Mit sieben zu sechs Stimmen traf das türkische Verfassungsgericht eine skandalöse Entscheidung: Es
hat den gesetzlichen Schutz von Kindern unter 15 Jahren vor sexuellen Übergriffen durch Erwachsene
aufgehoben. Im Hintergrund steht offensichtlich das islamistisch geprägte Interesse an der
Frühverheiratung von Mädchen.
Die Richter des türkischen Verfassungsgerichts hoben mit sieben zu sechs Stimmen bei vier Enthaltungen ein bestehendes "Mißbrauchs"-Gesetz auf, das Sex mit Kindern unter 15 Jahren unter Strafe stellte. Neun der 17 Mitglieder des türkischen Verfassungsgerichts wurden - mehr oder weniger
direkt - von dem die Türkei seit 2003 beherrschenden und heute als Präsident amtierenden Recep
Erdogan ausgewählt. 1994 hatte sich dieser in einem Interview mit der Zeitung 'Milliyet' als Anhänger
der Scharia bezeichnet. Auch gegen die seit der Gründung des türkischen Staates durch Kemal
Atatürk laizistisch ausgerichtete Verfassung hat sich Erdogan in der Vergangenheit klar positioniert
- er muß daher als Verfassungsfeind eingeordnet werden.
Im April 1998 war Erdogan vom Staatssicherheitsgericht Diyarbakir wegen "Aufstachelung zur
Feindschaft auf Grund von Klasse, Rasse, Religion, Sekte oder regionalen Unterschieden" zu zehn
Monaten Gefängnis und lebenslangem Politikverbot verurteilt worden. Anlaß war eine Rede, in der er
sagte: "Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen
sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen
unsere Soldaten." Bereits nach vier Monaten Haft wurde Erdogan im März 1999 entlassen.
Noch im Jahr 2008 hatte das türkische Verfassungsgericht seine Unabhängigkeit bewiesen und ein von
der Erdogan-Partei AKP beschlossenes Kopftuch-Gesetz gekippt. In ihrer schriftlichen Begründung
verwiesen die Richter auf die Verfassungsartikel 2, 4 und 148, welche die säkularen und laizistischen
Grundsätze des Landes unterstreichen. Demnach gilt ein Kopftuch - Erdogans Ehefrau Emine Erdogan
tritt in der Öffentlichkeit demonstrativ immer mit Kopftuch auf - als Form der politisch-religiösen
Meinungs-Äußerung. Seitdem gilt an türkischen Universitäten weiterhin ausnahmslos das Kopftuch-
Verbot.
Bis zu der Entscheidung des türkischen Verfassungsgerichts war Sex mit Kindern unter 15 Jahren in der
Türkei ein Vergehen. Ein lokales Gericht hatte aber bemängelt, daß das geltende Gesetz keinen
Unterschied zwischen Kindern verschiedenen Alters gemacht werde. So wurde Sex mit einem Kleinkind in
gleichem Maße geahndet wie der mit einem 14-jährigen Kind. Das türkische Verfassungsgericht
argumentierte nun, Kinder zwischen 12 und 15 Jahren könnten "die Bedeutung eines sexuellen Aktes"
durchaus verstehen. Daher sei bei Kindern in diesem Alter Sex mit deren "Zustimmung" nicht
strafwürdig.
Die türkische Menschenrechtlerin Aysun Baransel äußert sich empört über das Urteil des
Verfassungsgerichts: "Einvernehmlicher Sex kann nur zwischen Gleichaltrigen in Betracht gezogen
werden, jedoch nicht im Falle eines Altersunterschieds von mehr als 10 Jahren. In Zukunft
werden Pädophile in der Türkei frei herumlaufen."
Canan Güllü, Leiterin des Verbands der türkischen Frauenvereinigung, kritisiert: "Diese Entscheidung
wird zu Zwangsehen führen. Leute werden in der Lage sein, Kinder zu entführen, zu vergewaltigen und
jung zu heiraten." Der Entscheid werde Kinder gegen Vergewaltigung wehrloser machen, sagte auch Nazan
Moroglu, Koordinatorin der Istanbuler Frauenvereine.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Bundeswehr dringt in Kitas ein
Indoktrination von Kindern? (17.02.16)
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