10.04.2005

Artikel

Visa-Affäre:
Lügen um Huntziger-Spende

Oswald Metzger, von den "Realos" ausgebooteter rechter Finanz-Experte der baden-württembergischen "Grünen" haut Joseph Fischer in die Pfanne.

Für Joseph Fischer scheint die Stunde der Abrechnung gekommen zu sein. Frühere Weggefährten, die von den "Realos" um den informellen 15-jährigen Parteivorsitzenden Joseph Fischer zeitweilig benutzt, später dann jedoch erbarmungslos ausgebootet wurden, präsentieren alte Rechnungen.

Hubert "Hubsie" Kleinert, früherer hessische "Grünen"-Vorsitzende und langjährige "Ausputzer" Joseph Fischers im hessischen Landesverband, stieg zusammen mit Fischer in den Bundestag auf. Doch dort fand Kleinerts Karriere nach kurzer Blüte ein jähes Ende. Nun fand Kleinert nach langen Jahren unfreiwilligem Schweigen endlich einmal wieder in einem überregionalen Blatt Beachtung. Kleinert warf Fischer in der April-Ausgabe der Politik-Zeitschrift 'Cicero' einen unmöglichen Umgang mit der Affäre vor. Der Ausdruck "selbstgerecht ist dafür noch untertrieben", erklärte Kleinert, der offenbar die Rache Fischers nicht mehr fürchtet.

Im 'spiegel' durfte nun gestern Oswald Metzger, der sich - ohne nennenswerte politische Differenzen - der Eingliederung in die "grünen" Seilschaften verweigert hatte und wegen solcher Eigenmächtigkeiten ausgebootet worden war, mit deutlich mehr Substanz als Kleinert am "System Fischer" öffentliche Kritik üben. Es geht um die Hunzinger-Spende von 1998 und die Frage, inwiefern Joseph Fischer persönlich von dem formal als Parteispende verbuchten Betrag von 19.999 Mark profitierte. Bisher lagen hierzu widersprüchliche Aussagen des langjährigen "grünen" Bundesschatzmeisters Dietmar Strehl vor.

Bei den "Grünen" drehte sich - um Joseph Fischer - das Personenkarussell mit hoher Geschwindigkeit. Personen stiegen in Blitzkarrieren auf und verschwanden oft ebenso schnell wieder in der Versenkung. Fünf Fraktionsführer, elf Vorsitzende, drei Bundesgeschäftsführer hat Fischer in den vergangenen zehn Jahren verschlissen. Nur im Amt des Bundesschatzmeisters konnte sich Dietmar Strehl seit vierzehn Jahren halten. Nur Herrschaftswissen, das Joseph Fischer einmal gefährlich werden könnte, kann solche Kontinuität sichern.

Doch ein einziges Mal verplapperte sich Dietmar Strehl: Er könne "gut damit leben, daß die Spenden, die Fischer eintreibt, nicht nur der Partei, sondern auch ihm selbst zugute kommen. Wie Strehl dieser Zeitung bestätigte, reduziert Fischer nämlich den persönlichen Betrag, den die Mandatsträger an die Bundespartei abführen müssen, durch die Vermittlung von Spenden. Anders ausgedrückt: Dank spendier- freudiger Unternehmer hat Fischer privat mehr Geld zur Verfügung", war in der 'Frankfurter Allgemeinen' (FAZ) am 8. Januar 2000 zu lesen. Es werde eben anerkannt, so Strehl, "wenn der Fischer kommt und sagt: 'Ich habe mit dem Hunzinger gesprochen, der gibt euch 10.000 Mark für meinen Wahlkampf dazu'." Auch im 'stern' (5/2000) wurde Fischer in einem Interview die Frage gestellt: "Jedenfalls sollen Sie wegen der Spenden die Abführungen an die Partei gedrückt haben?" Fischer antwortete darauf nur ausweichend.

Zwischenzeitlich behauptete Strehl das genaue Gegenteil: Zwischen Fischers geringen Beiträgen an die "Grünen" und den mit Beitragslücken zeitnah zusammenfallenden Spenden bestehe kein Zusammenhang. Dabei war das "System Fischer" bereits vor 1990 innerhalb der damals noch im Original existierenden Partei bekannt geworden.

Joseph Fischer, der 1983 erstmals in den Bundestag einzog, hielt, bevor er 1985 Minister in Hessen wurde, in nur zwei Jahren einen sechsstelligen Betrag, den er gegenüber den "Grünen" abzugeben sich verpflichtet hatte, zurück. Mehrere Mahnungen des Bundesvorstandes ignorierte Fischer. Erst als Rainer Trampert und Jutta Ditfurth vom damaligen Bundesvorstand in der Nacht vor einer Bundespresse- konferenz damit drohten, die Tatsache öffentlich zu machen, schob Fischer einen Scheck über den Tisch. Und bereits 1999 zitierte die FAZ den damaligen Schatzmeister der Frankfurter Grünen Harry Knittel: "Dank Fischers Kontakten zu Vertretern der Wirtschaft kam eine für Grünen-Verhältnisse außerordentlich hohe Summe zustande", nämlich "rund 103.000 Mark."

Nun berichtet Oswald Metzger im 'spiegel' über das geheime Verrechnungssystem der "Grünen". Es funktioniert entsprechend folgendem Beispiel: Nachdem Metzger vor einigen Jahren bei der 'Deutschen Bank' eine Rede gehalten hatte, leistete das Geldinstitut vereinbarungsgemäß eine Spende an die "Grünen" in Höhe von 5.000 Mark. Und als Bundesschatzmeister Dietmar Strehl - so Metzgers eigene Darstellung - im Folgejahr bei Metzger ausstehende Abführungsbeträge an die Parteikasse anmahnte, hatte Strehl die 5.000 Mark auf der Habenseite von Metzgers Saldo vermerkt. Ausdrücklich bestätigt der frühere Bundestagsabgeordnete Oswald Metzger: "Es gab ein Verrechnungssystem."

Die Beschlußlage der Fischer-Partei zu den Abgaben, die Abgeordnete an die Partei abzuführen haben ist klar, doch die tatsächlichen Finanztransaktionen sind seit fünfzehn Jahren geheim. So schreibt auch der 'spiegel', der "heimliche Schatz" des Bundesschatzmeisters Strehl sei nicht das Geld, sondern das Wissen um die Finanzen der "grünen" Abgeordneten. Strehl wisse um "die ehelichen und die unehelichen Kinder, die Geschichten von gebrechlichen Eltern und jenen Konten, die aus widrigen Gründen so tief ins Minus rutschten, daß die 'Parteisteuer' leider nicht abgeführt werden konnte."

Interne Unterlagen zeigen - so der 'Spiegel' - , daß beim Umgang mit privaten Spenden "höchst eigenwillig" verfahren wurde. In Wahrheit sei die Finanzierung der "Grünen" recht unübersichtlich. Stehl ließe über Rabatte mit sich verhandeln, die den monatlichen Spendenbeitrag deutlich senken, und verrechne "andere Leistungen" mit den satzungsgemäßen Abgaben. "Wer genau in den Genuß solcher Sondervereinbarungen kommt, ist ebenso geheim wie die Summen, die Einzelne tatsächlich zahlen," berichtet der 'spiegel'. Über die parteiinternen Gremien, in denen die finanziellen Angelegenheiten kontrolliert werden, dringe wenig nach außen. Nicht mal alle Namen der Mitglieder werden auf Nachfrage genannt, moniert das Nachrichten-Magazin.

Wiederum allgemein zugänglich, jedoch bislang von den Mainstream-Medien mit Desinteresse übergangen sind folgende Fakten: Seit dem "rot-grünen" Regierungsantritt im Jahr 1998 hätte Joseph Fischer jährlich einen fünfstelligen Betrag an die Partei abführen sollen. Doch das Rechenwerk des Bundestagspräsidenten, das alle Parteispenden von 10.000 Euro (früher 20.000 Mark) und mehr auflistet, vermerkt nur für 2001 eine Zahlung.

Jutta Ditfurth hatte bei dem von ihr meistgeliebten Parteifreund bereits vor 15 Jahren eine hervorstechende Eigenschaft registriert: "Geldgier". Die meisten Fakten über die Fischer-Hunzinger-Connection von 1998 sind bereits vor Jahren öffentlich geworden, ohne daß sich die deutsche Medien-Öffentlichkeit allzu sehr über "Deutschlands beliebtesten Politiker" erregte. Im Dunkeln blieb allerdings bislang das geheime "grüne" Verrechnungsystem. Auch wenn sich erweisen sollte, daß es sich im Rahmen der Legalität bewegt, läßt es Rückschlüsse darauf zu, was "grüne" Spitzen-PolitikerInnen seit rund 15 Jahren bewegt.

Nicht alle sind im Umgang mit dem Geld so geschickt wie Außenminister Joseph Fischer. Über Geschäfte mit Hunzinger waren seit 2002 mehrere PolitikerInnen gestolpert. Der damalige "rote" Kriegsminister Rudolf Scharping war wegen seiner Geschäfte mit Hunzinger entlassen worden. Auch der baden-württembergische "Grünen"-Politiker Cem Özdemir legte wegen eines Darlehens, das er von Hunzinger erhalten hatte, sein Bundestagsmandat nieder. Der "gelbe" baden-württembergische Wirtschaftsminister Walter Döring stolperte unter anderem über Hunzinger und die "grünen" LandespolitikerInnen Rezzo Schlauch und Heike Dederer (inzwischen auf "schwarz" umgetönt) hatten sich durch allzu heftige Nähe zu Hunzinger kenntlich gemacht.

 

Adriana Ascoli

 

Anmerkungen

1 Siehe unsere bisherigen Artikel zur Visa-Affäre

      'Fischer am 25. April vor Visa-Ausschuß'
      One-Man-Show oder Demontage? (31.03.05)

      'Visa-Akten vernichtet?'
      "Rot-Grün" dementiert (26.03.05)

      'Visa-Affäre: Die Schlinge um Schröder zieht sich zu'
      Schröder war von Anfang an informiert (23.03.05)

      'Visa-Affäre: Anklage gegen Joseph Fischer?'
      Kölner Oberstaatsanwalt stößt Berliner KollegInnen an (22.03.05)

      'Visa-Affäre: Müntefering contra Fischer'
      Die Luft wird dünner (20.03.05)

      'Visa-Affäre: Schwere Vorwürfe aus Köln'
      Otto Schily belastet (17.03.05)

      'Botschaften protestierten gegen Visa-Praxis'
      Rund ein Dutzend Botschaften... bereits im März 2000 (14.03.05)

      'Visa-Affäre: Argumentation "mit der Brechstange"'
      Erler tritt Roth vors Schienbein (13.03.05)

      'Visa-Affäre: Schweige-Deal zwischen Fischer und Schily' (8.03.05)

      'Visa-Affäre: Maulkorb für kritische Botschafter' (5.03.05)

      'Toter in Visa-Affäre?'
      Staatsanwalt in vorauseilendem Gehorsam: "Kein Zusammenhang"
      (3.03.05)

      'Fischers Büttenrede in Köln'
      Applaus wie vereinbart (26.02.05)

      'Warum die orthodoxe Linke zur Visa-Affäre schweigt'
      Die wirtschaftlichen Hintergründe der Visa-Affäre (25.02.05)

      'NRW-"Rote" seilen sich von Fischer ab'
      Das Krisenmanagement in der Visa-Affäre sei katastrophal (25.02.05)

      'Joseph Fischer nun doch erst später vor Visa-Ausschuß'
      Visa-Mißbrauch bereits im März 2000 Thema im Kabinett (24.02.05)

      'Joseph Fischer nun doch bald vor den Visa-Ausschuß'
      (22.02.05)

      'Koch in Visa-Affäre verstrickt'
      (19.02.05)

      'Sensation im Visa-Ausschuß'
      Fischers Praktiken waren illegal
      (17.02.05)

      'Fischers Visa-Affäre spitzt sich zu'
      Brief vom Außenminister höchstselbst vom April 2000
      (16.02.05)

      'Joseph Fischers final flight?'
      Schröders Treue im Bruch-Test
      Volmer nimmt die Rolle des Bauernopfers nicht an
      (14.02.05)

      'Volmer aus der Schußlinie genommen'
      In wenigen Tagen beginnt Visa-Untersuchungsausschuß (12.02.05)

      'Volmer beim Lügen ertappt'
      Hunderttausende verdient mit "auf dem Schoß sitzen" (10.02.05)

      'Bundestagsabgeordneter Volmer als Lobbyist enttarnt' (19.01.05)

 

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