Freiburg (LiZ). Derzeit findet das französische Atom-Projekt einer Anlage zum Einschmelzen radioaktiver Metalle aus dem Abriß von Atomkraftwerken wieder stärkere Aufmerksamkeit. Diese Metallschmelze soll entweder am Standort des im Jahr 2020 stillgelegten AKW Fessenheim oder beim AKW Tricastin errichtet werden und zielt darauf ab, Atommüll aus ganz Europa zu verarbeiten. In einer neuen Stellungnahme haben elf Umwelt-, Naturschutz- und Anti-Atom-Organisationen dieses Projekt wegen erheblicher Gefahren zurückgewiesen.
Am 4. Oktober 2018 hatte der französische Energie-Konzern und AKW-Betreiber EdF erstmals in der französischen Tageszeitung 'Le Monde' der Öffentlichkeit Pläne präsentiert, ein "Techno Centre" zu errichten. Hinter der euphemistischen Bezeichnung "Techno Centre" verbirgt sich eine industrielle Anlage zum Einschmelzen radioaktiv kontaminierter Metalle aus dem Abriß von Atomkraftwerken. Bis heute ist offen, ob diese Schmelz-Anlage am Standort des AKW Tricastin oder am Standort des 2020 stillgelegten AKW Fessenheim gebaut werden soll.
"Das vom französischen Strom- und Atom-Konzern EdF nun konkreter geplante Techno Centre zum Einschmelzen und Verarbeiten von radioaktiven Metallbauteilen aus Atomkraftwerken aus ganz Europa wäre als trojanisches Pferd das Einfallstor für die von einigen Politikern im Elsaß geforderte erneute Atomenergienutzung in Fessenheim," heißt es in der aktuellen Stellungnahme von elf Umwelt-, Naturschutz und Anti-Atom-Organisationen aus dem Dreyeckland. Radioaktiv kontaminierte metallische Bauteile sollen laut den EdF-Plänen aus ganz Europa in die als "Techno Centre" bezeichnete Schmelz-Anlage geliefert werden. Zu befürchten sei daher, daß sich die Atomwirtschaft wieder dauerhaft in Fessenheim etabliert.
Einige LokalpolitikerInnen im Elsaß werben dafür, dieses "Techno Centre" nach Fessenheim zu holen - so könne der Verlust von Arbeitsplätzen infolge der Stilllegung des AKW kompensiert werden. UmweltschützerInnen verweisen darauf, daß mit dieser Schmelz-Anlage - selbst nach offiziellen Angaben - allenfalls 200 Arbeitsplätze geschaffen würden. Und mit dieser Anlage wäre eine fortdauernde radioaktive Belastung der Region verbunden. Stattdessen können mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien zehntausende neue Arbeitsplätze im Elsaß entstehen.
Beim Durchlaufen einer solchen Schmelz-Anlage kann die Radioaktivität im Metall zwar gesenkt, jedoch nicht auf Null reduziert werden. In Frankreich soll das "schwach" radioaktiv kontaminierte Metall auch zur Produktion von Konsumgütern eingesetzt werden. Bis 2021 war dies verboten. Doch am 15. Februar 2022 wurde von der damaligen französischen pseudo-grünen "Umwelt"-Ministerin Barbara Pompili per Gesetzesänderung zugelassen, daß radioaktiver Metallschrott ins Metall-Recycling eingeschleust werden darf.
Jede radioaktive Strahlung kann zu einer Krebserkrankung führen. Eine Schwelle, unterhalb derer Strahlung ungefährlich wäre, existiert nicht. Dieses Linear-No-Threshold-Modell (LNT) ist Stand der Wissenschaft und durch umfangreiche klinische Arbeiten bestätigt. Auch bei sogenanntem schwach radioaktivem Metall kann nicht ausgeschlossen werden, daß darin noch radioaktive Partikel eingeschlossen sind.
Radioaktiv kontaminierter Stahl aus Indien gelangte im Jahr 2009 nach Deutschland und wurde in zwölf Bundesländern entdeckt. Ein Teil davon war bereits zu Aufzug-Knöpfen verarbeitet und eingebaut worden.
Im März 2006 bemerkte ein Schrott-Händler im brandenburgischen Hennigsdorf Radioaktivität in einer Lieferung, die er aus Osteuropa bekommen hatte. In der Ladung strahlten 47,5 Gramm Uran. Wie die bundesdeutschen Behörden dann feststellten, handelte sich um hoch-angereichertes Uran - zu 80 Prozent angereichertes Uran, das zum Bau der Bombe geeignet ist. Und im April 2020 fand sich radioaktiver Schrott, der mit Radium-226 kontaminiert war, in einer Anlage, die auch den Restmüll aus dem Lahn-Dill-Kreis verwertet.
Bundesweit wird jährlich rund zwanzig Mal Alarm wegen Radioaktivität in Metall-Schrott ausgelöst. In den meisten Fällen bei Schrott-HändlerInnen. Diese wurden in den vergangenen Jahrzehnten durch die Problematik sensibilisiert. Die weitaus meisten Schrott-HändlerInnen in Deutschland haben Alarmgeräte installiert, für die sie rund 70.000 Euro bezahlen müssen. Denn wenn sie radioaktiv kontaminierte Ware ausliefern, haften sie für die Schäden - und die können schnell in die Millionen gehen. Das Problem ist, daß in vielen Ländern keine solchen Überwachungsstrukturen existieren.
Für importierte Fertigprodukte aus Metall wie etwa Kinderwagen, Töpfe und Pfannen, Türgriffe oder dekorative Metallgegenstände sind entsprechende Überwachungsstrukturen auch in Deutschland Fehlanzeige. Allein wegen Personalmangels können deutsche Zollstellen die Importe meist nur nach dem Zufallsprinzip prüfen.
In den vergangenen 15 Jahren ist das Recycling von Altmetall zu einem boomenden internationalen Geschäft geworden. Afrikanischer Schrott wird in Indien eingeschmolzen oder europäischer Schrott in China. Wenn große Mengen Altmetalls international verschifft werden, kommt ein Teil aus Ländern, in denen radioaktive Quellen nicht adäquat kontrolliert werden und ins Altmetall geraten. Außerdem kann auch in hoch entwickelten Ländern etwas verloren gehen. Der globale Handel mit Altmetall hat zur Folge, daß vermehrt radioaktiv kontaminierter Stahl auftaucht.
Und manchmal wird radioaktiv kontaminierter Stahl nur durch Zufall entdeckt: So hatte sich etwa ein LKW-Fahrer, der Baustahl aus Mexiko in den USA transportierte, verirrt, bog falsch ab und geriet auf die Straße zum Kernforschungszentrum Los Alamos. Dort sind Radioaktivitäts-Meßgeräte im Asphalt versteckt und diese lösten einen Alarm aus. Die Polizei, die dann sofort anrückte, stellt fest, daß der LKW signifikant kontaminierten Stahl geladen hatte. Ohne diesen Zufalls-Alarm wäre der Stahl im Baugewerbe auf Nimmerwiedersehen verschwunden.
Ebenfalls durch Zufall wurde radioaktiv kontaminierter Stahl, der in Häusern in Taiwan verbaut worden war, entdeckt: Ein Zahnarzt wollte ein Röntgengerät in seiner Wohnung in Minsheng Villas in Taipeh aufstellen, durfte es jedoch nicht betreiben, weil eine gefährliche Strahlung ermittelt wurde. Die Strahlenschutzbehörde AEC verheimlichte gegenüber den BewohnerInnen jedoch, daß die hohen Strahlenbelastungen von den Wänden des Gebäudes und nicht von dem Röntgengerät stammten. Der Skandal wurde zunächst für mehrere Jahre vertuscht und kam erst dann ans Tageslicht, als ein zweiter Zufall hinzukam. Ein Mitarbeiter des Elektrizitäts-Unternehmens Taiwan Power Company hatte ein Strahlen-Meßgerät mit nach Hause genommen und in seinem Haus eine Hintergrundstrahlung entdeckt, die übliche Sicherheitsstandards bei weitem überstieg.
Von insgesamt rund 20.000 Tonnen radioaktiv kontaminiertem Stahl, den das taiwanesische Stahlwerk produziert hatte, wurden jedoch nur 7.000 Tonnen wiedergefunden. In mehr als 2.000 Wohnungen und 30 Schulen waren diese 7.000 Tonnen verbaut worden und mehr als 10.000 BewohnerInnen waren betroffen. Die Unterlagen des Stahlwerks über die insgesamt rund 20.000 Tonnen Stahl konnten nicht mehr aufgefunden werden.
Gerade auch durch den Stahl aus dem Abriß deutscher Atomkraftwerke, der zum Einschmelzen ins Ausland transportiert wird, wächst das Risiko, daß auf die Dauer immer mehr Radioaktivität in die Umwelt gelangt und daß auch Gegenstände des täglichen Gebrauchs - wie etwa Kochtöpfe - schon in nicht allzu ferner Zukunft stahlen. Auch in Deutschland.
Deshalb ein Hinweis auf die Petition 'Stopp des Exports und des Einschmelzens radioaktiv kontaminierter Metalle!':
www.stopp-export-und-einschmelzen.de
Zudem warnen die elf Umwelt-, Naturschutz und Anti-Atom-Organisationen den französischen staatlichen Konzern EdF vor massivem Widerstand im Dreyeckland, sollte er versuchen, das Projekt "Techno Centre" zu realisieren.
Anmerkungen
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Kein Geld für Atommüll-Fonds (9.06.16)
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Energiespar-Potential (15.05.16)
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100 Prozent bis 2021 möglich (8.01.16)
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als der Atomenergie (4.12.15)
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ETH Zürich präsentiert adaptive Solar-Fassade (2.06.15)
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