Nach Informationen der ÄrztInnen gegen den Atomkrieg (IPPNW) haben ReaktorsicherheitsexpertInnen der Bundesregierung mindestens 53 schwerwiegende Sicherheitsmängel in AKW Biblis B aufgelistet. Das hessische Atomkraftwerk Biblis B, nur zehn Kilometer nord-östlich von Worms gelegen, müßte laut IPPNW aus Sicherheitsgründen längst stillgelegt sein. Hessens "Umwelt"-Ministerin Silke Lautenschläger gerät zunehmend unter Druck.
Wer den "rot-grünen" Atom-Ausstieg aus dem Jahr 2000 jemals ernst genommen hat, wird vielleicht auch glauben, das AKW Biblis B sei längst abgeschaltet worden. Denn noch bis 2006 wurde vom Bundes-"Umwelt"-Ministerium eine Tabelle mit "Restlaufzeiten" verbreitet, in der folgendes zu lesen war:
... und bekanntlich sind seit dem 31. Januar 2009 schon einige Monate ins Land gestrichen.
Daß die "Laufzeitverlängerungen", die der "schwarze" hessische Ministerpräsident Roland Koch mit Hilfe der neuen Bundesregierung angeblich durchsetzen will, längst Realität sind, wird von den Mainstream-Medien selbstverständlich ausgeblendet. Die früheren Bundes-Atom-Minister Jürgen Trittin und Siegmar Gabriel hoffen darauf, daß sich Dank dieses medialen Black-Out niemand mehr daran erinnert, was mit dem im Jahr 2000 verkündeten "Atom-Ausstieg" versprochen worden war. Die angeblich gesetzlich festgelegten "Restlaufzeiten" sollten durchschnittlich 32 Jahre betragen. Dies hätte bei dem im Jahr 1968 in Betrieb genommenen AKW Obrigheim bedeutet, daß es im Jahr 2000 hätte stillgelegt werden müssen. Tatsächlich jedoch wurde das AKW Obrigheim erst am 11. Mai 2005 nach knapp 37 Jahren Betriebszeit abgeschaltet. Das einzige AKW, das in den vergangenen 9 Jahren ernsthaft als "Haben" in der Bilanz des "Atom-Ausstiegs" zu verbuchen wäre, lief also 5 Jahre länger als versprochen. "Laufzeitverlängerungen" sind keine "schwarz-gelbe" Erfindung.
Daß nun auch ReaktorsicherheitsexpertInnen der Bundesregierung eine große Zahl schwerwiegender Sicherheitsmängel einräumen mußten, ist einer von IPPNW unterstützten Klage von AnwohnerInnen des Atomkraftwerks zu verdanken. Diese hatten im September 2005 beantragt, die Betriebsgenehmigung für Biblis B umgehend zu widerrufen. Dazu legten sie eine Mängelliste vor, die zunächst rund 160 Punkte umfaßte und die inzwischen auf 210 Punkte angewachsen ist. Alle Angaben stammen aus offiziellen Unterlagen der Atomaufsicht, des TÜV und der Gesellschaft für Reaktorsicherheit.
Das Umweltministerium in Wiesbaden lehnte den Stilllegungsantrag im April 2008 ab, die AtomkraftgegnerInnen zogen vor Gericht. Bis Ende 2009 muß die Landesregierung nun zu den Mängeln schriftlich Stellung nehmen. Selbst im Ministerium wachsen inzwischen offenbar Zweifel, ob die lapidare Begründung, Biblis B sei sicher, vor Gericht Bestand haben werde. Denn in einem von AtomkraftgegnerInnen veröffentlichten internen Vermerk räumte das Ministerium ein, daß Biblis B nicht dem Stand von Wissenschaft und Technik entspreche. Jedenfalls kündigte die Behörde dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof nun an, den ursprünglichen Antrag der AnwohnerInnen auf Stilllegung des Reaktors neu zu bescheiden. Die IPPNW werten das Einlenken als Etappensieg.
Greenpeace hatte im Frühjahr 2009 eine Untersuchung veröffentlicht1, in der mit aktualisierten Ausbreitungsrechnungen nachgewiesen wurde, daß nach einem Kernschmelz-Unfall im AKW Biblis B die radioaktive Kontamination vieler AnwohnerInnen bereits innerhalb weniger Stunden den behördlichen Grenzwert für eine Evakuierung bis um das Tausendfache überschreiten würde. Von einem Super-GAU in Biblis wären Millionen Menschen in Hessen betroffen, die radioaktive Verseuchung Europas wäre erheblich gravierender als nach der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl.
Das hessische Umweltministerium sah sich bislang außerstande, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Noch im August hatte Ministerin Lautenschläger darauf beharrt, das AKW Biblis B sei "technisch sicher".
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
1 Siehe hierzu unseren Artikel:
AKW Biblis B mit Leckage
Seit 10. Januar tritt vermehrt Radioaktivität aus (16.01.09)
Siehe auch unsere Artikel zum Thema:
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