US-Hypothekenfinanzierer IndyMac pleite
Der kalifornische Hypotheken- finanzierer IndyMac ist am Freitag von den US-Aufsichtsbehörden geschlossen worden. Dabei handelt es sich um den zweitgrößten Bank-Crash in der Geschichte der USA. Die vor zwölf Monaten vom Platzen der Immobilienblase in den USA ausgelöste internationale Banken-Krise hat mit IndyMac den größten unabhängig börsennotierten US-Hypothekenfinanzierer in den sich immer schneller drehenden Strudel gerissen.
Bereits Ende Juni hatte der New Yorker Senator Charles Schumer Zweifel geäußert, ob die Bank die Krise überleben werde. Darauf hoben die KundInnen von IndyMac schlagartig ihre Guthaben ab. In nur elf Tagen verlangten sie insgesamt 1,3 Milliarden US-Dollar von der Bank zurück, die folglich in Liquiditätsprobleme geriet und zusammenbrach. IndyMac hatte rund 19 Milliarden US-Dollar Einlagen.
Die Situation glich der beim Zusammenbruch der britischen Bank Northern Rock im September 2007. Schlangen von KundInnen bildeten sich vor den Portalen. KundInnen reagierten mit Unverständnis und Wut: "Ich bin stinksauer. Sie hätten mir etwas sagen können", sagte etwa eine 29-jährige Friseurin, die verzweifelt vor den verschlossenen Türen einer IndyMac-Filiale in Los Angeles stand und Geld abheben wollte. Ein anderer Kunde geriet mit einem Sicherheitsmann aneinander. Am Freitagabend erklärte der Chef der unmittelbar zuständigen Sparkassenaufsicht OTS, John Reich, trocken: "Diese Institution ist heute einer Liquiditätskrise zum Opfer gefallen."
Der 1985 gegründete Hypothekenfinanzierer hatte erst vor wenigen Tagen angekündigt, wegen der Krise über die Hälfte seiner 7200 Mitarbeiter zu entlassen und sein Geschäft zu reduzieren. Zuvor war die OTS zu dem Urteil gekommen, daß das Institut nicht länger über ausreichend Kapital verfüge.
Der staatliche Einlagensicherungs-Fonds der US-Banken (FDIC) teilte am Freitag nach Börsenschluß mit, daß er die Geschäfte von IndyMac am Montag weiterführen werde. In den nächsten drei Monaten werde nach möglichen Käufern gesucht - für die gesamte Bank oder jeweils für Einzelteile. Die Einlagensicherung der FDIC deckt in den USA Guthaben bis zu 100.000 US-Dollar pro AnlegerIn ab. Insider rechnen wegen des Crash von IndyMac mit einer Belastung von 4 bis 8 Milliarden US-Dollar. Damit könnten mehr als 10 Prozent des FDIC-Sicherungsfonds verbraucht sein. Zugleich bedeutet dies, daß ein Schaden von bis zu 8 Milliarden US-Dollar auf den US-SteuerzahlerInnen abgeladen wird, während auf der anderen Seite SpekulantInnen und Banken ungeschoren davonkommen.
IndyMac (7.200 MitarbeiterInnen) hatte noch im vergangenen Jahr Hypothekenkredite in einer Gesamtsumme von 77 Milliarden US-Dollar vergeben und rangierte damit auf Platz 9 in den USA. Ende März 2008 belief sich die Bilanzsumme von IndyMac auf 32 Milliarden US-Dollar.
Die Nachricht vom IndyMac-Crash wird am Montag auf den Finanzmärkten nicht ohne Wirkung bleiben. Das Risiko eines Zusammenbruchs der beiden größten US-Baufinanzierer Freddie Mac und Fannie Mae, die als angeschlagen gelten, erscheint immer größer. Freddie Mac und Fannie Mae halten mehr oder minder werthaltige Papiere in einer Größenordnung von 5000 Milliarden US-Dollar. Dies entspricht mehr als einem Drittel des gesamten Bruttoinlandprodukts der USA. Zugleich gilt nach wie vor der Erfahrungssatz: "too big to fail". Allein wegen ihrer Größe und der damit verbundenen Gefahr eines Zusammenbruchs der gesamten Finanzbranche gilt es als sicher, daß die US-Regierung bei einem Crash von Freddie Mac und Fannie Mae ebenfalls stützend eingreift. Damit wächst jedoch das Risiko einer Wirtschaftskrise, die selbst die Weltwirtschaftskrise mit der in den USA traumatisierenden Erfahrung der großen Depression der 1930er Jahre übertreffen wird.
Fed-Chef Ben Bernanke plane eine Notfall-Finanzspritze für Freddie Mac und Fannie Mae, meldete bereits gestern (Samstag) die Nachrichtenagentur Reuters. Eine Sprecherin der US-Notenbank sagte dagegen, es seien keine Diskussionen mit den beiden Gesellschaften über eine Notfallfinanzierung geführt worden. Laut US-Medien erwägt jedoch die Regierung, eines oder gar beide Institute unter staatlichen Schutz zu stellen. Die Aktien der beiden Gesellschaften hatten in den vergangenen Tagen dramatische Verluste erlitten und waren auf 28 US-Cent abgesackt. Noch vor einem Jahr waren die Aktien von IndyMac 28 US-Dollar wert. US-Finanzminister Henry Paulson hatte am Freitag Unterstützung signalisiert: "Heute liegt unser Hauptaugenmerk darauf, Fannie Mae und Freddie Mac in ihrer derzeitigen Form zu unterstützen, weil sie eine wichtige Aufgabe erfüllen", sagte Paulson.
Als Notmaßnahme muß auch gewertet werden, daß der US-Senat am Freitag nun seine Zustimmung zu einem 300-Milliarden-Dollar-Hilfspaket gab, mit dem US-HausbesitzerInnen bei Verzug mit Hypotheken-Raten unterstützt werden können. Rund 400.000 Betroffenen sollen damit ihre Immobilienkredite in festverzinsliche Hypotheken mit 30-jähriger Laufzeit umwandeln können. Der Vorsitzende des Bankenausschusses im US-Senat, Christopher Dodd, zeigte sich optimistisch, daß Senat und Repräsentantenhaus in wenigen Tagen einen gemeinsamen Entwurf vorlegen werden.
Der größte Zusammenbruch in der Bankengeschichte der USA war bisher der Crash der Continental Illinois National Bank im Jahr 1984. Der IndyMac-Crash ist mittlerweile der fünfte Zusammenbruch einer Bank in diesem Jahr. Im Frühjahr hatte bereits die US-Investmentbank Bear Stearns unter dem Druck der Fed ihrem Notverkauf zustimmen müssen. Eine der größten Hypothekenfirmen des Landes, Countrywide, rettet sich in die Arme des Finanzkonzerns Bank of America. Mehr als 100 US-Hypothekenfirmen haben bereits ihr Geschäft eingestellt oder sind Pleite gegangen. Es ist mit weiteren Banken-Pleiten in immer schneller Folge zu rechnen, so daß der FDIC in Schwierigkeiten geraten könnte, rechtzeitig einen Käufer für IndyMac zu finden.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
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