Die EU hat Deutschland wegen der steigenden Nitrat-Belastung des Grundwassers vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Die deutsche Bundesregierung hat sich dies selbst eingebrockt, da sie trotz entsprechender vertraglicher Verpflichtungen keine wirksamen Gesetze zum Schutz des Grundwassers und der Oberflächen-Gewässer erlassen hat und jahrelang im Dienste der Agro-Konzerne untätig blieb.
Nicht "die Bauern" - wie es heute in den Mainstream-Medien heißt - müssen Konsequenzen befürchten, sondern lediglich die industrielle Landwirtschaft mit ihrer Massentierhaltung. Die Bio-Landwirtschaft mit ihrer Selbstverpflichtung, beim Tierbestand feste Obergrenzen einzuhalten, sorgt dafür, daß in ihrem Verantwortungsbereich nicht mehr Gülle auf die Felder ausgebracht wird, als ökologisch verträglich ist.
Doch die massive Subventionierung der industriellen Landwirtschaft - insbesondere der Massentierhaltung - wurde auch in den vergangenen Jahren unbeirrt fortgesetzt. Und dies, obwohl die Umwelt-Verbände seit Jahren wirksame Gesetze zum Schutz der Gewässer fordern (Sie etwa unseren Artikel v. 24.10.14). Auch in den vergangenen sechs Monaten hätte die Bundesregierung genügend Zeit gehabt, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das den auf EU-Ebene eingegangenen Verpflichtungen und sicherlich nur notdürftigsten Anforderungen an den Gewässerschutz genügt hätte. Im April hatte die EU-Kommission öffentlich gemacht, daß bei weiterem Nichtstun der Bundesregierung ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof unausweichlich werden würde (Siehe unseren Artikel v. 29.04.16).
Ammoniak-Emissionen und die Überdüngung der Felder mit Gülle sind die Folge einer zerstörerischen Politik im Dienste der Agro-Industrie. Durch Wind und Regen wird der Chemikalien-Cocktail in den Boden, in die Gewässer und in die Wälder verfrachtet. Das Wurzelgeflecht der Bäume und die dort lebenden Mikroorganismen, die für das Überleben der Bäume unabdingbar sind, werden mehr und mehr geschädigt. Der elende Zustand der deutschen Wälder, der sich seit den 1980er-Jahren keineswegs gebessert hat, ist eine der Folgen.
Nachweislich verursacht die industrielle Landwirtschaft durch Überdüngung jährliche Kosten von rund 25 Milliarden Euro für die Sicherung sauberen Trinkwassers. Diese externen Kosten der industriellen Landwirtschaft tragen laut der Kritik der Umweltverbände derzeit nicht die VerursacherInnen, sondern die VerbraucherInnen. Würden diese Kosten und die Subventionen, die aus Steuergeldern beglichen werden, auf die industriell erzeugten Lebensmittel aufgeschlagen, wären diese erheblich teurer als Bio-Lebensmittel. Viele fragen jammernd, warum Bio-Lebensmittel "so teuer" seien und erkennen nicht, daß dies politisch so gewollt ist.
Die rund 40-seitige Anklageschrift der EU läßt selbstverständlich diese Aspekte außer Acht. Sie belegt allerdings mit ihrem Dokumenten-Anhang von rund 1.500 Seiten, daß in vielen Regionen Deutschlands die Belastung des Grundwassers mit Nitrat steigt. Auch der Hauptverursacher wird hier - wenn auch undifferenziert - benannt: "Die Landwirtschaft". Und es ist nachzulesen, daß die EU-Nitratrichtlinie, gegen die Deutschland unzweideutig verstößt, seit 1991 existiert.
Weiter zeichnet die EU-Klageschrift akribisch nach, wie das Problem von den deutschen Bundesregierungen - gleichgültig ob "schwarz-gelb", "rot-grün" oder "schwarz-rot" - seit Jahren ignoriert wird und Millionen Euro an Strafzahlungen an die EU sehenden Auges in Kauf genommen werden. In Deutschland wurde bedenkenlos zugelassen, daß erheblich mehr Dünger auf die Äcker gebracht wird, als die Pflanzen überhaupt aufnehmen könnten, so einer der wichtigsten Vorwürfe der EU-Kommission. Die in Deutschland vorgeschriebenen gesetzlichen Dünge-Pausen von maximal drei Monaten seien viel zu kurz, ist ebenfalls in der EU-Klageschrift nachzulesen. Stand der Wissenschaft seien fünf bis sieben Monate. Offen bleibt bei dieser Argumentation mit eigeschränkten Blickfeld allerdings die Frage: Wohin dann mit der Gülle aus der industriellen Landwirtschaft?
Verwirrung wird auf der politischen Ebene außerdem damit gestiftet, daß derzeit eine Novelle des deutschen Düngegesetzes und auch der Düngeverordnung vorliegt, aber vom Deutschen Bundestag noch nicht beschlossen werden konnte. Es ist allerdings nicht zu erwarten, daß dieser Gesetzes-Text den Vorgaben aus der europäischen Nitratrichtlinie von 1991 genügen würde. Selbst der agrarpolitischer Sprecher der "S"PD-Fraktion im Bundestag, Wilhelm Priesmeier, sagt ganz offen: "Ich befürchte mal, dass die jetzt vorliegende Novelle des Düngegesetzes und auch der Düngeverordnung nicht ausreichend sein wird."
Daß Deutschland die Strafzahlungen noch abwehren könnte, ist wenig wahrscheinlich. Gegen Frankreich lief bereits eine entsprechende EU-Klage. Der Fall wurde vom Europäischen Gerichtshof entschieden und der Klage stattgegeben. Offensichtlich ist es dem pseudo-linken französischen Präsidenten François Hollande - ebenso wie Bundeskanzler Angela Merkel - wichtiger der Agro-Industrie zu Diensten zu sein, als die Umwelt und das Grundwasser für zukünftige Generationen zu erhalten oder wenigstens sorgsam mit Steuergeldern umzugehen.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erinnert daran, daß die Nitratwerte im Grundwasser Deutschlands bereits bei der Hälfte der Meß-Stellen nahe oder sogar über dem zulässigen Schwellenwert von 50 Milligramm pro Liter für Trinkwasser liegen. Konzentrationen von über 20 Milligramm NO₃ pro Liter müssen nach heutigem wissenschaftlichem Kenntnisstand als für Säuglinge und Schwangere schädlich eingestuft werden. Der Grenzwert für NO₃ in Trinkwasser liegt laut der Schweizer Gewässerschutzverordnung bei 25 Milligramm pro Liter.
Obwohl der Fleisch-Konsum in Deutschland zurückgeht, steuert die Parteien-Politik weiter in die genau entgegengesetzte Richtung. Hubert Weiger, BUND-Vorsitzender, bemerkt: "Deutschland wird immer mehr zur globalen Fleisch-Fabrik. Die Überproduktion in Mega-Ställen verursacht nicht nur das Höfe-Sterben, sie belastet auch die Gewässer und verschlechtert den Tierschutz." In anderen EU-Staaten kommt die Agrar-Wende immerhin langsam voran. In Deutschland jedoch stieg der Bio-Anteil an der landwirtschaftlich genutzten Fläche 2015 lediglich um 0,2 Prozent auf 6,5 Prozent. Die Schweiz hatte in diesem Jahr bereits 12,2 Prozent, Schweden 16,3 Prozent und Österreich 19,5 Prozent erreicht (Siehe hierzu unseren Artikel v. 14.10.16).
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Nitrat im Grundwasser
EU verklagt Deutschland (29.04.16)
Deutschlands Meeresschutz am Ende?
Umwelt-Verbände kritisieren Bundesregierung scharf
(22.02.16)
Radioaktivität im Wasser
unter dem AKW Indian Point (6.02.16)
Giftiges Trinkwasser in US-Stadt Flint
seit März 2014 (18.01.16)
Hendricks schützt Plastiktüten
nach Vorbild des Klima-Gipfels von Paris (21.12.15)
Thunfisch und Quecksilber
EU-Kommission will Grenzwert lockern (16.09.15)
Industrielle Landwirtschaft gefährdet Grundwasser
Strenge Düngeverordnung gefordert (24.10.14)
Industrielle Landwirtschaft tötet
Fischsterben in der Elbe (24.07.14)
Todeszonen der Ostsee weiten sich aus
Bundesregierung untätig (17.06.14)
Europas Flüsse stärker mit Chemie belastet
als bislang angenommen (16.06.14)
Wald-AIDS 2013
Zustand schlechter - nicht besser (10.03.14)
Nitrat-Belastung im deutschen Grundwasser
verschlechtert sich dramatisch (19.10.13)
Agrar-Subventionen
BUND fordert Neuausrichtung (28.08.13)
VGH-Urteil: Natürliches Mineralwasser
darf Pestizide enthalten (2.08.13)
Phosphat-Dünger
Industrielle Landwirtschaft ohne Zukunft (7.05.13)
Dem deutschen Wald geht es schlechter
als in den 1980er-Jahren (4.02.13)
Pestizide vernichten Amphibien
Umweltbundesamt fordert Beschränkungen (1.02.13)
Speer-Azurjungfer ist Libelle des Jahres 2013
Vom Aussterben bedroht (5.01.13)
Umweltverbände: Aigners Pestizid-Aktionsplan
ist "mangelhaft" (25.10.12)
Flächenfraß weiter lebensgefährlich
BUND fordert Biotopverbund (17.07.12)
Greenpeace deckt auf
Pestizide in Obst und Gemüse (26.03.12)
Wald-AIDS greift um sich
Zustand der Buchen auf historischem Tiefpunkt (2.02.12)
Gartenrotschwanz bald ausgerottet
Vogel des Jahres 2011 (9.10.11)
Merkel degradiert Wald zum Rohstofflieferanten
Wald-AIDS in den Medien nahezu vergessen (21.09.11)
Giftige Grünalgen an der bretonischen Küste
Sarkozy: "Industrielle Landwirtschaft unschuldig" (29.07.11)
BUND fordert Aufgabe der Pläne
zum Elbe-Ausbau und Elbe-Saale-Kanal (9.02.11)
Uran im Trinkwasser
foodwatch kritisiert neuen Grenzwert (29.11.10)
Appell gegen Massentierhaltung
Für eine Agrar-Wende (23.11.10)
Die Ostsee stirbt
Mord per Ackerbau und Viehzucht (27.07.10)
Hormone im Klärwasser
Arzneimittelrückstände bedrohen Fische (17.04.10)
Ostsee-Pipeline gefährdet Ökosystem
WWF fordert Kompensationen (21.12.09)
Uran im Trinkwasser
'Foodwatch' kritisiert zu hohe Belastung (26.11.09)
Umweltfrevel im Nationalpark
Nothafen Darßer Ort wird ausgebaggert (6.11.09)
Deutschlands Wasserverbrauch:
160 Milliarden Kubikmeter jährlich (3.08.09)
Der Rhein wird aufgeheizt
AKW Fessenheim mit maßgeblichem Beitrag (30.06.09)
Bundesregierung unterliegt:
Liste der Agrar-Subventionen endlich öffentlich (9.06.09)
Globale Wasserkrise steht bevor
Weltwasserforum 2009 in Istanbul (15.03.09)
Hormone im Mineralwasser
Plastikflaschen in der Kritik (12.03.09)
Die Ostsee stirbt
Immer weniger Schweinswale (28.01.09)
Wald-AIDS auch in den USA
Sterberate in 20 Jahren verdoppelt (24.01.09)
Steigende Pestizidbelastung
bei konventionellem Obst und Gemüse
Politik fördert weiterhin einseitig agro-industrielle Landwirtschaft
(24.07.08)
Umweltverbrechen Mais-Anbau
Nitrat und Pestizide verseuchen das Grundwasser (18.05.08)
"Umwelt"-Minister Gabriel macht den Coca-Cola-Vertreter
in der Schule
Was hat Coca-Cola wirklich mit Wasser zu tun? (24.04.08)
Die Ostsee stirbt
Gabriel desinteressiert (15.11.07)
Die Ostsee stirbt
Deutschland schaut zu (28.09.07)
Wasser,
globale Umweltzerstörung und Klimakatastrophe (14.05.07)
Schmetterlinge in Deutschland
80 Prozent vom Aussterben bedroht (13.04.05)
Explosivstoff Wasser
Nahost braucht eine gerechtere Verteilung... (1.02.04)
Agrar-Wende
Nichts als heiße Luft (24.01.04)
Wasser und Weltbank (13.07.03)
Wer gräbt den Armen
das Wasser ab? (30.03.03)
Wucher mit Wasser
Die Folgen der Privatisierung der Wasserversorgung (22.03.03)