24.02.2021

Wald-AIDS im Jahr 2020
Schlimmste Diagnose seit 36 Jahren

Schwarzwald - Foto: Klaus Schramm, Creative-Commons-Lizenz Nicht-Kommerziell 3.0
Berlin (LiZ). Noch nie zuvor war der deutsche Wald so krank wie im Jahr 2020. Dies muß nun sogar die von Kopf bis Fuß auf Leugnen eingestellte Bundes-Agrar-Ministerin Julia Klöckner bei der Vorlage der jährlichen "Waldzustandserhebung" angesichts der darin enthaltenen Zahlen eingestehen. Ausgeblendet bleibt von offizieller Seite jedoch - wie auch in Zeiten von "Rot-Grün" - der Hauptverursacher der sich schleichend verschlimmernden Katastrophe.

In der offiziellen Stellungnahme des Klöckner-Ministeriums ist in einer Auflistung von "verschiedenen Faktoren" lediglich an 6. Position zu finden: "Eintrag von Luftschadstoffen". Woher der für die deutschen Wälder weitaus schädlichste "Luftschadstoff" - nämlich Stickstoff - kommt, bleibt ausgespart.

In der Pressemitteilung des BUND ist immerhin an erster Stelle unter den "Ursachen" der als AIDS zu bezeichnenden erworbenen Immunschwäche der deutschen Wälder zu lesen: Stickstoffeinträge - und dies vor angeblich weiteren Ursachen wie Dürre, intensiver Forstwirtschaft und mangelhafter Jagd. Ursächlich ist jedoch allein der Eintrag von Luftschadstoffen. Denn ein gesunder Wald kann - zumindest beim derzeitigen Ausmaß der klimatischen Veränderungen in Deutschland - sowohl Dürre- und Hitze-Perioden wie in den Jahren 2018, 2019 und 2020 als auch immer wieder massenhaft auftretende Insekten wie zum Beispiel den Borkenkäfer verkraften.

Der weitaus größte Verschmutzer der Luft mit Stickstoffverbindungen ist die industrielle Landwirtschaft. Mit ihren vor allem aus der Tierproduktion stammenden Ammoniakausgasungen - NH₃ - ist sie für rund 90 Prozent aller stickstoffhaltigen Schadgase verantwortlich. Der Straßenverkehr folgt mit rund 5 Prozent der Stickstoffbelastungen erst an zweiter Stelle.

Mit den Wolken werden die Luftschadstoffe großräumig verteilt und gelangen beim Abregnen nicht nur in den Boden der Wälder, sondern vergiften auch Hochmoore, Trockenrasen, Zwergstrauchheiden und andere, von Natur aus stickstoffarme Lebensräume. 86 höhere Pflanzen werden bereits wegen dieser Überdüngung aus der Luft in der Roten Liste der bedrohten Arten geführt.

Im Waldboden bringen die Stickstoffverbindungen sowohl den pH-Wert als auch das gesamte Nährstoffgefüge aus dem Gleichgewicht: Der Boden versauert, verliert wichtige Spurenelemente und reichert den düngenden Stickstoff an. Das Wurzelgeflecht der Bäume und die dort lebenden Mikroorganismen, die für das Überleben der Bäume unabdingbar sind, werden mehr und mehr geschädigt. Die Schwamm-Funktion des Waldes bei Starkregen ist massiv zurückgegangen. Diese Veränderungen des Waldbodens haben wiederum den zunehmend labilen Gesundheitszustand des Ökosystems Wald zur Folge.

Jahr für Jahr nimmt die Stickstoffbelastung um weitere 1,5 Prozent zu. Doch die massive Subventionierung der industriellen Landwirtschaft - insbesondere der Massentierhaltung - wird unbeirrt fortgesetzt.

Mittlerweile sind
- 89 Prozent der Buchen
- 80 Prozent der Eichen
- 80 Prozent der Kiefern
und
- 79 Prozent der Fichten krank.
Der zentrale Satz in der aktuellen Veröffentlichung des Klöckner-Ministeriums lautet: "Der Anteil von Bäumen ohne Kronenverlichtung war mit 21 Prozent noch nie so gering." Damit ist das Ergebnis der "Waldzustandserhebung 2020" unzweifelhaft die schlimmste Diagnose seit dem Beginn der Erhebungen im Jahr 1984. Damals kursierte in den Mainstream-Medien der hysterisierende Begriff "Waldsterben". Doch als der deutsche Wald in den 1980er-Jahren nicht starb, verschwand das Thema sang- und klanglos aus den Schlagzeilen. Dabei läßt sich an der "Fieberkurve" der vergangenen 36 Jahre ablesen, daß der deutsche Wald bei fortgesetzter Schädigung und lediglich aufs Wahlvolk zielender Symptom-Bekämpfung all die Jahre weiter vor sich hinsiechte.

Grafik

Als Hauptverursacher von Wald-AIDS wurde die industrielle Landwirtschaft in den vergangenen 36 Jahren von den verschiedenen Bundesregierungen keinerlei ernsthaften Beschränkungen unterworfen. Zugleich wird die Agrar-Wende durch die einseitige Subventions-Politik rigoros gebremst. Seit 2018 sitzt mit Julia Klöckner an der Spitze des "verantwortlichen" oder verantwortungslosen Bundes-Agrar-Ministeriums eine ausgewiesene Lobbyistin der industriellen Landwirtschaft. Und so dürfte nicht verwundern, daß Klöckner 2018 als "Maskottchen" (so Martin Rücker von der Verbraucher-Organisation 'Foodwatch') des Deutschen Brauer-Bundes agierte und im Juni 2019 per Video Schleichwerbung für den Nahrungsmittelkonzern Nestlé machte.

Auch von der sogenannten Umwelt-Ministerin Svenja Schulze bekam der deutsche Wald in den vergangenen Jahren keine Hilfestellung. Seit der Schaffung des "Bundes-Umwelt-Ministeriums" durch Bundeskanzler Helmut Kohl fünf Wochen nach dem Super-GAU von Tschernobyl im Jahr 1986 dürfte allen, die sich für Politik interessieren, zumindest fraglich erscheinen, ob dieses Ministerium - etwa als Konterpart zum Wirtschafts-Ministerium - der Wahrung von Umweltschutz-Interessen im Regierungs-Kabinett dient. Das Gegenteil ist der Fall. Im Unterschied zu den wohlfeilen Sonntagsreden und der über Medien verbreiteten Propaganda zeigen die Fakten seit über 30 Jahren: Die "Umwelt-Ministerien" dienen lediglich dazu, die weitere Zerstörung von Umwelt und Natur dem narkotisierten Publikum mundgerecht zu verkaufen (Siehe hierzu auch unseren Artikel v. 9.03.18 zum Amtsantritt von Svenja Schulze).


Kommentar:
Der BUND fordert: "Die Bundesregierung muß endlich wirksame Klimaschutzmaßnahmen ergreifen und gleichzeitig Schadstoff­emissionen aus Verkehr, Industrie und Landwirtschaft massiv reduzieren." Diese Forderung ist ebenso zwecklos, wie von einem Junkie zu fordern, doch endlich aus eigener Willenskraft die Finger vom Heroin zu lassen. Bei dieser Forderung übersieht der BUND - aus welchen Gründen auch immer - daß es kein Zufall ist, warum in Deutschland die Energie-Wende und die Agrar-Wende gebremst werden. Ebenso wie ein Junkie wissen auch Menschen wie Klöckner, Schulze, Merkel, Scholz oder Altmeier sehr wohl, was sie tun. Unsere einzige Chance besteht darin, daß eine Mehrheit der Bevölkerung aktiv wird, um die Wende zu erneuerbaren Energien und zur Bio-Landwirtschaft energisch voranzutreiben. Und hierbei gibt es vielfältige Möglichkeiten, die von den Energie-, Agro- und Chemie-Konzernen und den von ihnen abhängigen Menschen nicht komplett verhindert werden können.

 

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Wald-AIDS ist jetzt so schlimm
      wie in den 1980er-Jahren (23.04.20)

      Der Amazonas-Urwald brennt
      - eine globale Umwelt-Katastrophe (22.08.19)

      Neues Symptom bei Wald-AIDS:
      Wipfel-Bruch (6.06.19)

      3 Prozent Naturwald in Deutschland
      BUND: "Armutszeugnis" (4.04.19)

      50.000 Menschen bei Demo am Hambacher Forst
      Der Beitrag der Pseudo-Grünen (6.10.18)

      Waldzerstörung in Polen gestoppt
      EUGH erläßt Verfügung (21.11.17)

      70 Fußballfelder Urwald pro Tag
      Die Umwelt-Katastrophe in Europa (14.10.17)

      Wald-AIDS in Ba-Wü
      Weiter zwischen Leben und Tod (10.12.15)

      Wald-AIDS 2014
      Zustand zwischen Leben und Tod (11.02.15)

      Wald-AIDS in Baden-Württemberg
      Buchen besonders stark geschädigt (4.12.14)

      Buschbeller Wald bei Köln bedroht
      Unsinniger Sandabbau (21.07.14)

      Wald-AIDS 2013
      Zustand schlechter - nicht besser (10.03.14)

      Nationalpark im Schwarzwald kommt
      Kleiner Fortschritt in Baden-Württemberg (28.11.13)

      Wald zu 98 Prozent Rohstofflieferant
      Nur 2 Prozent Naturwald dienen als Alibi (15.10.13)

      Dem deutschen Wald geht es
      schlechter als in den 1980er-Jahren (4.02.13)

      Wald-AIDS greift um sich
      Zustand der Buchen auf historischem Tiefpunkt (2.02.12)

      Merkel degradiert Wald zum Rohstofflieferanten
      Wald-AIDS in den Medien nahezu vergessen (21.09.11)

      Giftige Grünalgen an der bretonischen Küste
      Sarkozy: "Industrielle Landwirtschaft unschuldig" (29.07.11)

      Keine Entwarnung bei Wald-AIDS
      Zustand kaum verändert (1.02.11)

      Wald-AIDS in Baden-Württemberg
      Schäden innerhalb der Schwankungsbreite
      Zustand der Eichen nach wie vor "alarmierend" (27.11.10)

      Appell gegen Massentierhaltung
      Für eine Agrar-Wende (23.11.10)

      Bayerischer Forstminister
      und wenig Promille (18.08.10)

      Globale Waldvernichtung:
      13 Millionen Hektar pro Jahr (26.03.10)

      Wald-AIDS weiter virulent
      Aigner veröffentlicht "Waldzustandsbericht 2009" (22.01.10)

      Wald-AIDS in Baden-Württemberg:
      Oettinger legt desaströsen "Waldzustandsbericht" vor
      Haupt-Verursacher Massentierhaltung weiter verleugnet (1.12.09)

      Baden-Württemberg: Wald liefert 37 Prozent weniger Gewinn
      Wald-AIDS, Nachwirkungen von Sturm Lothar
      und Klimawandel spürbar (21.08.09)

      Trotz Wald-AIDS:
      Deutsche Forstwirtschaft nicht nachhaltig (21.07.09)

      "Waldzustandsbericht" 2008 veröffentlicht
      Wald-AIDS verschlimmert sich schleichend (21.02.09)

      Wald-AIDS auch in den USA
      Sterberate in 20 Jahren verdoppelt (24.01.09)

      Wald-AIDS:
      Elende Zustände in Baden-Württemberg (18.11.08)

      Wald-AIDS wird beschwiegen
      Mainstream-Medien leugnen weiterin Hauptverursacher (19.03.08)

      Wald-AIDS im Jahr 2007
      und das Elend der Politik (30.01.08)

      Wald-AIDS in Baden-Württemberg
      Nur drei Jahre seit 1983 waren schlimmer... (24.11.07)

      Wald-AIDS im Jahr 2006
      Haupverursacher Landwirtschaft (25.01.07)

      Seehofer will die jährlichen
      "Waldschadensberichte" canceln (14.07.06)

      Wald-AIDS im Jahr 2005
      Der Waldzustandsbericht und die Ursachen (22.01.06)

      Der Wald hat AIDS
      "Rot-Grün" schaut zu (18.03.05)

      Wald-AIDS so schlimm wie nie zuvor (8.12.04)

      Wald-AIDS - Zustand schlimmer als 1983 (19.10.04)

      WWF sieht "Rot-Grün" auf dem Holzweg
      "Holz-Charta" offenbart Mißachtung der Wälder (3.09.04)

      Der Wald hat AIDS
      Aktuelle Befunde am Krankenbett (28.06.04)

      Auch "Rot-Grün" kann nicht länger leugnen:
      Dem Wald geht's immer schlechter (12.12.03)

      Waldsterben trotzt Künast
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      Waldsterben virulent (29.08.03)

      Künast zum Haartest? (15.07.03)

 

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