21.12.2015

Hendricks schützt Plastiktüten
nach Vorbild des Klima-Gipfels von Paris

Plastiktüten - Grafik: Samy
Bundes-"Umwelt"- und Atom-Minis­terin Barbara Hendricks protegiert die Produzenten von Plastiktüten. Entgegen einem weltweiten Trend zum Verbot der umweltschädlichen Erdöl-Produkte soll in Deutschland mit der "freiwilligen Selbstverpflichtung" Tatkraft vorgespiegelt werden. Hendricks agiert hierbei nach dem Vorbild des Klima-Gipfels von Paris.

Auch beim Klima-Gipfel COP21 in Paris wurden nur unverbindliche Selbstverpflichtungen abgegeben. Schon im September war vorherzusehen, daß bei dem Treffen - ebenso wie bei den vorangegangenen 20 - keine völkerrechts­verbindlichen Reduktions-Ziele für Klimagas-Emissionen beschlossen werden (Siehe unseren Artikel v. 28.11.15). Das "Klimaschutz-Abkommen", das lediglich das völlig unverbindliche Versprechen enthält, die Erwärmung der Erdtemperatur zu begrenzen, erlaubt den 195 in Paris beteiligten Regierung, auch in Zukunft ihre Politik der Zerstörung des Planeten fortzusetzen. Der Beifall von bezahlten und unbezahlten ClaqueurInnen in den Mainstream-Medien und Nichtregierungs-Organisationen (NGO) mit ihrem Jubel über einen "historischen Durchbruch beim Klimaschutz" trägt maßgeblich zum beabsichtigten Effekt der Veranstaltung bei: Die kritische Öffentlichkeit wird eingelullt, die Illusion vom Verantwortungsbewußtsein der Regierenden belebt und der Widerstand gegen die Fortsetzung des business as usual geschwächt.

Bekannt ist seit langem - nicht allein nach entsprechenden Erfahrungen mit "Selbstverpflichtungen" der Automobil-Industrie - , daß auf freiwillige Zusagen kein Verlaß ist. Selbst wenn einzelne Unternehmen solche "Selbstverpflichtungen" nicht ausschließlich als kostenloses Werbemittel betrachten, sondern ernsthaft auch die Umsetzung planen, scheitert dies unter dem im Kapitalismus unausweichlichen Zwang zur Profitmaximierung an der Konkurrenz. Nur zwei Wochen nach dem Klima-Gipfel von Paris bedient Bundes-"Umwelt"- und Atom-Ministerin Hendricks die Interessen der Produzenten von Plastiktüten und des Handels. Sie einigte sich mit dem Handelsverband Deutschland (HDE) darauf, daß der Handel freiwillig einen nicht näher festgelegten Preis für Plastiktüten erheben will.

In Deutschland werden pro Jahr mehr als sechs Milliarden Plastiktüten verkauft. Im Jahr 2014 lag der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch damit bei 76 Tüten. In Europa kamen laut EU-Kommission im Jahr 2010 rund 95 Milliarden Plastiktüten in Umlauf.

In den Weltmeeren schwimmen bereits durchschnittlich 18.000 Plastikteile pro Quadratmeter. Sie gefährden Delfine, Fische, Meeresvögel und Meeresschildkröten. Ein etwa drei Millionen Tonnen schwerer Müll-Strudel hat sich zwischen Kalifornien und Hawaii gebildet. Angetrieben durch Wind und Strömungen dreht sich diese schwimmende Müllhalde in einem riesigen Wirbel auf dem Ozean. Dieser Wirbel ist etwa so groß wie Mitteleuropa. Auf ein Kilogramm Plankton kommen hier sechs Kilogramm Plastik. In mehreren weiteren Wirbeln im Südpazifik, im Atlantischen und im Indischen Ozean gibt es weitere Plastikteppiche dieser Art, wenn auch mit geringeren Mengen.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert, daß Hendricks "ausgerechnet auf das bisher in der Umweltpolitik ausnahmslos gescheiterte Instrument der 'freiwilligen Selbstverpflichtung'" zurückgreift. "Der vom Handelsverband Deutschland für Ende Dezember angekündigte Vorschlag ist nicht mehr als eine Nebelkerze," sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Er weist zudem darauf hin, daß andere EU-Staaten wie Irland mit einer klaren gesetzlichen Regelung den Plastiktüten-Verbrauch fast auf null reduziert haben. Mit einer Abgabe von 22 Cent pro Plastiktüte konnte in Irland der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von 328 auf 16 Stück gesenkt werden.

Bereits in den 1970er-Jahren regte sich Widerstand gegen die umweltschädlichen Plastiktüten, die nicht zufällig als Symbol der Konsumgesellschaft gelten, mit Kampagnen wie "Jute statt Plastik".

1994 führte Dänemark eine Abgabe auf Plastiktüten ein und hat heute den niedrigsten Pro-Kopf-Verbrauch in Europa.

In Bangladesch sind Plastiktüten seit dem Jahr 2000 komplett verboten. Sie verstopften während der Monsun-Zeit die Abwasserkanäle und erhöhten das Überschwemmungsrisiko.

Seit 2003 sind Plastiktüten im Inselstaat Papua-Neuguinea offiziell verboten.

In den ostafrikanischen Staaten Tansania und Ruanda sind sie seit 2005 und seit 2006 verboten.

San Francisco schaffte 2007 als erste Stadt die umweltschädlichen Beutel in den großen Lebensmittelläden ab.

Los Angeles beschloß 2012, Plastiktüten aus den Geschäften zu verbannen.

Hawaii ist - ebenfalls seit 2012 - der erste US-Bundesstaat, in dem flächendeckend ein Plastiktüten-Verbot durchgesetzt werden konnte.

In Mauretanien sind seit Januar 2013 aus Umweltschutzgründen Herstellung, Verbreitung und Nutzung von Plastiktüten verboten.

2014 unternahm Schottland erste Schritte gegen den Plastikmüll und erhob 5 Pence pro Tüte in den Geschäften. Das Ergebnis: Rund 650 Millionen Plastiktüten wurden im Vergleich zum Vorjahr weniger verbraucht. Der eingenommene Betrag wurde einer karitativen Organisation gespendet.

 

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Plüschtiere? Giftmüll für Kinder
      Zwei Drittel der Ware "mangelhaft" (26.11.15)

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      Getränke-Kartons nicht umweltfreundlich (25.05.15)

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      Dinosaurier des Jahres 2013
      für die Einweg-Lobby (27.12.13)

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      Mehrweg weitgehend zerstört (5.11.12)

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      (12.03.09)

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      Umwelt-Papier

 

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