Nach Angaben der Polizei kam es in mehreren nordrhein-westfälischen Sammelunterkünften für Asylsuchende zu Mißhandlungen durch private "Sicherheits"-Dienste. Offenbar verfolgt auch die "rot-grün"-regierte Landesregierung unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft eine Politik der Abschreckung.
Während Deutschland zu den Spitzenstaaten gehört, die mit ihrer weltweiten Wirtschaftspolitik und Waffenexporten Armut und Tod in vielen Ländern der Welt verursachen, wird viel Geld investiert, um die so hervorgerufenen Flüchtlingsströme an den Außengrenzen der "Festung Europa" abzublocken (Siehe unseren Artikel v. 15.09.14). Zugleich bekräftigen die Zustände hierzulande den Ruf Deutschlands, ein für Flüchtlinge alles andere als gastfreundliches Land zu sein.
Gestern gelangte Bildmaterial aus einer Sammelunterkünften für Asylsuchende im nordrhein-westfälischen Burbach an die Öffentlichkeit. Dort hatte "Sicherheits"-Personal einer privaten Firma offenbar einen etwa 20 Jahre alten Algerier mißhandelt und gedemütigt. Der Vorfall ist auf einem "Handy"-Foto festgehalten. Darauf sind ein gefesselt am Boden liegender Mann und zwei uniformierte "Sicherheits"-Leute zu sehen. Einer der beiden setzt dem Opfer seinen Fuß in den Nacken.
Quelle: Polizei
Dieses "Handy"-Foto zeigt die Mißhandlung eines Asylsuchenden durch private "Sicherheits"-Kräfte. Die Aufnahme erinnert an jene aus dem irakischen Folter-Gefängnis Abu Ghraib. An die Öffentlichkeit gelangt ist außerdem eine Video-Aufnahme, die einen anderen Übergriff auf einen Flüchtling in dem Lager in Burbach zeigt. Darin ist nach Angaben der Polizei ein Mann zu sehen, der neben Erbrochenem auf einer Matratze sitzt und unter Androhung von Schlägen gezwungen wird, sich hinzulegen.
Mittlerweile wurden die beiden "Sicherheits"-Leute, die auf dem Foto zu sehen sind, identifiziert. Der Siegener Oberstaatsanwalt Johannes Daheim erklärte heute (Montag), er hoffe, daß durch deren Vernehmung der Zeitraum eingegrenzt werden könne, in dem es zu dieser Mißhandlung kam und so auch das Opfer gefunden und befragt werden könne.
Die Polizei befragt zur Zeit die rund 700 BewohnerInnen der Sammelunterkunft in Burbach. Nach Angaben der Polizei gibt es Hinweise auf weitere Körperverletzungs-Delikte, an denen vermutlich weitere MitarbeiterInnen privater "Sicherheits"-Dienste beteiligt waren.
Auch in Bad Berleburg, rund 30 Kilometer nord-östlich von Siegen, sollen zwei 30 und 37 Jahre alte Beschäftigte einer "Sicherheits"-Firma einen Bewohner einer Flüchtlings-Unterkunft verletzt haben. Gegen sie werde wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt, sagte Oberstaatsanwalt Daheim. Die beiden Männer sollen für eine andere Firma als die "Sicherheits"-Leute in Burbach gearbeitet haben. Weitere Einzelheiten wurden nicht veröffentlicht.
Die Polizei der ebenfalls zu NRW gehörenden Stadt Essen ermittelt in drei Fällen "einfacher Körperverletzung" gegen Beschäftigte einer "Sicherheits"-Firma in einer Flüchtlings-Unterkunft. Nach Auskunft der für die Flüchtlinge zuständigen Bezirksregierung in Arnsberg wird das Essener Heim vom gleichen privaten Betreiber geführt wie die Unterkunft in Burbach. Es handelt sich um 'European Homecare'. Das Unternehmen ist einer der größten Betreiber von Flüchtlings-Unterkünften in Deutschland. Allein in NRW betreibt es sechs der zentralen landesweiten Erstaufnahme-Einrichtungen. Nach vorliegenden Informationen setzte 'European Homecare' in Essen und Burbach den Nürnberger "Sicherheits"-Dienst SKI als Subunternehmen ein. In Burbach hat allerdings SKI seinerseits offenbar ein weiteres Subunternehmen beauftragt. Und wie nun bekannt wurde, sind in der Verwaltung des Bundeslandes NRW schon seit länger Zeit Vertragsverletzungen durch das Unternehmen 'European Homecare' festgestellt worden.
Die Menschenrechts-Organisation 'Pro Asyl' reagiert mit Entsetzen auf die Veröffentlichungen. Offenbar habe es keinerlei Kontrolle gegeben, kritisiert 'Pro Asyl'. Flüchtlings-Unterkünfte dürften kein rechtsfreier Raum sein. "Wenn in Flüchtlingslagern zwei Wochen lang durch einen privaten Sicherheitsdienst gefoltert wird, dann stimmt etwas grundsätzlich nicht," so 'Pro Asyl'. Aus der Not der Flüchtlinge werde ein Geschäft gemacht und das Geld für SozialarbeiterInnen werde zugleich gekürzt.
Der Chef der 'Deutschen Polizeigewerkschaft', Rainer Wendt, wirft dem Staat vor, seiner Verantwortung für die Flüchtlinge nicht gerecht zu werden. Er wies zugleich darauf hin, daß mit der Kürzungspolitik bei der Polizei dafür gesorgt wurde, daß immer mehr private "Sicherheits"-Firmen zum Einsatz kommen.
Die deutsche Sektion von 'Amnesty International' (ai) erklärte, die Behörden sollten den nun bekanntgewordenen Skandal in NRW zum Anlaß nehmen, um ihr gesamtes Management der Unterbringung, Versorgung und Bewachung von Flüchtlings-Unterkünften auf den Prüfstand zu stellen. Die ai-Expertin für den Schutz vor Folter und Mißhandlung, Maria Scharlau, sagte: "Daß schutzsuchende Personen von dem Sicherheitspersonal, das sie bewachen soll, mißhandelt und gedemütigt werden, ist ein empörender Machtmißbrauch."
1993 wurde in Zusammenarbeit mit der formal als Opposition agierenden SPD das im Grundgesetz verankerte Asylrecht in Deutschland de facto abgeschafft. Seitdem ist Deutschland gegen Flüchtlinge weitgehend abgeschottet. In der damals noch liberalen 'Badischen Zeitung' schrieb Ulrich Rose am 27. Mai 1993 in einem Kommentar auf Seite 1: "Übel aber ist, was im Parlament beschlossen wurde, und zwar aus vielen Gründen. Vor allem die geradezu zynische Rechtskonstruktion von "sicheren Drittstaaten" läßt vom Artikel 16 wenig mehr als eine leere Hülle: Nicht mehr die Flucht-Gründe entscheiden darüber, ob jemand, der ins Land kommt, Asyl für sich beanspruchen kann, sondern nur noch der Flucht-Weg. " In der Zeit von Januar bis August 2014 haben insgesamt 99.592 Menschen in Deutschland Asyl beantragt.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Festung Europa
Massenmord im Mittelmeer (15.09.14)
Festung Europa
Flüchtlinge aus Niger in Sahara verdurstet (31.10.13)
Mord an Flüchtlingen
Barroso auf Lampedusa ausgebuht (9.10.13)
Festung Europa
Über 60 Flüchtlinge ermordet (3.10.13)
Festung Europa
Tödliche Mauer am Bosporus (11.12.12)
Hunger und Kapitalismus
"Der Süden finanziert den Norden" (17.10.12)
Festung Europa
Die NATO und der Tod von 63 Bootsflüchtlingen (5.04.12)
Festung Europa
Bollwerk am Bosporus geplant (1.01.11)
Festung Europa
Grenzregime am Bosporus verstärkt (2.11.10)
Festung Europa
Libyen als EU-Grenzposten (29.06.09)
Berlusconi: Besser in Afrika verhungern
als in Italien interniert (20.05.09)
Verfahren gegen Lebensretter in Italien
Stefan Schmidt und Elias Bierdel von 'Cap Anamur' vor Gericht
(17.05.09)
Italien schiebt afrikanische MigrantInnen ab
Proteste zum Teil scheinheilig (9.05.09)
Festung Europa: Mehr als 300 Flüchtlinge
im Mittelmeer ertrunken (31.03.09)
Ausbeutung durch die Industrie-Nationen
Eine Nahaufnahme aus Burkina Faso (11.03.09)
Weitere Proteste auf Lampedusa
Italiens Asylpolitik unverändert unmenschlich (18.02.09)
Weiter Demonstrationen auf Lampedusa
gegen europäische Abschottungs-Politik (28.01.09)
Protest gegen Festung Europa
MigrantInnen auf Lampedusa demonstrieren
gegen Lager-Bedingungen (24.01.09)
Positive Wende in Australien:
Ende der menschenverachtenden Asylpolitik (28.07.08)
Festung Europa
Menschenverachtende Politik gegen Flüchtlinge (20.06.08)
Flüchtlingselend und Artenschwund in Nordafrika
Führt Tierschutz zu mehr Menschenschutz? (22.01.08)
Frontex und die toten Flüchtlinge
Immer mehr Leichen im Mittelmeer (25.12.07)
Europa, schäme dich!
Flüchtlingselend im Mittelmeer (28.05.07)
Eine mörderische Weltordnung
Ceuta und Melilla (21.10.05)
ai: "deutsche Asylpolitik verantwortungslos"
(25.05.05)
Festung Europa fordert Tote
Mehr Leichen als Krabben in den Netzen (26.03.05)
Tag des Flüchtlings 2004:
Europa macht dicht! (30.09.04)
Menschenverachtender Umgang
mit Flüchtlingen beim FdAaF-Bundesamt (3.06.04)
Zuwanderungsgesetz
oder Abschottungsgesetz? (27.05.04)
Nach wie vor werden in Deutschland
Kinderrechte mit Füßen getreten (16.01.04)
60 Tote infolge europäischer Unchristlichkeit (22.12.03)
Sind Sie darauf stolz, Herr Schily? (13.01.03)
Europa hat eine Verantwortung (11.10.00)