Proteste zum Teil scheinheilig
In Zukunft sollen afrikanische MigrantInnen, die von italienischen Patrouillen-Booten im Mittelmeer aufgegriffen werden, direkt nach Afrika abgeschoben werden. Mit Hilfe eines neuen Gesetzes soll so die Möglichkeit, in Italien einen Asyl-Antrag zu stellen, abgeschnitten werden.
Die italienische Regierung hat am Donnerstag, 7. Mai, im Mittelmeer aufgegriffene Bootsflüchtlinge nach Libyen abgeschoben. Die MigrantInnen durften den italienischen Boden nicht betreten. AktivistInnen verschiedener Menschenrechtsorganisationen und linker Parteien demonstrierten am Freitag vor dem Regierungssitz in Rom gegen die menschenverachtende Flüchtlingspolitik. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR), die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) und Human Rights Watch hatten die Entscheidung Roms scharf kritisiert und der italienischen Regierung vorgeworfen, internationales Recht zu verletzen. Der italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano beklagte eine beunruhigende Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der MigrantInnen.
Die libysche Regierung habe der sofortigen Rücknahme der 227 Flüchtlinge zugestimmt, die - angeblich - von Libyen aus die Reise nach Europa angetreten hatten, erklärte der italienische Innenminister Roberto Maroni. Die MigrantInnen waren am Mittwoch von einem italienischen Tankschiff vor Malta gerettet worden. Sie saßen in drei Flüchtlingsbooten, die unterzugehen drohten. Dabei war es über die Zuständigkeit bei der Rettung erneut zu einem Tauziehen zwischen Italien und Malta gekommen. Maroni bezeichnete die Abschiebung der MigrantInnen als "historischen Wendepunkt im Kampf gegen die illegale Einwanderung".
Nach den bisherigen Gepflogenheiten wären die AusländerInnen in Italien in Lager interniert worden und hätten dann ein Asylverfahren durchlaufen können, bei dem allerdings lediglich eine minimale Chance auf die Erlangung des Asyl-Status gegeben war. Die Rückführung der Flüchtlinge sei durch eine "Verbesserung" des libysch-italienischen Verhältnisses möglich geworden, erklärte Maroni. Beide Länder hatten Anfang des Jahres ein Abkommen unterzeichnet, mit dem Libyen für das erlittene Unrecht während der italienischen Kolonialzeit entschädigt werden soll. In den nächsten Tagen sollen italienische und libysche Schiffe gemeinsam beginnen, Libyens Küsten zu kontrollieren, um die Abfahrt von MigrantInnen zu verhindern.
"Ich appelliere an die italienischen und maltesischen Behörden, Schutzbedürftigen, die auf hoher See gerettet werden, auch weiterhin vollen Zugang zu ihrem Territorium und zu einem Asylverfahren zu gewähren", erklärte UNO-Flüchtlingshochkommissar Antonio Guterres. Dieser war allerdings bislang nicht mit Protesten gegen die inhumane europäische Abschottungspolitik aufgefallen. Während Europa mit einer neokolonialen Ausbeutung Afrikas den Hungertod von täglich mehreren tausend AfrikanerInnen verursacht, hat es mit der faktischen Abschaffung des Asylrechts in den 90er Jahren die Migration illegalisiert.
Jedes Jahr treten in Nordafrika Zehntausende die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer nach Europa an. Viele kommen dabei ums Leben. 2008 strandeten nach Angaben des italienischen Innenministeriums an den Küsten rund 36.500 MigrantInnen, davon fast 32.000 auf Lampedusa. In den ersten Monaten 2009 seien es bereits weit mehr als 4000 gewesen.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel zum Thema:
Festung Europa: Mehr als 300 Flüchtlinge
im Mittelmeer ertrunken (31.03.09)
Weitere Proteste auf Lampedusa
Italiens Asylpolitik unverändert unmenschlich (18.02.09)
Weiter Demonstrationen auf Lampedusa
gegen europäische Abschottungs-Politik (28.01.09)
Protest gegen Festung Europa
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gegen Lager-Bedingungen (24.01.09)
Festung Europa
Menschenverachtende Politik gegen Flüchtlinge (20.06.08)
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Flüchtlingselend im Mittelmeer (28.05.07)
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