27.10.2009

Hoher US-Militär gibt auf

Persönlicher Rückzug aus Afghanistan

Matthew Hoh, hoher US-Militär in Afghansitan, hat seinen persönlichen Rückzug angetreten, nachdem er erkennen mußte, daß die offizielle Begründung und der vorgebliche Zweck des Afghanistan-Kriegs nicht der Realität entsprechen. Daß die fortwährende Besetzung des Landes jedoch ganz anderen Zwecken dient, scheint jenseits seines Horizonts zu liegen.

In einem mehrseitigen Schreiben, das in Auszügen in der 'Washington Post' abgedruckt wurde, erklärt Hoh die Kündigung seines Führungspostens als US-Vertreter für die afghanische Provinz Zabul. Zentral ist seine Aussage, daß er das Verständnis für und das Vertrauen in die strategischen Ziele der US-Präsenz in Afghanistan verloren habe. Er habe Zweifel an und Vorbehalte gegen die gegenwärtige Strategie. Seine Kündigung basiert ausdrücklich nicht auf der Art und Weise wie der Krieg geführt werde. Er könne jedoch die Begründung und das Ziel nicht mehr nachvollziehen.

Er sei kein "Peacenik", kein "pot-smoking hippie", so Hoh. Es gebe eine Menge Kerle, die getötet werden müßten. Nie sei er glücklicher gewesen als im Irak, wenn sein Team eine Gruppe solcher Kerle fertig gemacht hätten. Daß er den Krieg in Afghanistan nun jedoch als sinnlos begreift, beruht zum Einen auf der Erkenntnis, daß viele Afghanen nur gegen die USA kämpfen, weil deren Soldaten in ihrem Land sind. Die zweite Einsicht, die ihn nach eigenen Worten "schockierte", ist: Die US-Truppen hätten es, anders als er dies lange Zeit glaubte, nicht mit einem nationalen Widerstand zu tun, sondern mit einem lokalen Widerstand:

"I thought it was more nationalistic. But it's localism. I would call it valley-ism."
(Ich dachte, er sei eher national. Aber er ist lokal. Ich würde ihn als einen auf jedes einzelne Tal bezogenen bezeichnen.)

Hoh schildert, wie seine eigenen Erfahrungen in Korengal und Zabul ihm vor Augen geführt haben, wie sehr die Widerstandsgruppen von örtlichen Interessen geleitet seien. Manche Gruppen würden nicht einmal Verbindungen zu Gruppierungen unterhalten, die nur wenige Kilometer entfernt seien. Von den "hunderten, vielleicht tausenden" dieser Gruppen in ganz Afghanistan, gibt es nach Hoh Erkenntnissen nur wenige, die "ideologische Verbindungen" zu den Taliban hätten. Deren Geld werde aber gern genommen, um die ausländischen Eindringlinge zu vertreiben und die eigene örtlichen Machtbasen zu halten. Seiner Beobachtung nach basiert ein erheblicher Teil des Widerstandes auf der Loyalität der Ortsansässigen zu ihren Familien, Dörfern, Tälern und ihren finanziellen Unterstützern. Er zieht daraus die Schlußfolgerung, daß der Krieg in Afghanistan kein weiteres Opfer mehr wert sei.

In der Darstellung der 'Washington Post' erscheint Matthew Hoh durchweg in einem positiven Licht. Es wird das Bild eines ehemaligen Marine gezeichnet, dessen Karriere über Kampfeinsätze im Irak, Stationen im Pentagon und im Außenministerium bis zu einer leitenden Position als US-Vertreter für die Provinz Zabul führte. Der US-amerikanische Botschafter in Kabul, Karl W. Eikenberry, hatte zunächst auf die Kündigung Hohs mit einem neuen Jobangebot an höherer Stelle in der Botschaft reagiert. Auch der US Sonderbeauftragte für Afghanistan, Richard Holbrooke, lockte mit einem guten Posten in der amerikanischen Hauptstadt, weit weg vom Krieg. Bemerkenswert sind zudem die Kommentare aus US-Führungskreisen die in der 'Washington Post' zitiert werden. So äußerte etwa Holbrooke, daß er mit Hoh in vielen Argumenten übereinstimme. Einverstanden sei er nur nicht mit der Schlußfolgerung, die Hoh aus seiner Analyse zieht. Durchweg werden Hoh jedoch trifftige Argumente für seine Entscheidung zugebilligt.

Offenbar jedoch gehörte Hoh nicht zum engeren Führungskreis um den "Friedens"-Präsidenten Barack Obama und so wurde ihm nicht reiner Wein eingeschenkt, worum es beim Afghanistan-Krieg geht: Um die Vorherrschaft über die Öl- und Gas-Ressourcen am Kaspische Meer - nicht um Terrorbekämpfung und Demokratisierung.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe unsere Artikel zum Thema:

      Menschenrechte in Afghanistan
      Veranstaltung im DGB-Haus Freiburg (10.10.09)

      Niederländisches Parlament beschließt
      Abzug aus Afghanistan bis Ende 2010 (8.10.09)

      Massaker in Afghanistan?
      Regelverletzung bei Bombardierung? (10.09.09)

      Afghanistan-Krieg: ZivilistInnen getötet
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      Afghanistan:
      Sayed Parvez Kambakhsh ist frei (6.09.09)

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      Vermischung von Aufbauhilfe und Militäreinsatz (16.08.09)

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