Das Einwegpfand, das der sogenannte Umweltminister Jürgen Trittin im Jahr 2003 einführte, hat den Rückgang der Mehrwegflaschen beschleunigt. Dies wurde bereits damals von kritischen UmweltschützerInnen vorhergesagt. Der Anteil der klassischen Pfandflaschen ging trotz proklamierter Mehrweg-Quote immer mehr zurück.
Nun tritt der amtierende deutsche Atomminister Peter Altmaier als neuer Retter auf: Er verspricht, mit einer neuen Verordnung den Trend stoppen. Bei solchen Versprechen ist nach aller Erfahrung – das Bremsen bei den Erneuerbaren Energien zeigt dies überdeutlich – das Schlimmste zu erwarten.
Bereits 2002 war der Anteil der Mehrwegflaschen weit unter die noch von Atom-Minister Klaus Töpfer im Jahr 1991 festgelegte Mehrweg-Quote von 72 Prozent abgesunken. Mangels gesetzlichem Schutz konnte Mehrweg hauptsächlich durch die umweltschädlichen Dosen und Einweg-Plastikflaschen mit steigendem Tempo verdrängt werden. Die Kosten infolge der umweltschädlichen Wirkung schlagen sich nicht auf den Preis nieder und können von den Herstellern und Abfüllern sozialisiert werden. Der Preisvorteil bei Getränken in Dosen und Plastikflaschen muß letztlich von unseren Kindern und Enkeln bezahlt werden.
Als nach vier Jahren "Rot-Grün" im Jahr 2002 die Mehrweg-Quote bereits auf 56 Prozent abgerutscht war, wuchs der Druck auf Trittin, endlich etwas zu tun. Doch statt die Produzenten von Dosen und Plastik-Flaschen mit den externalisierten Kosten ihrer Produkte zu belasten, führte Trittin das "Dosenpfand" ein und verwischte so die Grenze zwischen Einweg und Mehrweg. Zudem ließ er zu, daß sich der leicht durchschaubare Schwindel mit angeblich wiederbefüllbaren Plastikflaschen durchsetzen konnte.
Das sogenannte Zwangspfand wurde 2003 eingeführt, gegen das reaktionäre Kräfte trefflich polemisieren konnten. 25 Cent Pfand muß der Einzelhandel seither je Dose oder Flasche erheben. Nur machte das Pfand die Getränke in den Einweg-Verpackungen nicht teurer. Geändert hat dies also nichts – wie leicht vorhersehbar war. Die Einwegflut hielt an.
Obwohl das Desaster von Trittin wider besseres Wissen angerichtet wurde, wird ihm in den Mainstream-Medien der gute Wille attestiert - die zielgerichete Obstruktion wird von diesen in einen "Mißerfolg" umgedeutet. Die statistische Auswertung des Desasters durfte nun das "schwarz-gelbe" Bundeskabinett dieser Tage bewundern. Lediglich beim Bier konnten sich Blech und Plastik nicht in dem von der Industrie und von Großbrauereien erhofften Ausmaß durchsetzen.
Doch während die Deutschen Bier weiterhin gerne aus der Mehrwegflasche trinken, greifen sie bei Mineralwasser immer öfter zu Einwegflaschen vom Discounter. 2004 noch kauften über 50 Prozent Sprudel in der Mehrwegflasche. Wenige Jahre später lag dieser Wert schon um die 40 Prozent. Das "Zwangspfand" mag Dosen zu wertvoll gemacht haben, um sie einfach wegzuwerfen. Aber den umweltfreundlichen Mehrwegsystemen half es nichts, sondern schadete nur.
Nun soll als neue Alibi-Maßnahme eine spezielle Beschilderung in Supermärkten folgen. Es gebe "Irritationen" bei den VerbraucherInnen, was nun Einweg sei und was Mehrweg, heißt es im Arbeitsentwurf einer Verordnung aus dem Atom-Ministerium. "Im Handel finden sich verstärkt Angebote von Einweggetränke-Verpackungen, deren Design stark an das von Mehrweggetränke-Verpackungen angelehnt ist." Daß ein Großteil der KundInnen jedoch gezwungen ist, bei den seit über zehn Jahren real sinkenden Löhnen und sinkenden Hartz-IV-Sätzen auch bei Lebensmitteln aufs Geld zu schauen, ist zwar bekannt – wird von der Bundesregierung jedoch ignoriert.
Durch Trittins Wirken entstand bei vielen VerbraucherInnen der Eindruck, Pfand bedeute Mehrweg. So waren es die meisten ja auch lange gewohnt. Tatsächlich sind Einweg- und Mehrwegflaschen oft kaum unterscheidbar, große Hersteller führen stets beides.
Mehr noch: Für die VerbraucherInnen ist die Rückgabe der Einweg-Variante in aller Regel bequemer. Denn Supermärkte müssen auch solche Einwegflaschen zurücknehmen, die sie gar nicht im Sortiment haben. Hauptsache, auf dem Etikett findet sich das Symbol des Einwegpfandes: ein geschwungener Pfeil nebst Dose und Flasche. Anders bei Mehrwegsystemen: Hier nehmen Händler nur jene Flaschen zurück, die sie selbst auch führen. Für so manche leere Mehrweg-Flasche erhalten die VerbraucherInnen ihr Pfand nur umständlich wieder zurück.
Hinzu kommt, daß auch dem Lebensmittelhandel der Umgang mit dem Mehrweg verleidet wurde. Durch die Zulassung immer neuer Typen von Mehrweg-Flaschen wird das Rückgabe-System untergraben: Innerhalb von zehn Jahren verdoppelte sich für den Lebensmittelhandel die Fläche zur Zwischenlagerung der Mehrweg-Flaschen. Ein Mehrweg-System ist nur überlebensfähig, wenn sich Produzenten und Abfüller auf ein überschaubares Sortiment an Größen und Formen einigen – oder wenn sie gesetzlich dazu gezwungen werden, falls die Einsicht in die umweltschädigenden Folgen der Zerstörung des Mehrweg-Systems nicht vorhanden ist. Aber von "Schwarz-Gelb" und Peter Altmaier ist die Rettung des Mehrweg-Systems ebenso wenig zu erwarten wie sie vor zehn Jahren von "Rot-Grün" und Jürgen Trittin zu erwarten war.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Hormone aus der Dose
Bisphenol A in Bier und Softdrinks (24.02.10)
Mehrweg stirbt
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Letzte Rettung für Mehrweg-System?
Neue Abgabe auf Einweg-Flaschen gefordert (16.04.09)
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(12.03.09)
Mehrweg-Quote bei Getränkeflaschen sinkt weiter
"Umwelt"-Minister Gabriel als ökologischer Todesengel (11.01.09)
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Neue Zahlen beweisen Desaster (18.08.08)
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