
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Patent auf Sonnenblumen widerrufen (7.05.09)
Ausbeutung durch die Industrie-Nationen
und Ausbeutung durch die Oberschicht im eigenen Land
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Bienentod im Maisfeld
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