28.08.2023

Radio Dreyeckland
Karlsruher Landgericht urteilt pro Demokratie
Hausdurchsuchungen waren rechtswidrig

Eingang zu den Räumen und Studios von Radio Dreyeckland, Foto: RDL - Creative-Commons-Lizenz Namensnennung Nicht-Kommerziell 3.0
Karlsruhe (LiZ). Das Karlsruher Landgericht hat mit Beschluß vom 22. August 2023 letztinstanzlich entschieden, daß die Hausdurch­suchungen gegen Radio Dreyeckland (RDL) rechtswidrig waren. Die Hausdurchsuchungen vom 17. Januar waren auf Geheiß der Staatsanwaltschaft Karlsruhe erfolgt, die fälschlich annahm, ein RDL-Beitrag unterstütze eine - existierende oder nicht-existierende - verbotene Vereinigung.

"Die Freiheit der Medien ist – ebenso wie die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit – schlechthin konstituierend für die freiheitliche demokratische Grundordnung," schrieben die RichterInnen des Karlsruher Landgerichts in ihr Urteil. Damit bescheinigen sie zugleich die Karlsruher Staatsanwaltschaft und dem dortigen Amtsgericht, das die Durchsuchungen ohne ausreichende Prüfungen durchgewunken hatte, ein mangelhaftes Demokratieverständnis.

"Bereits als die Polizei bei mir in der Wohnung stand, war ich der festen Überzeugung, daß diese Aktion nicht rechtmäßig sein kann. Gut, daß das nun endlich auch gerichtlich festgestellt wurde," erklärt RDL-Redakteur Fabian Kienert. Dessen kurze sachliche Meldung (vom 30. Juli 2022) über die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens im Zusammenhang mit dem Verbot der Internet-Plattform "linksunten.indymedia" hatte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe als Anlaß gedient, um mehr als fünf Monate danach Hausdurchsuchungen mit polizeilichem Großeinsatz durchführen zu lassen. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hatte behauptet, der RDL-Beitrag sei "Propaganda" für die verbotene Internet-Plattform "linksunten.indymedia".

Am 17. Januar 2023 wurden nicht nur die Wohnung des Redakteurs, sondern wurden auch die Wohnung von Andreas Reimann, dem Verantwortlichem im Sinne des Presserechts für die Internet-Seite www.rdl.de, und die Redaktionsräume von Radio Dreyeckland durchsucht. All das war rechtswidrig.

"In meiner Live-Sendung wurde ich von der Polizei aufgefordert, nicht zu Straftaten aufzurufen. Die Gerichtsentscheidung verdeutlicht, daß nicht Radio Dreyeckland, sondern die, die meine Sendung störten, es mit dem geltenden Recht nicht so genau nehmen," kommentiert RDL-Redakteurin Meike Bischoff, die während der Durchsuchung das Morgenradio gestaltete.

"Die Staatsanwaltschaft hat bei den Durchsuchungen die Rundfunkfreiheit völlig außer Acht gelassen – ein rechtsstaatliches Armutszeugnis“," kritisiert David Werdermann, Jurist und Verfahrens-Koordinator bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte, die Radio Dreyeckland in dem Fall unterstützt. "Dieses rabiate Vorgehen sendet fatale Signale – die auch die erfreuliche Gerichtsentscheidung zur Rechtswidrigkeit der Durchsuchungen nicht rückgängig machen kann."

Das Karlsruher Landgericht argumentiert in seinem Urteil weiter, daß die Durchsuchungen unverhältnismäßig gewesen seien und kritisiert zudem den massiven Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung. Insbesondere beeinträchtigten die Durchsuchungen das Redaktions-Geheimnis und die Vertraulichkeit der Informanten-Beziehung.

"Das Landgericht schützt mit der Entscheidung vom 22. August 2023 insbesondere kleine Medien wie das Radio Dreyeckland vor unzulässiger Strafverfolgung. Dies ist ein dringend notwendiges Zeichen gegen die zunehmende strafrechtliche Verfolgung linker und alternativer Journalistinnen, Journalisten und Redaktionen", erklärte dazu Dr. Lukas Theune, der Radio Dreyeckland als Rechtsanwalt vertritt.

Unabhängig von der jetzigen Entscheidung und der Vorgabe, daß alle gespeicherten Daten der JournalistInnen gelöscht werden müssen, geht das Strafverfahren gegen Fabian Kienert weiter.

Vermutlich wird die Staatsanwaltschaft zuvor alles dafür unternehmen, den fünf FreiburgerInnen, die sie in der Vergangenheit erfolglos für den Betrieb der Internetplattform "linksunten.indymedia" verantwortlich gemacht hatte und deren Wohnungen sie am 2. August 2023 ein weiteres Mal durchsuchen ließ, nun zu unterstellen, mit der Archivseite der Plattform die verbotene Vereinigung fortgesetzt zu haben.

Beim Erlassen der Durchsuchungs-Beschlüsse haben sich weder die Staatsanwaltschaft Karlsruhe noch das Amtsgericht mit der Frage beschäftigt, ob ein statisches Archiv überhaupt die Fortsetzung einer verbotenen Open-Posting-Plattform sein kann. Das Landgericht kritisiert das Amtsgericht genau in dieser Hinsicht: Es habe nicht ausreichend geprüft, "ob die zu unterstützende verbotene Vereinigung zum Zeitpunkt der Unterstützungshandlung tatsächlich bestand".

Der absurde Schlag gegen die Pressefreiheit ist noch immer nicht beendet. Viele Kontrollinstanzen haben versagt. "Es ist jetzt die wohl letzte Gelegenheit für die Staatsanwaltschaft, sich aus ihrer selbstgewählten Verstrickung im Kampf gegen die Pressefreiheit zu befreien, indem sie endlich ihre Anklage zurücknimmt. Dabei sollte sie, anders als das OLG Stuttgart, auch berücksichtigen, daß Archive, also auch Online-Archive, einen wesentlichen weitergehenden grundrechtlichen Schutz genießen!", sagt Michael Menzel, Geschäftsführer von Radio Dreyeckland.

Rechtsanwältin Angela Furmaniak, die den Redakteur Fabian Kienert in dem weiterhin andauernden Strafverfahren verteidigt, zeigt sich zuversichtlich, daß dieses Verfahren mit einem Freispruch enden wird. "Alles andere wäre mit dem Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit nicht vereinbar."

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Radio Dreyeckland
      OLG-Beschluß: Der Verfolgungswille treibt
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      "Zar Wladimir I. – Was will Putin wirklich?" (25.02.15)

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      spiegel: "Stoppt Putin jetzt!"
      Angeblich 52 % für "Strafmaßnahmen" (28.07.14)

      Witz des Tages / Realsatire
      Newsweek Cover, 1.08.2014 (26.07.14)

      Abschuß der MH17 über der Ukraine
      Der Rauch lichtet sich (19.07.14)

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      an Guardian und Washington Post (14.04.14)

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      bis heute aufrechterhalten (24.03.14)

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